Gesundheitspolitik

10. DGKL-Jahrestagung in Dresden: Fach neu positionieren, Nachwuchs fördern

26.09.2014 -

„Ziel unserer Veranstaltung war es, einen Überblick über die Vielfalt unseres Faches zu vermitteln - von der Grundlagenforschung bis zur Routine für die Klinik", erläuterte Prof. Dr. Gabriele Siegert, die Präsidentin der 10. Jahrestagung der Deutschen Vereinten Gesellschaft für Klinische Chemie und Laboratoriumsmedizin. „So spannte unser Programm auch einen Bogen von wissenschaftlichen Symposien hin zu Veranstaltungen für Patienten." Rund 680 Fachbesucher und 270 Aussteller informierten sich in Dresden über aktuelle Entwicklungen.

Wissen schafft mündige Patienten

Einen Schwerpunkt der Patientenveranstaltungen bildeten die Gerinnungshemmer, auf denen der wissenschaftliche Fokus der Leiterin des Instituts für Klinische Chemie und Laboratoriumsmedizin, Universitätsklinikum Carl Gustav Carus an der Technischen Universität Dresden, liegt: Haemostaseologische Fragestellungen - Störungen wie erhöhte Blutungsneigung als auch erhöhte Thromboseneigung - und Therapiemöglichkeiten wie die Hemmung der Plättchenfunktion bzw. die Beeinflussung der plasmatischen Faktoren sind hier maßgebend. Die wachsende Zahl verfügbarer Arzneimittel führt zu vermehrten Fragen der Patienten. „Die große Nachfrage beim Telefonforum wie auch beim Vortrag in unserem Hörsaal belegen, dass diese Art der Kommunikation von den Betroffenen sehr gut angenommen wird", so die Tagungspräsidentin.

Die prägenden Fachthemen in Dresden

Die vaskuläre Inflammation zog sich wie ein roter Faden durch die Jahrestagung. Wie wirken sich Entzündungen auf die Gefäßwand und auf das Fettgewebe aus? Bei adipösen Patienten spielt die inflammatorische Entwicklung im Fettgewebe eine große Rolle, sagte die Expertin. Aber auch traditionelle Gebiete wie die Hämatologie und die Herausforderungen neuer Methoden und Technologien - etwa bei Proteomics/Genomics und Biobanking - standen auf der Agenda. Fortbildungskurse für Laborärzte wie auch MTAs rundeten die Veranstaltung ab - in Hämatologie, Liquordiagnostik und der Beurteilung von Gelenkpunktaten, beispielsweise Kristallerkennung im Knie bei Gicht. Prof. Dr. Siegert: „Als neues Format haben wir Fachdiskussionen angeboten, in denen die praktischen Probleme des Laboralltags erörtert wurden, etwa Vorgehensweisen bei unerwarteten Befunden, die Zusammenarbeit mit der Intensivmedizin und die endokrinologische Gynäkologie."

Blick über den Tellerrand

In vielen Bereichen ist die Zeit vorüber, in der man national denken konnte, unterstrich Prof. Dr. Klaus P. Kohse, Klinikum Oldenburg: „Wenn es darum geht, Standards in der Analytik zu setzen, Qualität zu sichern, Methoden zu vereinheitlichen und die Bioinformatik voranzubringen, dann enden diese Anstrengungen nicht an Landesgrenzen." So widmen sich die Fachgesellschaften der Länder in der European Federation of Laboratory Medicine (EFLM) diesen Themen. Wo stehen diese Bemühungen? „In den Arbeitsgruppen der EFLM sind inzwischen mehrere Guidelines erarbeitet worden", so der Experte. Dazu zählen Konzepte wie die Traceability. Und Messgrößen dürfen in Kopenhagen nicht anders sein als in Rom, nur weil die Methoden nicht standardisiert waren - mit dem Ergebnis, dass ggf. unterschiedliche Diagnosen gestellt werden. Die internationale Zusammenarbeit zielt auch auf die Harmonisierung der Ausbildung im Fach, führte Prof. Dr. Kohse weiter aus; so sollen Qualifikationen künftig im europäischen Ausland anerkannt werden. Auch Beziehungen außerhalb Europas, etwa zu China, werden über die International Federation of Clinical Chemistry and Laboratory Medicine (IFCC) entwickelt, ebenso über Projekte von Einrichtungen wie dem Referenzinstitut für Bioanalytik, etwa in der Qualitätssicherung. Prof. Dr. Kohse: „Internationalität ist für uns als Fachgesellschaft selbstverständlich".

Überblick gegenüber Spezialisierung

Eine umfassende, patientenversorgende klinisch-chemische Diagnostik aus einer Hand existiert historisch nur in Zentraleuropa und Skandinavien, rief Prof. Dr. Dr. Thomas Renné, aktiv an den Instituten für Klinische Chemie am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf und am Karolinska Stockholm, in Erinnerung. Die Stärke eines konsolidierten klinisch-chemischen Labors ist, dass man umfassender aufgestellt ist und somit breitere Diagnostik als auch bessere Möglichkeiten in der Organisation als in anderen europäischen Ländern und in den USA hat, wo die krankenversorgende Diagnostik höher spezialisiert und häufig sehr in Subspezialitäten aufgegliedert ist. Dort beschäftigen sich beispielsweise jeweils einzelne Spezialisten innerhalb einer „Molecular Pathology" Department-Struktur z.B. nur mit der Gerinnungs- oder ausschließlich mit der FACS-Diagnostik. „Anders als bei unserem Prinzip ‚alles aus einer Hand‘ ist dort die Organisationskompetenz häufig auch von der Medizinkompetenz getrennt", fügte der Experte hinzu.

„Die akademische klinische Chemie muss sich dringend mehr auf ihren Nachwuchs fokussieren und ihn zielgerichtet medizinisch und akademisch fördern, um dauerhaft den Erhalt ihres Faches an Universitäten zu sichern", lautete Dr. Rennés Aufforderung. Lehrstuhlsterben und Nachwuchsmangel sind seit Jahren unübersehbar, und der Bereich wandelt sich mehr und mehr zu reinen Versorgungseinheiten. Dieser Trend wird jedoch zunehmend erkannt." Das Fach muss für Naturwissenschaftler wieder attraktiver gemacht werden, deren Expertise muss wieder verstärkt einfließen. „Exzellenz und Lehrstühle fördern, ggf. auch mit Schwerpunktsetzungen", forderte der Experte und fuhr fort, „eine Domäne der Labormedizin & Klinischen Chemie ist die translationale Medizin. Wie kaum eine andere Disziplin ist unser Fach in der Lage, naturwissenschaftliche Erkenntnisse in einen Patienten-Benefit zu übertragen."

Engagement gegen fehlende Wertschätzung gefordert

Der heute eher geringe Stellenwert der Labormediziner und ein Image als „Messwerte-Lieferant" hat verschiedene Ursachen, kommentierte Prof. Dr. Berend Isermann, Magdeburg: „Das Fach muss eine bessere klinische Sichtbarkeit erlangen, was in Zeiten begrenzter budgetärer Ausstattung zunehmend eine Herausforderung bildet." Heute sind Ideen wie die Etablierung eigener Sprechstunden aus Gründen mangelnder Kostenerstattung nur unter erschwerten Bedingungen umsetzbar, und eine intensivere Interaktion mit den Klinikern etwa in klinischen Runden droht an reduzierten Zeitressourcen zu scheitern. Hier sind kreative und fokussierte Lösung notwendig, aber auch machbar, so Prof. Isermann. „Wer heute in einer verantwortungsvollen Position ist, sollte Engagement für sein Fach und für den Nachwuchs zeigen", lautet die Aufforderung des Experten. Was tut die Fachgesellschaft? Bei der DGKL laufen Initiativen wie etwa die Gründung einer DFG-geförderten Nachwuchsakademie zur Heranführung an die Wissenschaft, erläuterte Prof. Dr. Isermann. Bei den Bemühungen um verbesserte Sichtbarkeit in wissenschaftlicher Hinsicht gibt es eine einladend große Bandbreite an möglichen Betätigungsfeldern. Eine weitere wichtige Aktivität der - nach Niveau und Karrierephasen gestuften - Nachwuchsförderung stellt die Würdigung der Arbeiten junger Fachleute durch Poster- und Abstract-Preise dar, die auch auf dieser Jahrestagung wieder verliehen wurden.

Neuer Präsident, neue Strategien

Im Rahmen der Jahrestagung wählte die DGKL ein neues Präsidium. Der neue Präsident Prof. Dr. Michael Neumaier aus Mannheim kündigte in Dresden Veränderungen an. So wird ab 2014 die DGKL-Jahrestagung als „Deutscher Kongress der Laboratoriumsmedizin" in Kooperation mit dem Dachverband für Technologen/-innen und Analytiker/-innen in der Medizin DVTA auch verstärkt die MTLAs ansprechen. Das erweiterte Veranstaltungsprogramm wird neben starker wissenschaftlicher und ärztlicher Orientierung auch ihre Interessen umfassend berücksichtigen und einen einheitlichen Blick der Mediziner, klinischen Chemiker und Technologen auf das Fach schaffen, so Prof. Dr. Neumaier - aus der Sicht von Analytik, Befundung, Dialogen mit den Klinikern, Beratung und Konsiliartätigkeit.

Die in-vitro diagnostischen Disziplinen müssen wieder stärker interagieren

Die Veranstaltung wird grundlagenwissenschaftliche Fragen, der praktisch-medizinische Fortbildungscharakter, technologisch-analytische Aspekte, maßgebliche Dinge im Laboralltag wie etwa IT, Qualitätssicherung und Regularien abdecken - und sie wird die diagnostischen Fächer erneut zueinander führen. Der neue Präsident: „Dass sich die labordiagnostischen medizinischen Disziplinen voneinander entfernt und ausdifferenziert haben - bei oft identischer genutzter Technologie - ist für die Bewältigung übergreifender und interdisziplinär zu lösender Aufgaben nicht wirklich gut und gibt nicht die Erfordernisse wieder. Die Interaktion schafft eine integrierte Sicht auf das große Potenzial der Labordiagnostik und ist ein Muss im Sinne des Patienten!"

 

Kontakt

DGKL - Deutsche Vereinte Gesellschaft für Klinische Chemie und Laboratoriumsmedizin

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