Aus den Kliniken

Antikörper zur Behandlung chronischer Hepatitis B und D

08.08.2023 - Die chronische Hepatitis B, von der Hunderte von Millionen Menschen betroffen sind, ist ein weltweit verbreitetes Gesundheitsproblem, für das es bisher keine Heilung gibt.

In einer präklinischen Studie, an der das Deutsche Zentrum für Infektionsforschung (DZIF), das Universitätsklinikum Heidelberg, das Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf und das US-amerikanische Unternehmen Vir Biotechnology beteiligt waren, wurde das Potenzial eines gentechnisch hergestellten monoklonalen Antikörpers für die Behandlung von chronischer Hepatitis B und Hepatitis D nachgewiesen. Auf der Grundlage dieser Ergebnisse werden derzeit klinische Studien mit dem monoklonalen Antikörper VIR-3434 durchgeführt.

Die chronische Infektion mit dem Hepatitis-B-Virus (HBV) kann zu Lebererkrankungen und Krebs führen und stellt für etwa 300 Millionen Menschen weltweit eine ernsthafte Bedrohung. Etwa vier Prozent der Betroffenen sind chronisch mit dem Hepatitis-Delta-Virus (HDV) koinfiziert, was die Schwere der Erkrankung noch verstärkt. Die derzeitigen Behandlungen bieten nur begrenzte Heilungsraten und erfordern eine Therapie auf unbestimmte Dauer.

Ein Team um DZIF-Wissenschaftler*innen aus Heidelberg und Hamburg-Eppendorf unterstützte die präklinische Entwicklung von VIR-3434, einem von Vir Biotechnology, Inc., entdeckten monoklonalen Antikörper (mAb), der sich spezifisch gegen das Hepatitis-B-Oberflächenantigen (HBsAg) in der Virushülle richtet. Diese präklinische Studie zeigt, wie der gentechnisch hergestellte monoklonale Antikörper in einem Mausmodell für HBV/HDV-Koinfektion die virale Ausbreitung wirksam verhindert und die Mengen an Viruspartikeln und Antigen reduziert. Die umfassende präklinische Studie wurde vor Kurzem im Journal of Hepatology veröffentlicht.

Ein gezielter Ansatz

Die Forschenden untersuchten mehrere monoklonale Antikörper, die aus B-Gedächtniszellen von Personen, die gegen HBV geimpft waren, isoliert wurden. Diese Antikörper binden spezifisch an ein Konformationsepitop (ein Epitop, bei dem für die Bindung wichtige Aminosäurereste durch die Proteinfaltung zusammengebracht werden) innerhalb der antigenischen Schleife des kleinen Hepatitis-B-Oberflächenantigens. Aus einer Serie von mehr als 30 generierten Antikörpern, die mit dem modernsten verfügbaren – am Universitätsklinikum Heidelberg etablierten – in-vitro-Infektionssystem getestet wurden, zeigte ein mAb namens HBC34 eine starke Neutralisierungsaktivität gegen HBV und HDV. Letzteres ist ein Satellitenvirus, das HBV-Oberflächenproteine nutzt, um menschliche Hepatozyten zu infizieren. Die Aktivität ist nachweislich pan-genotypisch und belegt, dass HBC34 alle bekannten Genotypen von HBV und HDV neutralisieren kann. Modifikationen in der Struktur des HBC34-mAbs zur Verbesserung der Wirksamkeit machten VIR-3434 zu einem vielversprechenden mAb-Kandidaten für die klinische Entwicklung.

„Neben der starken Neutralisierungsaktivität von VIR-3434 haben wir den Fc-Teil des mAb –der Endbereich des Antikörpermoleküls, der für die Immunreaktion entscheidend ist – so verändert, dass er stärker an bestimmte Immunzellen bindet“, erklärt der Ko-Erstautor und korrespondierende Autor der Studie, Dr. Florian Lempp, Direktor der Virologie bei Vir. „VIR-3434 hat das Potenzial, sowohl virale als auch subvirale Partikel schnell aus dem Blutkreislauf zu entfernen“.

Die Forscher testeten dann die Neutralisierungsfähigkeit von VIR-3434 in einem chimären Mausmodell, das am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) vom Team um Prof. Maura Dandri, DZIF-Wissenschaftlerin für virale Hepatitis am UKE und Koautorin der Publikation, entwickelt wurde. Die Lebern dieser Mäuse sind mit primären menschlichen Hepatozyten – beim Menschen der einzige Zelltyp, der von HBV und HDV infiziert wird – besiedelt. Die in-vivo-Studien waren essentiell, um zu zeigen, dass der in vitro ausgewählte mAb VIR-3434 die Virusausbreitung in der Leber sowohl von HBV-infizierten als auch von HBV/HDV-koinfizierten Mäusen blockieren kann.

„Wir haben herausgefunden, dass VIR-3434 nicht nur HBV- und HDV-Infektionen mit hoher Wirksamkeit in vivo neutralisiert, sondern auch die Virämie – die Anzahl der Viren im Blut – und die Menge der zirkulierenden viralen Antigene in chronisch infizierten Tieren wirksam reduziert“, erklärt der Co-Erstautor der Studie, Dr. Tassilo Volz.

„VIR-3434 könnte eine potenzielle neue Option für die Behandlung von Patientinnen und Patienten mit chronischer Hepatitis B und D darstellen und bei der Prävention dieser Krankheiten helfen. Die starken Neutralisierungseigenschaften des Antikörpers und die vielversprechenden Ergebnisse in unserem präklinischen Infektionsmodell können Betroffenen weltweit Hoffnung geben“, fügt Prof. Dandri hinzu.

Erprobung von VIR-3434 in der Klinik

Auf der Grundlage der Ergebnisse laufen bereits klinische Studien, um die Sicherheit und Wirksamkeit von VIR-3434 am Menschen zu prüfen. Die Forscher hoffen, dass VIR-3434, das auch in Kombination mit anderen getesteten Wirkstoffen untersucht wird, eine dringend benötigte Therapie zur Bekämpfung der chronischen Hepatitis B und D und der verheerenden Folgen einer chronischen Infektion mit diesen Viren bieten könnte.

„Die erfolgreiche Isolierung und Charakterisierung von VIR-3434 könnte einen bedeutenden Wendepunkt in der Behandlung von Hepatitis B und D markieren. Wenn es in klinischen Studien weiter validiert wird, könnte dieser mAb eine wichtige therapeutische Option für Patienten mit chronischer Hepatitis B und D darstellen“, betont Koautor und DZIF-Wissenschaftler Prof. Stephan Urban vom Universitätsklinikum Heidelberg.

Die beschriebene Forschung zu VIR-3434, die die Xencor Xtend™-Technologie (eine innovative Plattform, die die Verlängerung der Halbwertszeit von Antikörpern ermöglicht) beinhaltet, ist das Ergebnis einer erfolgreichen Zusammenarbeit von Wissenschaftler:innen innerhalb des Deutschen Zentrums für Infektionsforschung (DZIF) und mit dem Industriepartner Vir. Das Projekt fügt sich in das DZIF-Brückenthema "Antikörper-basierte Therapien" ein, das darauf abzielt, Experten aus den verschiedenen Forschungsbereichen des DZIF zu vernetzen, um die Entwicklung, Produktion und klinische Testung von therapeutischen monoklonalen Antikörpern voranzutreiben.

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