Aus den Kliniken

Mit Virtual Reality für den echten Notfall rüsten

08.10.2024 - Mit VR-Simulationen wurde die Notfallkompetenz von Assistenzärzten im diagnostischen als auch im therapeutischen Bereich getestet.

Ein Team der Lehrklinik des Universitätsklinikums Würzburg zeigt in seiner aktuellen Studie im International Journal of Emergency Medicine, dass Virtual Reality (VR)-basierte Simulationen ein vielversprechendes Instrument sind, um die notfallmedizinischen Kompetenzen von Assistenzärzten sowohl im diagnostischen als auch im therapeutischen Bereich zu überprüfen.

Eine lebensbedrohliche Magenblutung, ein Herzinfarkt mit schweren Herzrhythmusstörungen und eine akute Verschlechterung einer chronischen Lungenerkrankung. Mit einem dieser drei Notfallszenarien mussten sich 21 Assistenzärzte des Universitätsklinikums Würzburg auseinandersetzen - allerdings in der virtuellen Realität der Lehrklinik. Dort wurde im Rahmen einer Pilotstudie das Potenzial von VR-Simulationen zur Vorbereitung des medizinischen Nachwuchses auf komplexe notfallmedizinische Situationen untersucht.

„Der Umgang mit Notfallsituationen, die schnelle klinische Entscheidungen erfordern, stellt im Klinikalltag eine besondere Herausforderung dar“, weiß Dr. Tobias Mühling, Leiter der Lehrklinik und gemeinsam mit Prof. Dr. Sarah König Letztautor der im International Journal of Emergency Medicine veröffentlichten Studie. Mehrere Studien zeigten bereits, dass der medizinische Nachwuchs bei der Arbeit mit Simulationspersonen und in Notfallsituationen meist schlechter abschnitt als bei Routineaufgaben. Nach Ansicht der Autoren liefert ihre neueste Pilotstudie wertvolle Einblicke in die Stärken und Schwächen des medizinischen Nachwuchses zu Beginn ihrer beruflichen Laufbahn und zeigt mögliche Verbesserungen, was im vorausgehenden Studium optimiert werden kann.

Viele erforderliche Maßnahmen korrekt durchgeführt

Die Assistenzärzte mit bis zu sechs Monaten Berufserfahrung schnitten in der Diagnostik und bei allgemeinen stabilisierenden Maßnahmen recht gut ab. Verbesserungsbedarf zeigte sich jedoch bei krankheitsspezifischen, therapeutischen Maßnahmen wie der Entscheidung für eine nicht-invasive Beatmung (NIV) oder der Behandlung eines langsamen Herzrhythmus (Bradykardie) nach aktuellen medizinischen Leitlinien. Im Durchschnitt wurden 65,6 % der erforderlichen Maßnahmen korrekt durchgeführt, ohne signifikante Unterschiede zwischen den verschiedenen Szenarien. Tobias Mühling betont, dass diese Ergebnisse nicht überraschen, da die jungen Ärzte gerade in die Weiterbildung eingetreten sind, dabei natürlich unter engmaschiger Aufsicht durch Fachärzte arbeiten und die Behandlung spezifischer Erkrankungen nun erlernen.

Die Leistung der Teilnehmenden wurde automatisch anhand einer szenariospezifischen Checkliste bewertet. Zusätzlich führten die Teilnehmenden eine Selbsteinschätzung sowie einen Test zur klinischen Entscheidungsfähigkeit mit dem Post-Encounter-Formular durch. In diesem erreichten sie eine durchschnittliche Punktzahl von 80,5 %, was auf eine solide Fähigkeit zur Bewältigung diagnostischer Entscheidungen hinweist. Die Selbsteinschätzung der eigenen Fähigkeiten stimmte jedoch nicht immer mit den objektiven Leistungsergebnissen überein, was die Notwendigkeit objektiver Tests deutlich macht.

VR-Simulationen als Ergänzung der Ausbildung

Aus den Ergebnissen der Pilotstudie zieht die Erstautorin Franca Keicher das Fazit, dass „unsere Teilnehmenden zwar gut auf Routinetätigkeiten vorbereitet sind, dem Management komplexer Fälle aber mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden sollte. Generell sind VR-Szenarien eine interessante neue Möglichkeit, sich ein umfassendes und praxisnahes Bild von den notfallmedizinischen Kompetenzen neuer medizinischer Fachkräfte sowohl im diagnostischen als auch im therapeutischen Bereich zu machen.“

VR-Simulationen seien aber nicht nur ein Beurteilungsinstrument, sondern auch ein wertvolles Training zur traditionellen medizinischen Ausbildung. „Die Technologie ermöglicht eine praxisnahe und gleichzeitig sichere Umgebung, in der junge Ärztinnen und Ärzte ihre Fähigkeiten verbessern können“, kommentiert Tobias Mühling. Nun haben wir klare Hinweise darauf, wo wir in der Lehre gezielt ansetzen können“, resümiert Prof. Dr. Sarah König, Leiterin des Lehrstuhls für Medizindidaktik und Ausbildungsforschung.

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