IT & Kommunikation

epSOS-Standards für sind ein Stück weit als Trendbarometer zu sehen

04.05.2011 -

Das Projekt epSOS (Smart Open Services for European Patients) startete 2008. Dr. Jörg Caumanns, der für das Fraunhofer Institut für Software und Systemtechnik im Projekt engagiert ist, spricht über die Auswirkungen einer länderübergreifenden Datenaustauschstruktur auf Kliniken.

M&K Welche Ziele setzt man sich beim Projekt epSOS?

Dr. Jörg Caumanns: Ziel des Projekts war und ist es, die bestehenden natio¬nalen eHealth-Infrastrukturen so zu vernetzen, dass medizinische Daten (als freiwilliger Mehrwertdienst) gemäß den europäischen Vorgaben an Datenschutz und Datensicherheit grenzüberschreitend ausgetauscht werden können. Als erste Pilotszenarien wurden hierzu das Einlösen von elektronischen Rezepten im Ausland und die Übermittlung von medizinischen Basisinformationen umgesetzt.

Nächstes Jahr, am 30. Juni 2011, soll es beendet sein. Lässt sich heute schon eine Zwischenbilanz ziehen?

Dr. Jörg Caumanns: Das Projekt liegt gut im Zeitplan, und zum Beginn des nächsten Jahres werden die ersten Pilotprojekte starten. Es wurden verschiedene Open-Source-Komponenten entwickelt, die es Herstellern erleichtern sollen, ihre Produkte an epSOS anzubinden. Aufgrund des Erfolgs werden nächstes Jahr weitere Länder in das Projekt einsteigen, das deshalb auch um neue Anwendungsfälle ergänzt und bis Ende 2013 verlängert wurde.

Wie soll so eine länderübergreifende Struktur aussehen? Auf was kommt es im Besonderen an?

Dr. Jörg Caumanns: Zum Datenaustausch mit anderen Ländern wird in jedem Land ein sog. National Contact Point (NCP) aufgebaut, der sowohl im europäischen epSOS-Verbund als auch in der natio¬nalen Infrastruktur verankert ist. Er dient anderen Ländern als einziger Zugangspunkt zu den Patientendaten. Der NCP überprüft die Rechtmäßigkeit des Zugriffs (z.B. ob der Patient der Nutzung von epSOS zugestimmt hat und ob der Patient bei dem anfragenden Arzt in Behandlung ist) und „übersetzt" die Daten in ein für alle Länder verständliches, einheitliches Format.

Für welche Anwendungen konkret sind länderübergreifende Standards im Sinne von EpSOS notwendig und warum?

Dr. Jörg Caumanns: Im Moment stehen noch Anwendungen im Vordergrund, die vor allem für Urlauber interessant sind (Abfrage von Allergie-Informationen etc.). Perspektivisch sollen aber vor allem auch Berufspendler und Chroniker wie Dialyse-Patienten adressiert werden, um deren Mobilität zu erhöhen und die Risiken eines Auslandsaufenthalts zu reduzieren.

Welche Komponenten/Software- und Hardwaresysteme der Klinik-IT betrifft epSOS?

Dr. Jörg Caumanns: Für deutsche Klinken ist sicherlich vor allem der Abruf medizinischer Basisdaten ausländischer Patienten interessant. Nach aktuellem Diskussionstand wird der Zugriff wohl über ein Web-Portal erfolgen, an dem sich der anfragende Arzt mit einer Smartcard authentifiziert. Diese Lösung ist dann in einem ersten Schritt auch ohne tiefe Integration in die bestehenden Systeme umsetzbar, sodass man letzten Endes erst einmal die Funktionalität prüfen und den Nutzen bewerten kann, bevor man weitere - und potentiell teurere - Schritte zu einer echten Integration in die Klinik-IT vornimmt.

Die Spezifikation der technischen Komponenten innerhalb des epSOS-Projekts ist die Aufgabe des Fraunhofer ISST. Lässt sich schon sagen, welche Standards IT-Klinikentscheider beachten sollen, wenn sie eine epSOS-konforme Infrastruktur aufbauen wollen?

Dr. Jörg Caumanns: Die Grundidee von epSOS ist, dass die nationalen Infrastrukturen nicht berührt werden, d. h., die zwischen den NCPs genutzten Standards sind für die Kliniken weitgehend unsichtbar. Da an dem Projekt jedoch viele Experten aus verschiedenen Ländern und der Industrie beteiligt waren, kann man die Auswahl der Standards für epSOS natürlich ein Stück weit als Trendbarometer ansehen. Und hier ist epSOS eine recht gelungene Zusammenführung von IHE Profilen und HL7 CDA mit Konzepten und Standards der Sicherheitsarchitektur der elektronischen Fallakte.

Wer ist die treibende Kraft hinter dem Projekt?

Dr. Jörg Caumanns: Treiber bei einem solch großen Projekt kann nur der politische Wille der beteiligten Länder und ihrer Gesundheitsministerien sein. Dies ist auch bei epSOS der Fall.

Wie ist die Akzeptanz Ihrer Bemühungen einer europaweiten eHealth-Infrastruktur für Patientendaten bei den Kliniken?

Dr. Jörg Caumanns: Da wir erst im nächsten Jahr in die Pilotprojekte einsteigen, kann man jetzt noch keine belastbaren Aussagen zur Akzeptanz machen. Ich gehe aber davon aus, dass wie bei vielen technischen Neuerung auch in diesem Fall vor allem die Kliniken profitieren werden, die schon jetzt aufgrund ihrer medizinischen Leistungsfähigkeit auch für ausländische Patienten interessant sind. Ich glaube nicht, dass eine Klinik neue und interessante Patienten gewinnen wird, nur weil man an epSOS angebunden ist. Man kann wahrscheinlich perspektivisch eher welche verlieren, wenn man nicht angebunden ist.

Sind schon epSOS-konforme Infrastrukturen implementiert in Deutschland?

Dr. Jörg Caumanns: Momentan stehen noch keine Details zu den Pilotaktivitäten in Deutschland fest; interessierte Kliniken können sich daher gerne noch melden.

Wie sieht es auf der Herstellerseite aus? Wird in der Produktentwicklung schon darauf geachtet, dass Daten europaweit genutzt und weiterverarbeitet werden können?

Dr. Jörg Caumanns: epSOS nutzt ein normiertes in HL7 CDA kodiertes Format auf Basis des von vielen Herstellern in anderen Ländern bereits unterstützten Continuity of Care Datensatzes. Wenn sich zeigt, dass epSOS von den Kliniken nachgefragt wird, wird dieses Format auch seinen Weg in die deutschen Produkte finden. Die Hersteller werden hier ¬aber sicherlich abwarten, wie der angekündigte Basisdatensatz der elektronischen Gesundheitskarte aussieht, sodass man in einem Arbeitsschritt ggf. beide Formate erzeugen kann.

Worauf sollten sich Ihrer Meinung nach die Klinik-Verantwortlichen heute in Bezug auf ihre IT-Investitionen konzentrieren?

Dr. Jörg Caumanns: Ich denke nicht, dass eine einzelne Anwendung wie epSOS Einfluss auf die IT-Investitionen einer Klinik haben sollte. Man muss aber im Blick haben, dass die vielen Einzel-Anwendungen wie Tele-Radiologie, Fallakte, Zuweiserportal und epSOS letzten Endes nur Vorboten dessen dafür sind, was kommt. Die Kommunikation einer Klinik mit Zuweisern, Kassen, Kooperationspartnern und auch Patienten wird sicherlich schon in naher Zukunft durch einen unüberschaubaren Zoo von Einzelanwendungen adressiert, die am Arbeitsplatz der Arztes zusammenlaufen und integriert werden müssen.

Auch die einzelnen Fachbereiche werden von der Klinik-IT zunehmend auf ihre jeweiligen Netzwerke zugeschnittenen eHealth-Anwendungen erwarten. Investitionen in eine Außenkommunikation müssen sich daher immer daran messen lassen, inwieweit sie geeignet sind, schrittweise eine Plattform aufzubauen, auf der sich weitere Anwendungen mit immer weniger Aufwand aufsetzen und integrieren lassen.

Eine gute Referenz ist hier sicherlich die elektronische Fallakte mit ihrer klaren Trennung von Plattform und Anwendung, wodurch man eine Plattform hat, die auch andere Anwendungen tragen kann, und eine Anwendung, die auch auf anderen Plattformen laufen kann.

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