IT & Kommunikation

Forschende wollen filigrane Hirnstrukturen mittels Künstlicher Intelligenz erfassen

18.04.2024 - Ein Forschungsteam des DZNE erhält rund eine Million US-Dollar für die Entwicklung eines innovativen, KI-gestützten Verfahrens, mit dem sich – ausgehend von Scans des menschlichen Gehirns – die „Plexus choroidei“ dreidimensional vermessen lassen.

Diese fein verästelten Hirnstrukturen sind die Hauptquellen des „Nervenwassers“ und daher für die Funktion von Gehirn und Rückenmark von großer Bedeutung. Es wird zudem angenommen, dass sie bei verschiedenen neurologischen Erkrankungen, einschließlich Alzheimer, eine Rolle spielen. Das Forschungsvorhaben wird von den US-amerikanischen National Institutes of Health (NIH) gefördert.

Der Liquor, auch „Nervenwasser“ genannt, ist eine wässrige Flüssigkeit, die im Gehirn und Rückenmark zirkuliert. Sie enthält Nährstoffe und Stoffwechselprodukte, federt Stöße ab und entstammt größtenteils Hohlräumen, die tief im Inneren des Gehirns liegen. Die eigentlichen „Quellen“ sind komplex geformte Ausstülpungen des Hirngewebes, die in diese Hohlräume und den darin enthaltenen Liquor hineinragen. „Plexus choroidei“ lautet der Fachbegriff für die länglichen, stark verzweigten Strukturen, die das Nervenwasser produzieren. Jeder Mensch hat vier davon, teils sind sie miteinander verbunden. Zugleich sind diese Strukturen relativ klein, bei Erwachsenen haben sie ein Gesamtvolumen ähnlich dem eines Würfelzuckers. „Beim lebenden Menschen sind derlei filigrane Hirnstrukturen schwer zu erfassen. Deshalb möchten wir eine KI-gestützte Methode entwickeln, die die Plexus choroidei in Hirnscans automatisch erkennt, so dass sich Form und Abmessungen präzise bestimmen lassen“, erläutert Prof. Martin Reuter, Experte für KI in der Bildanalyse und Forschungsgruppenleiter am DZNE. „Eine automatische und präzise Messung solcher Gehirnstrukturen wird dazu beitragen, Krankheitsprozesse und auch normale Veränderungen des Gehirns im Laufe des Lebens besser zu verstehen.“

Digitale „Zerlegung“ des Gehirns

Für dieses Vorhaben werden der Bonner Wissenschaftler und sein Team auf dreidimensionale Gehirndaten zurückgreifen, die unter anderem aus dem „Human Connectome Project“ der NIH stammen und mittels Magnetresonanztomographie (MRT) erstellt wurden. Einfließen werden Daten von rund 700 Personen. Für die beabsichtigte Unterteilung der Hirnbilder in Areale – Fachleute sprechen von „Segmentierung“ – gibt es zwar prinzipiell Computer-Algorithmen, doch sie sind für die Plexus choroide zu ungenau. „Für diese komplizierten Hirnstrukturen benötigt man ein darauf spezialisiertes, vollautomatisches Tool. Das gibt es bisher nicht in guter Qualität. Und eine Segmentierung per Hand, bei der man die Konturen des relevanten Gewebes per Mausklick auf dem Bildschirm markiert, ist mühsam und fehleranfällig“, sagt Reuter. „Deswegen möchten wir ein Verfahren entwickeln, mit dem sich große Datensätze mit MRT-Aufnahmen des Gehirns effizient und zuverlässig auswerten lassen. So wie es für Untersuchungen mit großer Teilnehmerzahl erforderlich ist. Das können zum Beispiel Medikamentenstudien sein oder auch Studien zu Alterungsprozessen, wie zum Beispiel die Rheinland Studie des DZNE hier in Bonn.“

Fünfjährige Laufzeit

Das DZNE wird in diesem Projekt eng mit amerikanischen Institutionen kooperieren, insbesondere mit dem „Beth Israel Deaconess Medical Center“ in Boston, das der Harvard Medical School angehört. Am Ende soll eine auf künstlicher Intelligenz basierende Software zur Verfügung stehen, die durch Beispiele – Trainingsdaten – „gelernt“ hat, in MRT-Bildern die „Quellen des Nervenwassers“ zu erkennen. Die Entwicklung der dafür notwendigen Algorithmen und deren „Anlernen“ und Validierung sind arbeitsintensiv. Schon die Auswahl und Erstellung geeigneter Trainingsdaten im Vorfeld sind aufwändig. Für das Forschungsvorhaben sind daher fünf Jahre vorgesehen. Reuter erhofft sich ein digitales Werkzeug, das in der Forschung breite Anwendung findet: „Wir werden unser Tool so konzipieren, dass es mit Daten unterschiedlicher Auflösung und von verschiedenen Hirnscanner-Typen funktioniert. Außerdem wollen wir die Software im Rahmen unseres FastSurfer-Projekts frei verfügbar machen. FastSurfer ist eine Open-Source-Initiative des DZNE, die sich mit der MRT-Analyse des Gehirns befasst.“

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