Medizin & Technik

Skelettdiagnostik: Ist das Röntgenbild noch indiziert?

18.06.2012 -

Gelenk- und Wirbelsäulenerkrankungen gehören zu den häufigsten Indikationen für eine bildgebende Diagnostik. Der ungebrochene Trend zum Röntgenbild ist dabei u. a. einer Information des Bundesamtes für Strahlenschutz (BfS) zu entnehmen, nach der 2009 bei jedem Bürger durchschnittlich 1,64 Röntgenuntersuchungen angefertigt wurden.

Zugleich werden die Computertomografie (CT) und Magnetresonanztomografie (MRT) zunehmend eingesetzt. So stiegen zwischen 2004 und 2009 die CT- und MRT-Untersuchungen jährlich um ca. 3,7 % bzw. ca. 6,6 % (Barmer GEK Arztreport), und vor allem bei der MRT betrifft ein erheblicher Anteil die Gelenk- und Wirbelsäulenerkrankungen. Ergänzt wird das Methodenspektrum durch die Skelettszintigrafie und PET-CT.

Das konventionelle Röntgenbild

Die bildgebenden Verfahren haben bestimmte Vor- und Nachteile, die vom Radiologen und/oder Nuklearmediziner im Rahmen der Indikationsprüfung bei Gelenk- und Wirbelsäulenerkrankungen berücksichtigt werden müssen. Das konventionelle Röntgenbild, fast immer in zwei Ebenen und digital angefertigt, ermöglicht die rasche Beurteilung des Skelettsystems mit hoher Detailauflösung. Die typische Strahlendosis von Skelettröntgenaufnahmen mit Direktradiographiegeräten ist mit 0,07-1,3 mSv im Vergleich zur natürlichen Strahlenexposition in Deutschland (durchschnittlich 2,1 mSv/Jahr) niedrig (Berichte der SSK, Heft 51, 2006, H. Hoffmann GmbH, Fachverlag, Berlin). Damit ist die Anfertigung von Röntgenaufnahmen insbesondere bei Gelenkerkrankungen (zum Beispiel Arthrose, Arthritis, Fraktur) eine sinnvolle und kosteneffiziente Maßnahme. Weniger hilfreich sind Röntgenaufnahmen zur Beurteilung der Wirbelsäule, da die komplexe Anatomie nicht überlagerungsfrei abgebildet werden kann, was mit den Schnittbildverfahren CT und MRT problemlos gelingt. Dennoch sind z.B. der Verdacht auf (V.a.) degenerative- (Spondylosis deformans, Osteochondrose, Spondylarthrose) oder osteoporotische Wirbelsäulenerkrankungen (Fisch-/Keilwirbel, Wirbelfrakturen) etablierte Indikationen der konventio­nellen Röntgenaufnahme.

Die moderne Mehrzeilenspiral-CT

Die moderne Mehrzeilenspiral-CT ist ein röntgenologisches Schnittbildverfahren, das in ca. 10-20 Sek. eine überlagerungsfreie Darstellung der Anatomie und Pathologie ermöglicht. Multiplanare Rekonstruktionen und Volumendatensätze liefern übersichtliche Bilder des Knochens. Auch die Beurteilung der Weichteile ist viel besser als auf einer konventionellen Röntgenaufnahme, erreicht jedoch nicht die Qualität der MRT. Die hervorragenden diagnostischen Möglichkeiten der CT müssen im Rahmen der Indikationsprüfung gegenüber der Strahlendosis abgewogen werden, die z. B. für eine Thorax-CT mit ca. 10 mSv zu veranschlagen ist (Berichte der SSK, Heft 51, 2006, H. Hoffmann GmbH - Fachverlag, Berlin). Moderne CT-Geräte verfügen über Softwareprogramme zur Modulation des Röhrenstroms, sodass die Strahlenexposition z. T. deutlich reduziert werden kann.

Bei Gelenkerkrankungen ist die CT mit Ausnahme von röntgenologisch nicht ausreichend beurteilbaren Frakturen und dem V. a. freie Gelenkkörper relativ selten indiziert. Im Gegensatz dazu sind traumatische und tumorbedingte (z. B. Knochenmetastasen) Wirbelsäulenerkrankungen etablierte CT-Indikationen. So gehört für Traumazentren das Polytrauma-CT vom Schädel bis zum mittleren Oberschenkel unmittelbar nach Einlieferung eines schwerverletzten Patienten zu den geforderten Zertifizierungsvoraussetzungen.

Der CT ist eine wichtige ­Methode zur präoperativen Planung und postoperativen Materialkontrolle. Bei Wirbelkörpermetastasen ermöglicht die CT die Abschätzung des Frakturrisikos und der Ausdehnung von Weichteiltumoranteilen in den Spinalkanal (Spinalkanaleinengung mit drohender Querschnittslähmung), wobei dieses Befunddetail sich noch besser mit der MRT diagnostizieren lässt. Auch kleine Knochenmetastasen sind u. U. nur MR-tomografisch oder mit der Skelettszintigraphie nachweisbar.

Die Magnetresonanztomografie

Die MRT, meist mit Feldstärken von 1,5 bis 3,0 Tesla (T) durchgeführt, basiert im Gegensatz zur Röntgenaufnahme und CT nicht auf ionisierender Strahlung. Die Grundlage für den Bildkontrast stellen Unterschiede in der Protonendichte und den sog. Relaxationszeiten der Gewebe dar. Ein Vorteil der MRT ist der hohe Weichteilkontrast, der in der Diagnostik von Gelenk- und Wirbelsäulenerkrankungen besser als alle anderen Verfahren eine Beurteilung des Knorpels, der Menisken, der Sehnen und Bänder, der Bandscheiben, des Rückenmarks, der Synovia und der Muskulatur ermöglicht. Aber auch der Knochen ist MR-tomografisch gut darstellbar, und erst seit Einführung der MRT ist das Knochenmarködem als Hinweis auf Mikrofrakturen oder Entzündungen überhaupt der Bildgebung zugänglich. verfügbar. Die Methode ist kostenintensiver und deutlich zeitaufwendiger als die CT und trotz der mittlerweile hohen Gerätedichte in Deutschland weniger verfügbar.

Die MRT ist das Verfahren der Wahl zur Diagnostik von Weichteilverletzungen im Rahmen von Gelenktraumata (z. B. Kreuzbandruptur, Meniskusriss, Knorpelschaden), wobei begleitende Frakturen ebenfalls erkennbar sind. Der V. a. eine diskoligamentäre Verletzung an der Wirbelsäule (zumeist HWS) ist eine weitere Indikation für die MRT. Bei rheu­matischen Erkrankungen der Gelenke (z. B. rheumatoide Arthritis) und der Wirbelsäule (z. B. ankylosierende Spondylitis) sind die Synovialproliferation und die Knochenentzündung besser als mit anderen Methoden nachweisbar. Entzündungen wie die Spondylodiszitis (unter Umständen mit paravertebralem Abszess) und die Sakroiliitis sind ebenfalls eine Domäne der MRT. Die Arthrose und Spondylose sind röntgenologisch gut zu diagnostizieren, aber nur die MRT ermöglicht den direkten Nachweis der Knorpel- bzw. Bandscheibendegeneration. Besser als mit der CT können Bandscheibenvor­fälle diagnostiziert werden, die an der Halswirbelsäule unter Umständen mit Rückenmarksveränderungen (Myelopathie) einhergehen und nur MR-tomografisch zu sehen sind. Auch im Nachweis von Knochenmetastasen - mit oder ohne Weichteiltumoranteil - ist die MRT teilweise das sensitivere Verfahren, sodass gerade in der pädiatrischen Onkologie zunehmend die Ganzkörper-MRT zum Tumorstaging und in der Tumornachsorge eingesetzt wird.

Die Skelettszintigrafie: sehr sensitiv aber mit geringer Auflösung

Bei der Skelettszintigrafie wird ein radioaktiv markiertes Medikament (z. B. 99 m Technetium-MDP) intravenös appliziert. Nach zwei bis drei Stunden werden auf einer Gammakamera Aufnahmen gemacht, die die Verteilung des Tracers im Skelett zeigen (Strahlendosis ca. 5 mSv). Die Methode ist sehr sensitiv, d. h., Veränderungen des Knochenstoffwechsels durch Arthrose, Arthritis, Metastasierung und Trauma sind oft früher als mit anderen Verfahren sichtbar. Nachteilig sind die eingeschränkte Differenzierung zwischen den verschiedenen Erkrankungen und die geringe anatomische Auflösung. Eine Weiterentwicklung mit noch höherer Sensitivität und besserer anatomischer Auflösung, besonders zusammen mit der CT, ist die 18F-Natriumfluorid-PET. Beide Verfahren sind vor allem in der onkologischen Ganzkörperdiagnostik einsetzbar.

Fazit

Das konventionelle Röntgenbild ist im modernen Schnittbildverfahren Basis bei vielen Gelenk- und Wirbelsäulenerkrankungen. Die Mehrzeilenspiral-CT ist „zentrales" bildgebende Verfahren, mit dem sich knöcherne Wirbelsäulenverletzungen und -metastasen dia­gnostizieren lassen. werden kann.

Die MRT ist sowohl für Gelenk- als auch Wirbelsäulenerkrankungen sehr gut geeignet. Die Skelettszintigrafie hat mit der Weiterentwicklung von CT und MRT und durch den zunehmenden Einsatz der PET-CT an Bedeutung verloren. werden kann.

Für Kliniken und Praxen mit hohem Anteil an Gelenk- und Wirbelsäulendia­gnostik sind daher die Direktradiografie, Mehrzeilenspiral-CT und MRT (bevorzugt mit 3,0 T) unabdingbare Voraussetzung. Bei onkologischem Schwerpunkt empfiehlt sich zusätzlich die Beschaffung eines PET-CT, obwohl die Kostenerstattung in Deutschland außerordentlich restriktiv gehandhabt wird. Wesentlich für die Behandlung der Patienten ist neben der modernen Geräteausstattung aber vor allem die Expertise der radiologisch-/nuklearmedizinischen Ärzte, die gemeinsam mit den Kollegen der zuweisenden Fachabteilungen das bildgebende Prozedere festlegen, um rasch zur richtigen Diagnose zu kommen.

 

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