Hygiene

Lösungsansätze bei MRSA durch innovative Krankenhaushygiene

13.11.2012 -

Der Beweis liegt vor: MRSA ist kontrollierbar und reduzierbar. Neue Ansätze saarländischer Forschung und angewandte Industrielösungen im Bereich der Hygiene zeigen Erfolge.

Krankenhaushygiene wird im Zeitalter des MRSA-Erregers allerorts zur Chefsache gemacht. Dies ist angesichts der fünfstelligen MRSA-bedingten Todesfälle - allein in Deutschland - dringend geboten. Im Saarland ist das Thema Krankenhaushygiene derzeit ein Schwerpunkt: „Healthcare-Saarland", ein Cluster der Landesregierung, unterstützt Forschung und Wirtschaft in ihren Bemühungen, gesellschaftliche Probleme gemeinsam anzugehen und Lösungsansätze zu finden.

Systematische Überwachung der Ansteckungswege

Prof. Mathias Herrmann, Leiter des Institut für Medizinische Mikrobiologie und Hygiene am Uniklinikum Homburg, arbeitet mit hoher Priorität an dem notwendigen Erfolgsfaktor Krankenhaushygiene. In Zusammenarbeit mit dem Ministerium für Gesundheit und allen 24 saarländischen Krankenhäusern konnten Hermann und seine Mitarbeiter zum ersten Mal in einer landesweiten Studie die MRSA-Rate bei Krankenhausaufnahme und die mit einem MRSA-Trägerstatus verbundenen Risikofaktoren bestimmen.

Saarlandweit wurden über acht Wochen alle stationären Aufnahme-Patienten durch eine einfache Abstrichuntersuchung des Rachens und der Nasenvorhöfe auf MRSA untersucht. Der Methicillin-resistente Staphylococcus aureus stellt in nahezu allen Krankenhäusern, Reha-Einrichtungen und Pflegeheimen ein großes Problem dar. „Insgesamt wurden über 20.000 Patienten bei stationärer Aufnahme in einem Krankenhaus auf MRSA untersucht. Dabei sind 400 Nasen-Rachen-Abstriche positiv gewesen. Darüber hinaus sind 36 Wundabstriche positiv, von diesen waren 13 Abstriche nur in der Wunde positiv. Damit ist die Gesamtzahl der Positiv-Befunde 436. Daraus ergibt sich eine globale MRSA-Positivitätsrate von 2.18/100 Aufnahmepatienten. Herrmann weiß: „Diese neuen Erkenntnisse über MRSA haben landesweit die Aufmerksamkeit für das Problem MRSA und Multiresistenz deutlich geschärft, haben geholfen, Vorurteile und Ängste abzubauen, und stellen jetzt eine wertvolle Grundlage für die weiter notwendige Präventionsarbeit quer durch alle Bereiche des Saarländischen Gesundheitssystems dar."

Entwicklung völlig neuer ­Medikamente

Gerade begonnen haben die Wissenschaftler des Helmholtz-Instituts für Pharmazeutische Forschung Saarland mit einem erfolgversprechenden Projekt. Sie forschen zusammen mit weiteren Partnern in einem Verbundprojekt des BMBF an den Grundlagen. Einem Schleim ähnlich und kaum zu durchdringen seien die Biofilme, die viele Bakterien bei einer Infektion bilden. Sie bestehen meist aus sehr langen Molekül-Ketten, sog. Polymeren.

Zahlreiche Bakterienarten, unter ihnen gefährliche Krankheitserreger wie Pseudomonaden und Staphylokokken, schützen sich damit sowohl vor der Immunabwehr als auch vor dem Angriff von Antibiotika. Allein in Deutschland stehen etwa 100.000 Infektionen pro Jahr im Zusammenhang mit Biofilmen. Sie stellen ein ernstes medizinisches Problem dar: Durch bakterielle Infektionen entstandene und nicht behandelbare Biofilme sind häufig die Ursache dafür, dass Knie- und Hüftgelenkprothesen oder auch künstliche Herzklappen ersetzt werden müssen. Die Risiken der Patienten sind dabei oft erheblich, die Kosten hoch. Schwere Erkrankungen wie Herzinnenhautentzündung, Mukoviszidose oder die chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD), bei denen Biofilme eine maßgebliche Rolle spielen, verlaufen oft tödlich. Denn ein Medikament, das Biofilme verhindern oder auflösen kann, gibt es bislang nicht.

Das soll sich in den nächsten Jahren ändern. Ein Forschungs-Projekt mit Beteiligung des saarländischen Helmholtz-Instituts für Pharmazeutische Forschung soll den Biofilmen mit Wirkstoffen aus der Natur zu Leibe rücken. Das Konsortium versucht innerhalb von drei Jahren einen ersten Biofilm-Inhibitor in die präklinische Prüfung zu bringen. Die Wissenschaftler aus Saarbrücken haben unter Leitung von Prof. Rolf Müller ein Vorscreening-Verfahren entwickelt, um die große Vielfalt der Naturstoffe zunächst eingrenzen zu können. „Wir hoffen nun, schnell zu Startsubstanzen zu gelangen, die wir in der Projektlaufzeit zu klinischen Entwicklungskandidaten optimieren können", sagt Rolf Müller. Der Weg zu einem neuen Medikament sei aber noch weit.

Angewandte Praxisbeispiele der Industrie

Schon sehr konkret und in der Praxis einsetzbar entwickeln saarländische Unternehmen mit unterschiedlichsten Ansätzen Möglichkeiten, den Krankenhauskeimen den Garaus zu machen. Ein neuartiger, auf Langzeitwirkung ausgerichteter Lösungsansatz zur Abtötung von Krankenhauskeimen basiert auf der chemischen Nanotechnologie, oder genauer gesagt auf dem sog. Sol-Gel-Verfahren.

Diese klinisch zugelassene Produktlinie zur Flächendesinfektion bewirkt nicht nur die sofortige Abtötung von Erregern gemäß der Richtlinien von VAH/DGHM, sondern hält ihre antibakterielle Wirkung über einen längeren Zeitintervall aufrecht: Mit dem Aufbringen und anschließenden Verdunsten der Flüssigkeit bildet sich eine nur wenige Hundert Nanometer dicke offenporige Schicht aus, die über die kontrollierte Freisetzung von keimabtötenden Komponenten eine antimikrobielle Wirkung über mehrere Tage gewährleistet. Die antimikrobielle Nachhaltigkeit des Desinfektionsmittels ist in anerkannten mikrobiologischen Tests (ASTM E 2180) sowie in klinischen Feldversuchen für eine Dauer von zehn Tagen nachgewiesen worden. Gleichzeitig bewirkt dieser Film eine Reduktion des Reinigungsaufwandes um ca. 50 %.

Seit einigen Jahren werden von verschiedenen Unternehmungen Verfahren vorgestellt, die als Kammerzellenelektrolyse - oder Diaphragmalyseverfahren - bezeichnet werden. Die Besonderheit bei diesem Verfahren liegt darin, dass die hochwirksamen Mittel kostengünstig, umweltfreundlich, vor Ort und nach Bedarf hergestellt werden. Dabei handelt es sich nicht um „chemische Keulen", sondern um Natriumhypochlorit-Lösungen mit einem sehr geringen Restanteil von freiem Chlor. Dieses Verfahren, dass bereits vor 30 Jahren bei der russischen Raumstation Mir angewendet wurde, ist in Europa und Deutschland seit Juli 2008 zugelassen.

Die Produktionskosten sind sehr gering, da die Ausgangsprodukte des Verfahrens Salz, Wasser und Strom sind, so werden die Kosten pro Liter der Desinfektionslösung bei etwa einem Cent bemessen. Die Schädlinge, u. a. Keime, Bakterien (inklusive Legionellen), Viren und viele weitere Mikroorganismen, werden nicht durch Chemie eliminiert, sondern mithilfe der für den Menschen ungefährliche „elektrische Spannung".

Ein weiterer enormer Vorteil dieses Verfahrens ist der vollständige Abbau des Biofilms in Rohrleitungen. Das Produkt kann allerdings, neben der Wasserdesinfektion auch für Oberflächen und Instrumentendesinfektion eingesetzt werden. Durch das hohe Redoxpotential und der damit weitreichenden Wirkung der Endlösung hat diese Flüssigkeit die Zertifizierung im Krankenhaus- und Praxisbereich der Deutschen Gesellschaft für Hygiene und Mikrobiologie sowie des Verbandes für Angewandte Hygiene für die hohe Belastung bestanden und ist viruzid gemäß EN 14476.

Nicht die Desinfektion, sondern einen komplett anderen Ansatz der Krankenhaushygiene wählte ein saarländisches Labordiagnostisches Institut. Es entwickelte einen Fotokatalyseprozess, der gefährliche Bakterien sammeln, töten und abbauen kann. Übrig bleiben CO2 und Wasser.

Auf dem Weg in den Markt

Nachhaltige Erfolge im Kampf gegen die Krankenhauskeime erhofft sich nach zahlreichen wissenschaftlichen Gutachten, Studien und Praxisbeispielen ein Unternehmen aus Schwalbach. Antimikrobielle Veredelung heißt hier die Zauberformel. Mit einer flüssigen Lösung auf Glasbasis sinkt die Keimbelastung auf Fußböden, Möbel, Türklinken und Lichtschaltern um bis zu 95 %. Und das bis zu mehreren Wochen. Dabei handelt es sich nicht um eine Desinfektion, sondern um eine „Umhüllung" eines Gegenstandes mit einer hauchdünnen Schicht, an der Keime langfristig keine Chance haben. Für dieses Verfahren wurde das Unternehmen mehrfach mit Preisen bedacht, wie mit dem Wissenschaftspreis 2011 oder als ein Ort der Ideen im letzten Jahr.

Es gibt sie also, Lösungen, um Krankenhaushygiene zu optimieren. Noch haben sie sich nicht auf dem Markt durchgesetzt. Erfolgreiche Praxisläufe zeigen jedoch, dass es sich um echte Alternativen zu herkömmlichen Verfahren und Produkten handelt. Das Interesse saarländischer Kliniken und Einrichtungen ist groß, die Verfahren zu testen und bei Erfolg auch einzusetzen. Alles gemeinsam und aus einer Hand: Made im Saarland.

 

 

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