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Komplettpaket für die minimalinvasive Tumortherapie

23.12.2022 - Lizenzvertrag und gemeinsame Entwicklung: Fraunhofer MEVIS startet Kooperation mit israelischem Partner für den weltweiten Einsatz von innovativer Software-Technologie in der Ultraschall-gestützten Tumorablation.

Die bildgestützte Thermoablation ist eine patientenschonende, minimalinvasive und kostengünstige Methode zur Behandlung von Tumoren. Dabei wird, überwacht durch eine CT- oder Ultraschall-Bildgebung, eine spezielle Nadel in den Körper eingeführt, um ein Geschwür durch Hitzeeinwirkung zu zerstören. Bislang jedoch kann das behandelnde Personal dabei nur schätzen, inwieweit der Eingriff tatsächlich alle Tumorzellen zerstört. Deshalb kommt es bei der Thermoablation öfter als bei anderen Therapieverfahren zu Tumorrezidiven – das Geschwür kann wieder aufflammen. Dies bildet ein echtes Hindernis für die breite Akzeptanz dieser Behandlung.

Dieses Manko will die nun auf den Weg gebrachte Forschungskooperation zwischen dem in Israel ansässigen Medizintechnikunternehmen TechsoMed Ltd. und dem Fraunhofer-Institut für Digitale Medizin MEVIS in Bremen beheben. Ziel ist ein anwendungsfreundliches Komplettsystem, das eine gezieltere und damit wirksamere Thermoablation ermöglicht. Konkret lizenziert Fraunhofer MEVIS seine in jahrelanger Vorarbeit entwickelte SAFIR-Technologie (Software Assistant for Interventional Radiology) exklusiv für die thermische Ablation unter Ultraschallkontrolle an TechsoMed Ltd. in Israel. Das neu in Bremen gegründete Tochterunternehmen TechsoMed GmbH fungiert dabei als Forschungs- und Entwicklungszentrum. „Damit gehen wir eine intensive und langfristige Partnerschaft ein“, sagt MEVIS-Institutsleiter Horst Hahn. „Wir haben die gemeinsame Vision, die minimalinvasive Tumorablation als Primärtherapie-Option zu etablieren.“

TechsoMed Ltd. hat bereits die Bildgebungssoftware „BioTrace“ entwickelt. Sie basiert auf Algorithmen und KI und kann auf der Basis von Echtzeit-Ultraschallbildern die Lebensfähigkeit von Gewebe visualisieren. In Zusammenarbeit mit dem Fraunhofer MEVIS wird die Technik im neuen deutschen Forschungs- und Entwicklungscenter nun zum Komplettsystem „BioTrace IO 360“ weiterentwickelt werden. „Auf diese Weise soll die ursprüngliche BioTrace-Technologie mit einer präzisen Eingriffsplanung und einer Bewertung des Therapieerfolgs verknüpft werden, um dadurch die Genauigkeit der Behandlung zu erhöhen und die Zerstörung des Tumors zu maximieren“, erläutert Tobias Preusser, Geschäftsführer der TechsoMed GmbH, Stellvertretender Institutsleiter Fraunhofer MEVIS und Professor für Mathematische Modellierung medizinischer Prozesse an der Jacobs University in Bremen. „Das könnte die Thermoablation zu einer tragenden Säule der Krebsmedizin und zu einer Alternative zur teuren und risikoreichen Chirurgie machen.“

Die Thermoablation wird zur Behandlung unterschiedlicher Krebsarten verwendet und ist eine sehr schonende und nebenwirkungsarme Therapie. In der Regel genügt eine lokale Betäubung, die eigentliche Behandlung dauert nur wenige Minuten, und zurück bleibt nur eine kleine Einstichstelle. Um die Nadel präzise zu positionieren, wird der Eingriff per Ultraschall überwacht. Sitzt die Nadel an der richtigen Stelle, aktiviert das Personal die Energiequelle an ihrer Spitze, etwa einen Laser, Radiofrequenzstrom oder einen Mikrowellensender. Sie erwärmt das umliegende Gewebe solange, bis es durch die Hitzeeinwirkung abstirbt. „Eine der Herausforderungen besteht darin, das Tumorgewebe so stark und so lange zu erhitzen, dass auch wirklich alle Krebszellen vernichtet werden“, erläutert Preusser. „Zugleich ist es wichtig, das umliegende gesunde Gewebe weitgehend zu schonen.“

Das Problem: Ein Teil der Tumorzellen stirbt erst im Laufe der nachfolgenden 24 Stunden ab. Deshalb lässt sich während des Eingriffs das genaue Ausmaß der Schädigung bisher nicht zuverlässig bestimmen. Stattdessen sind die Fachleute darauf angewiesen, das Resultat erfahrungsbasiert abzuschätzen. Nicht zuletzt dieser Umstand steht einem breiteren Einsatz der Thermoablation bislang im Weg. Die BioTrace-Technologie von TechsoMed Ltd. verspricht eine deutlich präzisere Bestimmung des Behandlungserfolgs: Ausgehend von den Ultraschallbildern, die während des Eingriffs aufgenommen werden, erfasst ein Algorithmus die Schädigung der Tumorzellen und errechnet, wie sie sich in den nächsten 24 Stunden entwickeln wird. Das Resultat wird bereits während der Therapie anschaulich auf dem Monitor dargestellt und liefert den behandelnden Radiologen die maßgebliche Information, wie lange und wie stark sie den Tumor mit Hitze traktieren müssen, um einen optimalen Behandlungserfolg zu erzielen.

Mit der Lizenzierung von SAFIR wird die Technologie nun entscheidend erweitert. „Es handelt sich um ein End-to-End-Produkt, das alle Behandlungsschritte erstmals in einem einzigen Gerät zusammenfasst“, betont Tobias Preusser. „Das erleichtert die Arbeit des Personals sehr.“ Die Ablation bietet eine Chance, das betroffene Gewebe sehr lokal zu behandeln. „Mit Hilfe von SAFIR lässt sich, ausgehend von Bildaufnahmen, ein digitales Modell für jede Patientin und jeden Patienten erstellen“, beschreibt Preusser. „Dabei erkennen KI-Algorithmen automatisch die Organe und den Tumor.“ Anhand dieses Modells kann das Personal den Eingriff planen und per Software simulieren, welcher Teil des Gewebes bei der Ablation zerstört wird. Auf der Grundlage dieser Planung erfolgt anschließend der Eingriff, bei dem der BioTrace-Algorithmus von TechsoMed Ltd. in Echtzeit präzise vorhersagt, ob tatsächlich alle Tumorzellen zerstört werden. Der letzte Schritt ist die Bewertung der Therapie. Hier stellt ein SAFIR-Algorithmus anhand von Bilddaten fest, wie hoch das Risiko eines Rezidivs ist. „Durch dieses End-to-End-Produkt wird die Thermoablation wirksamer und sicherer, und es steigt die Wahrscheinlichkeit, dass der Tumor vollständig zerstört wird – ein möglicher Game Changer für Medizinerinnen und Mediziner“, sagt Horst Hahn. Das bedeutet: Nicht wenige der Erkrankten, die bislang eine Operation oder eine Chemotherapie über sich ergehen lassen müssen, könnten künftig schonender per bildgestützter Thermoablation behandelt werden.

„Wir freuen uns, dass das Team von TechsoMed durch das neue F&E-Zentrum weiterhin mit uns zusammenarbeitet,“ betont Hahn. „Die Partner ergänzen sich ideal durch ihre langjährigen Erfahrungen auf ihren jeweiligen Gebieten“, kommentiert Yossi Abu, Geschäftsführer von TechsoMed Ltd. „Das gemeinsam auf den Weg gebrachte Tochterunternehmen mit SAFIR im Zentrum dient als Inkubator für neue Lösungen, zunächst in der Tumortherapie und später in anderen Anwendungsfeldern.“ So sei in der Onkologie ein breiter Einsatz des Systems bei Weichteiltumoren wie Leber-, Nieren-, Schilddrüsen-, Prostata- und sogar Brustkrebs zu erwarten. „Weitere Anwendungen sehen wir in der Behandlung von Herzrhythmusstörungen oder chronischen Schmerzen“, fährt er fort. „Das System dürfte auch für den Einsatz in Schwellen- und Entwicklungsländern interessant sein, in denen Krebsoperationen oder Chemotherapien oft nicht verfügbar oder zu kostspielig für die dortigen Gesundheitssysteme sind.“

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