Labor & Diagnostik

Krankenhauslabordiagnostik in der Zukunft – Nutzen für das Krankenhaus?

26.03.2015 -

Nur eine zielgerichtete Diagnostik ermöglicht eine adäquate Therapie für die uns anvertrauten Patienten. Dabei stellen sich heute durch die fortschreitende Öffnung der Sektorengrenzen (ambulant und stationär) vor allem den diagnostischen Fächern wie Radiologie, Pathologie und Laboratoriumsmedizin neue Herausforderungen und Chancen.

Die letzte Ausgabe von Management & Krankenhaus (den vollständigen Text lesen Sie hier) enthält die Vision einer zukünftigen Laboratoriumsmedizin aus der Sicht eines unter internationaler Eigentümerschaft agierenden Laborkonzerns basierend auf einer gerade veröffentlichten Studie des Deutschen Krankenhaus-Instituts (DKI), welche die Bedeutung der Labormedizin im Krankenhaus unterstreicht. Der Autor betont einzelne Aspekte der Studie wie die Wertschöpfung von Patientenuntersuchungen, lässt aber wesentliche Inhalte der Studie zur medizinischen Bedeutung der Labormedizin im Krankenhaus unberücksichtigt. Man kann dankbar sein für diesen Beitrag, erlaubt er doch im Folgenden die Diskussion und Richtigstellung einiger Ansichten zur labormedizinischen Krankenhausdiagnostik.

Seit Jahren haben insbesondere kleine und/oder wirtschaftlich bedrohte Krankenhäuser ihre diagnostischen Querschnittsbereiche an externe Dienstleister abgegeben. Dahinter stecken bis heute die Versprechen erhöhter Wirtschaftlichkeit und finanzieller Vorteile gegenüber einem hauseigenen medizinischen Labor, die den Administrationen durch die Vertreter von Laborkonzernen oder Laborberater vorgetragen werden.

Das medizinische Labor macht selbst bei einer Vollkostenbetrachtung üblicherweise nur rund 3% der Kosten eines Krankenhauses aus. Hohe Kostensenkungen in der Klinik sind durch Outsourcing des Labors nicht annähernd zu realisieren. Gleichzeitig ist ungeklärt, ob diese potentielle geringe Marge den Verlust diagnostischer Kernkompetenz vor Ort langfristig aufwiegt. Nach unserer Meinung ist das Primat einer wirtschaftlich motivierten Einsparung bei der Diagnostik für ein ressourcen- und patientenschonendes Arbeiten in der Klinik sogar eher kontraproduktiv, weil es die Kliniken eigener diagnostischer Steuerungselemente beraubt. Ein wesentlicher Grund hierfür liegt in der hohen Transparenz von Laborkosten im Krankenhaus, die dazu führt, dieses fachlich breit aufgestellte diagnostische Steuerungselement trotz seines erheblichen Einflusses auf rund 70% aller medizinischen Entscheidung von den heutigen Entscheidern in Kliniken zuvorderst unter Kostenaspekten zu betrachten. Dabei werden optimale Patientenversorgung und die Sicherheit oft nachrangig gesehen.
Wir erinnern uns ohne Wehmut an die Managementkonzepte des Outsourcings und sog. „lean Management", die in der deutschen und der globalen Wirtschaft der 80er- und 90er-Jahre propagiert wurden und heute als überholt gelten. Inzwischen ist vielfach publiziert, wie teuer die Aufgabe der Kernkompetenzen von Industrien und Branchen (Automobil, IT, Chemie) bezahlt werden mussten, und wie ressourcenaufwändig die entsprechenden Reetablierungen waren.

Die Hochleistungsmedizin lebt vom interdisziplinären Dialog, der in der Klinik in idealer Weise auf Augenhöhe zwischen den klinischen und diagnostischen Disziplinen am Patientenbett geführt wird. Die Laboratoriumsmedizin trägt hierzu nicht nur durch das „Abliefern von Zahlenwerten" bei, sondern ist ein stets ansprechbarer, die Patienten mitbehandelnder Partner für die Ärzte auf Station und in der Ambulanz. Gerade aus diesem Grunde muss dem Beitrag von Herrn Dr. Heidrich in M&K energisch widersprochen werden. Er beleuchtet fast ausschließlich die Kostengünstigkeit und Verfügbarkeit von Labortests aus dem Großlabor. Die Erfolgsgeschichten der Laborkonzerne begründen sich in ihrer Marktkraft. Diese hat nicht primär medizinischen Hintergrund, sondern ist das Resultat eines seit Jahren stattfindenden gnadenlosen Preiskampfes, der hierzulande über die vom Autor gepriesenen Masseneffekte zu Niedrigkosten pro Analyse geführt hat, die in Europa ohne Beispiel sind. Einsatz von fachfremdem Personal und untertarifliche Vergütung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind teils nötig, um dies zu realisieren. In der Folge ist Deutschland seit Jahren für international agierende Investoren und Hedge-Fonds attraktiv, die solche Laborunternehmen aufkaufen. Aus der Perspektive des Autors mag es folgerichtig sein, den in der Fachgesellschaft ausgebildeten Laborarzt als „Garanten für hoch qualifizierte Leistungsmedizin" im Labor vordergründig zu begrüßen, um seine Bedeutung in Zusammenhang mit dem durch diese Entwicklungen herbeigeführten Kostendruck im Anschluss dann direkt als unwirtschaftlich in Frage zu stellen.

Niemand wird sich einer kostengünstigen Diagnostik verweigern, und bei sehr selten benötigten Untersuchungen macht die Analytik in nur wenigen Laboratorien in Deutschland mit ausreichenden Serienlängen fachlich und wirtschaftlich Sinn. Die vorgeschlagene simple Trennung in die preiswerte Routinediagnostik, welche das Krankenhaus selber erbringen soll, und die lukrative Spezialdiagnostik, die für den Laborkonzern attraktiv ist, verkennt, dass die medizinische Bedeutung von Laborbefunden von den Gestehungskosten unabhängig ist und indikationsbezogen rein auf die Patientensituation zu betrachten ist. So stellt die Bestimmung der Kaliumkonzentration im Serum unzweifelhaft einen einfachen Routineparameter dar, der aber mit lebensbedrohlichen Komplikationen assoziiert sein kann und oft durchaus komplexe Interpretationen erfordern kann. Das Beispiel zeigt, wie fehlleitend die nur auf wirtschaftlichen Gesichtspunkten basierende Unterscheidung in einfach/billig und speziell/teuer ist.

Die hier vorgetragene einfache Logik „Schnelligkeit ist notwendig, weil sie möglich ist" geht fehl. Indikationen für Laboruntersuchungen sind medizinisch und müssen vor Ort getroffen werden. Gerade die Beratung durch den Laborarzt im Krankenhaus läßt oft unnötige Spezialtests durchaus auch im Sinne einer erhöhten Wirtschaftlichkeit vermeiden. Dies gilt auch für die Verfügbarkeit von Spezialuntersuchungen: so können einige Häuser bestimmte Spezialanalysen abhängig von ihrem speziellen medizinischen Bedarf auch am Wochenende oder des Nachts benötigen und profitieren so von der medizinische Befundungskompetenz im eigenen Labor. Gerade bei der Spezialanalytik ist der intensive Austausch - dazu gehört auch eine ausreichende Mitteilung der klinischen Fragestellung -- ein permanentes Problem. Es ist aber nicht verwunderlich, dass bei enger räumlicher Nähe zwischen dem Anforderer auf Station und dem Laborarzt im Krankenhauslabor der gegenseitige Informationsaustausch intensiver ist und so über den Messwert hinaus ein tatsächlicher (und auch fassbarer) Mehrwert für den Patienten geschaffen wird.

Im Gegensatz zum Personal des niedergelassenen Einsendelabors kann das labormedizinische Krankenhauspersonal am Fall orientiert reagieren und ist zeitnah und ständig persönlich in Kontakt mit den betreuenden Ärzten. Ein signifikanter Anteil der Fälle profitiert bezüglich Primärdiagnose oder Verlauf von diesem unmittelbaren kollegialen Dialog vor Ort, der sowohl Differenzialdiagnostik und Monitoring auch in Absprache mit anderen diagnostischen Querschnittsfächern unmittelbar begleitet. Der „lokale Kommunikationsfaktor" ist von entscheidender Bedeutung. Demgegenüber ist das vollständige Outsourcing für die im Krankenhausbetrieb notwendigen Reaktionszeiten nachteilig mit der Gefahr einer Verschlechterung der medizinischen Qualität der Labordiagnostik.

Dass die Zahl der unabhängig geführten Krankenhauslaboratorien seit 2000 rückläufig ist, hat natürlich nicht mit fehlender Akzeptanz, Leistungsfähigkeit oder Qualität des Krankenhauslabors zu tun, sondern beruht vor allem aus der Markbereinigung kleiner Krankenhäuser und dem Zusammenschluss von Krankenhäusern zu Klinikverbünden, die dann entweder in Eigenregie oder in Kooperation mit lokalen, niedergelassenen Laboratorien die Laborversorgung lokal sicherstellen. Die Bedeutung des medizinischen Labors ist tatsächlich eher gestiegen. Auch hat es Kooperationen mit niedergelassenen Laborärzten schon vor dem Jahr 2000 gegeben. Insofern können wir der Argumentation von Dr. Heidrich überhaupt nicht folgen, dass man in diesem Rückgang wohl eine besondere Wertschätzung des niedergelassenen Labors sehen müsse. In Herrn Dr. Heidrichs Schlussfolgerung kann das Präsidium der Fachgesellschaft keinen konkreten labormedizinischen Anspruch erkennen. Vielmehr beschränkt er die Rolle des niedergelassenen Labors auf die technische, organisatorische und praktische Dienstleistung. Unsere Antwort darauf: Das ist kein „Zukunftslabor", sondern eine Wertefabrik. Labormedizin beginnt an dieser Stelle erst. Die Labormedizin auf die einfache Lieferung von Zahlenwerten zu reduzieren, ist gleichbedeutend mit der Unfähigkeit, auf die fortwährende wissenschaftliche Entwicklung und die immer neuen Anforderungen zu reagieren. Als Beispiel sei der 10-Punkte-Plan des BMG gegen multiresistente Erreger vom 23.3.2015 genannt, der im Falle eines Outsourcing des Krankenhauslabors weitgreifende Änderungen der Verträge mit dem externen Auftragnehmer notwendig machen würde - und das unabhängig davon, dass die eigene Kompetenz im Krankenhaus dafür nicht mehr besteht. Der wirtschaftliche Vorteil des Outsourcings wird daher über längere Zeiträume auch regelmäßig hinterfragt.

Mehrwert des Krankenhauslabors

Die jüngste Studie des Deutschen Krankenhausinstitutes (DKI) zeigte eine wichtige Rolle des Krankenhauslabors an vielen verschiedenen Wertschöpfungsprozessen des Krankenhauses. Interessant ist in diesem Zusammenhang auch eine vergleichbare Studie aus den USA (Physician Satisfaction With Clinical Laboratory Services Arch Pathol Lab Med. 2009;133:38-43). Dort wurden den Krankenhauslaboratorien - mit der Ausnahme der turnaround-Zeit der an auswärtige Laboratorien vergebenen Spezialtests („esoteric testing") - in den harten Kriterien durchgängig sehr gute Noten erteilt (und das esoteric testing das einzige Kriterium war, das von den Krankenhauslaboratorien in keinster Weise beeinflusst werden kann).

Labordiagnostik als Kernkompetenz des Krankenhauses

Dank einem Team aus Ärzten, Naturwissenschaftlern und MTAs sowie einer üblicherweise ausgefeilten Organisation und Datenverarbeitung und -übertragung werden die notwendigen Untersuchungen in hoher Qualität und im Krankenhaus in der Mehrzahl sogar rund um die Uhr erbracht. Trotz dieser hohen Effizienz moderner Labordiagnostik - wie schon erwähnt, liegt der Anteil für die Labordiagnostik im ambulanten und im stationären Bereich in Deutschland bei ca. 3% der Gesamtkosten - werden Laboruntersuchungen oft rein auf die Kosten reduziert. Das größere Krankenhauslabor stellt aber als Querschnittsbereich fraglos auch eine medizinische Kernkompetenz der Klinik dar, die für viele Fachabteilungen des Krankenhauses einen möglichst Nutzenzuwachs bringt. Da labormedizinische Leistungen bei nahezu allen Patienten des Krankenhauses zur Unterstützung der Diagnostik benötigt werden und bei einem Großteil der Patienten, insbesondere bei den internistischen, pädiatrischen, neurologischen und Intensivmedizinischen Patienten für eine definitive Diagnosestellung unabdinglich und naturgemäß zeitkritisch sind, ist es angezeigt, dass der Krankenhausträger diesen ärztlichen Kernkompetenzbereich bei sich im Haus behält und so die Multidisziplinarität - ein Kennzeichen erfolgreicher Krankenhäuser - auch einschließlich der diagnostischen Fächer bewahrt. Mit den Hygieneverordnungen der einzelnen Bundesländer besteht nun auch die Notwendigkeit jedes Hauses ab 400 Betten, einen Hygieniker zu beschäftigen, und es ist aus einer ganzen Reihe von Punkten wie der engen Vernetzung zu der Mikrobiologie und zu der infektiologischen Diagnostik zu empfehlen, diesen Hygieniker (als Mikrobiologen oder als Medizinhygieniker) in die Abteilung für Laboratoriumsmedizin zu integrieren, soweit das Krankenhaus kein eigenes Hygieneinstitut besitzt.

Rolle des Krankenhauslabors

Über die reine Labordiagnostik hinaus haben die laborärztlich geleiteten Krankenhauslaboratorien eine wichtige Rolle in der Beratung und konsiliarischen Mitbehandlung „auf Augenhöhe" mit den anderen Krankenhausärzten (sei es bei der Auswahl und Bewertungen der bestgeeigneten labormedizinischen Untersuchungen) wie auch bei Empfehlungen zur Therapie (wie insbesondere in der Mikrobiologie, der Hämostaseologie und der Immunhämatologie). Auch wenn weite Bereiche der Laboratoriumsmedizin dank der Bemühungen der Fachgesellschaften wie der DGKL in der Standardisierung von Untersuchungen und Untersuchungsabläufen inkl. der Qualitätssicherung äußerst verlässliche und untereinander vergleichbare Befunde liefern, so bestehen in den einzelnen Häusern große Unterschiede in Bezug auf die Organisation und den Bedarf der einzelnen Kliniken, der innerbetrieblichen Logistik und auch bei unterschiedlichen Prioritäten für die Bearbeitungszeiten oder die Art der durchzuführenden Untersuchungen. Die sogenannten präanalytischen und postanalytischen Schritte stellen heute den empfindlichsten Bereich der Laboratoriumsdiagnostik dar, in dem im Vergleich zur reinen Analytik durch Optimierungsprozesse der weitaus größte Nutzen geschaffen werden kann. Dies betrifft sowohl den Geschwindigkeitsgewinn (d.h. Verbesserung der „turnaround-Zeit"), eine deutliche Verminderung der Fehlerraten wie auch eine Verbesserung des Ressourcenverbrauches. Ob ein Krankenhaus „funktioniert" und auch künftig wirtschaftlich handeln kann, wird an sehr vielen Punkten stark durch das Krankenhauslabor gesteuert werden. Wenn Labordiagnostik „outgesourced" wird, dann betrifft dies regelmäßig vor allem den analytischen Prozess und nicht die Prä- und Postanalytik.

Interessant sind darüber hinaus faire Kooperationen zwischen großen Kliniken und „Portalkliniken", die über Apotheke, Radiologie, Pathologie und Laboratoriumsmedizin diese Kooperationen mit Leben füllen.

Demographische Entwicklung - Weiterbildung des ärztlichen und technischen Nachwuchses

Nicht unterschätzt werden darf die Notwendigkeit, bei dem alleine aus der demographischen Entwicklung heraus zu erwartenden zunehmenden Bedarf an labormedizinischen Leistungen auch ausreichende Weiterbildungsangebote anzubieten für ärztliche und technische Mitarbeiter. Wenngleich die Universitäten in der Weiterbildung an vorderster Front stehen, sind qualifizierten Ausbildungsstätten an laboratoriumsmedizinischen Abteilungen in größeren Krankenhäusern wichtige Stützen für die Qualifizierung des Nachwuchses und damit auch für die Zukunft der medizinischen Labordiagnostik.

Zusammengefasst hat das Krankenhauslabor auch in der Zukunft für die Patientenversorgung wie auch für die Wirtschaftlichkeit des Krankenhauses eine entscheidende Rolle. Die Laboratoriumsmedizin hat neben der Diagnostik vielfältige Interaktionen mit dem Krankenhaus und es bleibt eine permanente Herausforderung für die Mitarbeiter des Krankenhauslabores, sich den Anforderungen zu stellen und für den Patienten, den Krankenhausträger und letztlich auch für sich selber ein produktives Umfeld zu schaffen.

 

Kontakt

DGKL - Deutsche Vereinte Gesellschaft für Klinische Chemie und Laboratoriumsmedizin

Friesdorfer Str. 15
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+49 228 926895 17
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