Hygiene

EHEC-Infektionen: Hygienemanagement bei Risikoerregern

26.05.2011 -

Das Thema EHEC-Infektionen dominiert derzeit die Berichterstattung. Risikoerreger verursachen aber grundsätzlich deutliche Probleme in der klinischen Praxis. Prof. Dr. Markus Dettenkofer vom Institut für Umweltmedizin und Krankenhaushygiene des Universitätsklinikums Freiburg informiert über aktuelle Fragen, über Theorie und Praxis des Hygienemanagements.

M&K: Welche Hauptprobleme verbinden sich mit den Risikoerregern?

Prof. Dr. Markus Dettenkofer: Ein hoher Anteil von Patienten, die mit (multi)resistenten Erregern (MRE) kolonisiert sind, wird erst relativ spät durch klinische Untersuchungsmaterialien auffällig ... und dies leider auch nur begrenzt: Studien nennen Raten von 39% bei gram-negativen Bakterien mit Resistenzen gegen die Drittegenerations-Cephalosporine, 23% bei MRSA und 21% bei VRE. Wenn nicht mit mikrobiologischem Screening gezielt gesucht wird, findet man nur „die Spitze des Eisbergs".

Heute treten zu den gram-positiven MRSA und VRE im gram-negativen Bereich vermehrt Enterobakterien auf, die Beta-Laktamasen mit erweitertem Spektrum bilden, ESBL. Dies ist wegen der hohen Pathogenität besonders kritisch - aber die Resistenzentwicklung aller dieser Erreger stellt für Kliniker eine zunehmende therapeutische Herausforderung dar.

Was ist zu tun?

Prof. Dr. Markus Dettenkofer: Die Basis der Kontrolle von MRE im Krankenhaus sind zunächst einmal Präventionsmaßnahmen wie die Händedesinfektion und das gezielte Tragen von Handschuhen - und natürlich auch das Ablegen dieser Handschuhe direkt nach Gebrauch. Hinzu kommen spezielle fallbedingte Vorsorgemaßnahmen wie die zusätzliche Isolierung der Patienten, Schutzmaßnahmen des Personals durch das Tragen von Schutzkleidung - bei MRSA auch Mund-Nasen-Maske - und streng patientenbezogene Devices. Die dritte Säule ist das Screening von Risikopatienten.

Patienten mit multiresistenten Erregern gehören in vielen Kliniken heute z.B. auf Intensivstationen zum Alltag. Standardhygienemaßnahmen müssen schon im normalen Stationsbetrieb konsequent beachtet werden, nicht erst, wenn MRE nachgewiesen sind. Nach wie vor ist die Händedesinfektion die wichtigste Standardmaßnahme, ob im OP, auf der Intensiv- oder der Tagesstation. Die nationale „Aktion Saubere Hände" ist hier eine hervorragende Unterstützung für uns in den Kliniken.

Isolierung oder Isolation - ist das ein Unterschied?

Prof. Dr. Markus Dettenkofer: Beide Begriffe werden in unterschiedlichen Bereichen verschieden definiert. In der Medizin/Infektiologie bedeutet Isolierung des Patienten eine Maßnahme zur Verhütung von Infektionen. In der Soziologie bedeutet soziale Isolation einen schweren Mangel an Sozialkontakten. Die Isolationshaft setzt Isolation sogar als Folter ein. Diese verschiedenen Definitionen sollte man sich auch vor Augen halten, wenn über die Isolierung von Patienten zu entscheiden ist.

Wann, bei wem und wo kommt eine räumliche Isolierung infrage?

Prof. Dr. Markus Dettenkofer: Eine räumliche Isolierung von Patienten kommt infrage bei deren Besiedelung mit kontagiösen Risikoerregern (v.a. MRE, aber auch z.B. C. difficile), bei Vorliegen spezieller Übertragungswege, bei besonders gefährdeten Patienten zu deren Schutz (vor allem bei extremer Abwehrschwäche) oder beim Management von Ausbrüchen. Eine Unterscheidung ist auch zu treffen zwischen Intensiv- und Normalstationen, hämatologisch-onkologischen Stationen und Infektionsstationen.

Zur Isolierung von Patienten gibt es Pro und Contra?

Prof. Dr. Markus Dettenkofer: Ja, die Frage, ob z.B. MRSA-positive Patienten grundsätzlich räumlich in einem Einzelzimmer isoliert werden sollen oder nicht, wird noch immer kontrovers diskutiert. Protektive Effekte wurden in Studien mit multivariaten Analysen sowohl bei Kohortenisolierung als auch bei Einzelzimmerunterbringung auf Intensivstationen festgestellt. Manche Autoren wollen aber aufgrund methodischer Schwächen andere Gründe für einen positiven Effekt nicht ausschließen. Grundsätzlich kann dazu geraten werden, dass die gezielte Isolierung als ein Bestandteil der Kontrollmaßnahmen weiter durchgeführt wird, bis weitere Studienergebnisse vorliegen.

Kritiker der Patientenisolierung führen Gruppenvergleiche an, nach denen isolierte Patienten doppelt so häufig „adverse events" zeigten, häufiger unzufrieden waren und ihre Vitalzeichen weniger gut überwacht wurden als bei nicht-isolierten Patienten. Dies ist leider auch Realität in deutschen Kliniken und muss dringend verbessert werden.

Die Vertreter der Contra-Haltung behaupten vor allem, dass es wesentlich wichtiger sei, dem Prinzip der Standardhygiene im Umgang mit allen Patienten absoluten Vorrang einzuräumen. Damit kann die Versorgung aller Patienten grundlegend verbessert und auf die eingreifende Isolierung in einigen Fällen verzichtet werden.

Wie sieht die Realität aus?

Prof. Dr. Markus Dettenkofer: In einer Untersuchung von 155 Patienten mit MRSA zeigte sich z.B., dass 50 nicht räumlich isoliert wurden, also 32%. Als Gründe wurden zu 46% angegeben, dass kein Einzelzimmer verfügbar war, zu 26% waren die Gründe unbekannt, bei 22% lag eine Grunderkrankung vor, die die Isolierung erschwert, und 8% standen kurz vor der Verlegung oder Entlassung.

Die Niederlande führen vor, dass es auch besser geht?

Prof. Dr. Markus Dettenkofer: Die entscheidenden Punkte des niederländischen Vorgehens bei einem unerwarteten Fall von MRSA sind strikte Isolierung, Screening von Kontaktpatienten und auch Mitarbeitern mit Patientenkontakt. Und bei weiteren MRSA-Fällen wird eine Aufnahmesperre verhängt. Hinzu kommt - wie in Deutschland auch - die Behandlung von kolonisierten Trägern mit Mupirocin nasal. So wurden z.B. in einer fünfjährigen Follow-up-Studie am Universitätsklinikum Rotterdam mit 1.200 Betten bei 51.907 Screenings nur 1,5% MRSA-Träger unter den Patienten und nur 0,2% unter den Mitarbeitern gefunden. Die mittlere Zahl nosokomialer Transmissionen lag bei lediglich 6,7/Jahr.

Es ist allerdings anzumerken, dass in vielen Fällen der Personalschlüssel dort wesentlich besser ist als in deutschen Kliniken.

Wie lautet Ihre Forderung? Ist eine „genormte" Infektionskontrolle das Ziel?

Prof. Dr. Markus Dettenkofer: Neben Problempatienten, Probleminfektionen und Problemerregern haben wir es leider nicht selten auch mit „Problempersonal" zu tun. Es kann sicher nicht die Alternative sein, „Behandlungs- und Pflegeroboter" zu entwickeln, die keine Händedesinfektion mehr „vergessen". Aber die Patienten werden es nicht mehr lange akzeptieren, dass sie in Kliniken vermeidbaren Risiken und besonders Übertragungen von Risikoerregern ausgesetzt werden. Sie können von einem exzellenten, aber auch aufwendigen Gesundheitssystem einwandfrei sterilisierte Instrumente im OP verlangen. Sie können ebenso vom Personal verlangen, sie nicht mit gefährlichen Mikroorganismen auf den Händen oder Handschuhen zu behandeln und zu pflegen.

Ein entscheidender Schlüssel ist gut motiviertes, auch über „Standesgrenzen" hinweg zusammenarbeitendes qualifiziertes Personal. Hier sind die Ärzte in ihrer Vorbildfunktion besonders gefragt. Und natürlich die Politiker und Verwaltungen, die nicht am falschen Ende sparen dürfen.

 

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