IT & Kommunikation

Ist die IT in Krankenhäusern reif genug für klinische Prozesse?

06.08.2013 -

Der aktuelle IT-Report Gesundheitswesen stellte die Frage an alle IT-Leiter und Leiterinnen von bundesdeutschen Krankenhäusern (insgesamt 1.335 Personen), ob die in ihren Häusern verfügbaren IT-Systeme eine hinreichende Unterstützung klinischer Prozesse leisten. Mit ca. 20 % Rücklaufquote und einer bundesweiten Beteiligung aus allen Krankenhaustypen und Trägerschaften liefert die Befragung aussagekräftige Ergebnisse.

„Wir beobachten eine zunehmend verbreitete technologische Basis in den Häusern, die eine Prozessunterstützung prinzipiell möglich macht", sagt Prof. Ursula Hübner, Leiterin der Befragungen, und nimmt Bezug auf die Verfügbarkeit von integrierten Informationssystemen. Knapp über die Hälfte der Teilnehmer nutzt ein krankenhausweites IT-System mit einer zentralen Datenhaltung und darauf zugreifenden Funktionen. Die andere Hälfte der Krankenhäuser unternimmt spezifische Maßnahmen zur Integration ihrer heterogenen Systeme.

Auch die Verfügbarkeit von WLAN ist mit knapp vier Fünftel der Häuser recht gut etabliert. Flächendeckend in allen Einheiten wird WLAN allerdings bislang nur in einem Fünftel installiert. Mit der Verbreitung von WLAN geht die Nutzung von mobilen Endgeräten am Point of Care einher. Bereits drei Viertel der Krankenhäuser setzen Notebooks ein, gefolgt von einer Vielzahl anderer mobiler Geräte, wie z. B. Tablet-PCs mit Tastatur (13,5 %), Tablet-PCs mit reiner Touchfunktion (11,9 %) oder Smartphones (12,3 %). „Dies bedeutet nicht, dass überall alle klinischen Einheiten durchgängig diese Technologien nutzen", erklärt Prof. Hübner, „aber das Notebook hat definitiv den Durchbruch geschafft."

Wie steht es um die elektronische Patientenakte?

Eine weitere Unterstützung der klinischen Prozesse im Sinne einer ­Datenintegration kann über die elektronische Patientenakte (EPA) erfolgen. Ihre Verbreitung hat in den letzten sieben Jahren sichtbar zu­genommen. „Dass mittlerweile ein Drittel der Krankenhäuser eine vollständige EPA in allen Abteilungen zum Einsatz bringt, mag ­erstaunen", sagt Prof. Hübner, ist aber die ­logische Konsequenz einer technischen Integration. „Dabei", fährt Prof. Hübner fort, „ist der EPA-Begriff schillernd - trotz einer mitgelieferten Definition bei der Befragung. Denn EPAs können reine Datencontainer sein oder sie können nach der Haas'schen Definition auch eine umfassende Funktionsunterstützung liefern und damit prozessorientiert sein."

Informationsdrehscheibe: Leistungsanforderung und Befundrückmeldung

Das Rückgrat der Prozessunterstützung bilden Systeme für die Leistungsanforderung und Befundrückmeldung. Dass fast 80 % der teilnehmenden Krankenhäuser eine vollständig umgesetzte Stationskommunikation mit dem Labor haben, d. h. Untersuchungen anfordern können und Befunde zurückgeliefert bekommen, ist ein Beweis für eine sehr gute IT-Durchdringung dieses Prozesses.

Für die Kommunikation mit anderen Funktionsabteilungen sind die Angaben geringer, jedoch schwanken sie mit Ausnahme der „sonstigen Konsile" um die 50 % oder liegen sogar um einiges höher als 50 %. Diese Resultate sind relativ stabil im Vergleich zur Befragung im Jahr 2011.

Höhe der Datenverfügbarkeit in zentralen klinischen Prozessen

Die Frage zur Höhe der Datenverfügbarkeit beantwortet der IT-Report exemplarisch an der Visite, der OP-Vor- und Nachbereitung und der Entlassung. Durch die hohe Verfügbarkeit von entsprechenden elektronischen Systemen sind Leistungsanforderungen und Befunde auch in sehr vielen Häusern vor der Visite von PC abrufbar (ca. zwischen 73 % und 91 %). Wenn mobile Endgeräte im Einsatz sind, können zwischen 51 % und 64 % der Häuser dann auch von einem mobilen Gerät mit den Funktionsabteilungen kommunizieren.

Auch in den anderen untersuchten Prozessen, nämlich in der OP-Vor- und Nachbereitung und in der Entlassung, weisen jeweils Leistungsanforderungen und Befunde die höchste Datenverfügbarkeit auf. Übertroffen werden sie nur allein durch die Patientenstammdaten. Die geringste Durchdringungsrate hat gleichermaßen für alle untersuchten Prozesse die sog. elektronische Kurve einschließlich der Vitalparameter und der Medikation, nämlich nur zwischen ca. 17 % und 26 %.

Gibt es einen reibungslosen ­Daten- und Informationsfluss?

OP-Vor- und Nachbereitung und Entlassung stehen für klinische Prozesse, in denen es grundsätzlich Sollbruchstellen geben kann. Die IT-Leiter wurden daher gefragt, wie viele und wie die Daten aus dem OP auf die Intensiv- und auf die Normalstation gelangen. Dabei gaben ca. 41 % der Krankenhäuser an, dass alle Daten aus dem OP in elektronischer und strukturierter Form auf der Normalstation (35 % auf der Intensivstation) verfügbar sind. Zählt man die Daten hinzu die teilweise elektronisch bereitstehen, kommt man auf exakt zwei Drittel für die Normalstation und knapp zwei Drittel für die Intensivstation.

Ganz anders sieht die Informationsweiterleitung bei Patienten-Entlassung aus. Die Arztbriefschreibung ist zwar in über drei Viertel der Häuser flächendeckend durch ein elektronisches System unterstützt, und Patientenstammdaten und Befunde stehen in 90 % aller Häuser mit elektronischer Arztbriefschreibung zur Verfügung, die elektronische Kommunikation mit dem ambulanten Bereich ist jedoch weiterhin schwach ausgeprägt: Ca. 15 % stellen den Arztbrief über ein Portal zur Verfügung, ca. 3 % versenden ihn über E-Mail. Der weitaus größte Teil stellt hierfür kein elektronisches System zur Verfügung.

Wie steht es nun um die IT-Reife?

„Betrachtet man erstens die KIS-Architektur, gibt es noch einiges zu tun", antwortet Prof. Hübner, „denn von den Häusern, die heterogene Systeme einsetzen, realisieren zwei Drittel eine Integration über Individualschnittstellen. Das kann nicht die Lösung sein.

Zweitens: Viele Häuser haben ihre Priorität auf die EPA gelegt, wie wir beobachtet haben. Dies trägt nun Früchte.

Drittens: Die Visite wird mobil und eine Informationsunterstützung am Point of Care wird darüber erleichtert.

Viertens: Innerhalb des Hauses beginnt der Informationsfluss zu funktionieren.

Fünftens: Die große Baustelle der Prozessunterstützung bildet die Kommunikation nach draußen.

Die IT ist in einer messbaren Reihe von Häusern reif genug, um Prozesse zu unterstützen", zieht Prof. Hübner das Fazit, „aber es gilt, besser geht immer."

 

Infobox IT-Report Gesundheitswesen

Seit 2002 befragt die Forschungsgruppe Informatik im Gesundheitswesen der Hochschule Osnabrück unter der Leitung von Prof. Ursula Hübner regelmäßig alle Krankenhäuser in Deutschland nach dem Stand der eingesetzten IT-Systeme und deren Funktionen. Insgesamt wurden neun Befragungen mit jeweils unterschiedlichen Schwerpunktthemen, z. B. Integrierte Versorgung, davon zwei auch in Österreich und eine in den Niederlanden durchgeführt.

Eine wiederkehrende zentrale Frage ist die nach dem Implementierungsstatus der elektronischen Patientenakte. Die Befragungen des IT-Reports Gesundheitswesen werden durch öffentliche Drittmittel finanziert. Die resultierenden Statistiken und Analysen stehen daher frei verfügbar im Netz (www.it-report-gesundheitswesen.info). Die Forschungsgruppe Informatik im Gesundheitswesen nimmt als deutsche Vertretung an dem Modellvorhaben der OECD teil, über Ländergrenzen hinweg vergleichbare eHealth-Indikatoren zu definieren und zu erheben.

 

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