Hygiene

Ausbruchsmanagement in Selbstverantwortung

21.07.2023 - Ausbruchsmanagement erhöht die Sicherheit von Patienten und Mitarbeitern und trägt zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Gesundheit bei.

Das Ausbruchsmanagement spielt eine kritische Rolle in allen Gesundheitseinrichtungen. Durch die Umsetzung von Überwachungsprogrammen, Präventions- und Kontrollmaßnahmen sowie effektiver Kommunikation können Ausbrüche frühzeitig erkannt, eingedämmt und ihre Auswirkungen minimiert werden. Ausbrüche nosokomialer Infektionen (NI) oder Impfvirus-abgeleitete Polioviren befördern immer Dilemmata, die schnelles Handeln erfordern. Im Krankenhaus erworbene Infektionen sind oft besonders schwer zu behandeln, weil die Erreger Resistenzen gegen gängige Antibiotika aufweisen.

Resistenzen als dauerhafte Latenz

Besonders gefürchtet ist das Bakterium Acinetobacter baumannii, denn dieser Erreger erwirbt aufgrund eines flexiblen Genoms leicht neue Antibiotikaresistenzen. Gleichzeitig treten Infektionen zunehmend auch außerhalb des Krankenhauses auf und zeigen oft schwere Verläufe. Eine Voraussetzung für die Entwicklung neuer Therapieansätze ist allerdings, dass die Forschung versteht, welche Eigenschaften A. baumannii und seine humanpathogenen Verwandten, die im Acinetobacter calcoaceticus-baumannii-(ACB)-Komplex zusammengefasst sind, zu einem Krankheitserreger machen. Übertragungen erfolgen nicht nur unter Patienten, sondern auch durch Mitarbeitende, Angehörige oder Besucher. Wesentlich ist es zunächst, den Ausbruchsverdacht zu bestätigen und einen Pseudoausbruch auszuschließen.

Infektionen von Mitarbeitern im Gesundheitswesen stellen eine kolossale Herausforderung dar. Die Einschätzung, ob ein Ausbruch vorliegt, setzt Kenntnisse über die durchschnittliche Häufigkeit bestimmter Infektionen in vorhersehbaren Bereichen voraus. In diesem Zusammenhang spricht man auch von der endemischen Grundrate, mit der eine bestimmte Infektion üblicherweise beobachtet wird. Aufgrund der Ergebnisse interventionsbegleitender Maßnahmen wie deskriptiver Epidemiologie, Laboruntersuchungen, Ortsbesichtigung und aktiver Fallsuche müssen die Interventionsmaßnahmen im weiteren Verlauf bestätigt, bei Bedarf ausgedehnt, verfeinert oder modifiziert werden. Sobald ein Ausbruch von NI vermutet wird, sollten zunächst die intern für das Ausbruchsmanagement zuständigen Personen informiert werden.

In der Regel sind das der Krankenhaushygieniker, die Hygienefachkräfte, Krankenhaus- und Pflegedienstleitung und der zuständige hygienebeauftragte Arzt. Wichtig ist es außerdem, schon zu Beginn alle unmittelbar verfügbaren Informationen über den Ausbruch zu sammeln und zu bestätigen, dass es sich tatsächlich um einen Ausbruch handelt bzw. dass der Ausbruchsverdacht begründet ist. So können beispielsweise das Anlegen einer Linelist und das Erstellen einer Epidemiekurve sinnvoll sein, um einen Überblick über den zeitlichen Verlauf zu erhalten und die Fälle eines Ausbruchs nach verschiedenen Merkmalen aufzuschlüsseln. Bedeutend ist die richtige Kommunikation über den Ausbruch innerhalb und außerhalb der Beteiligten.

Impfvirus-abgeleitete Polioviren

Fälle von zirkulierenden Impfvirus-abgeleiteten Polioviren (circulating Vaccine Derived Poliovirus, cVDPV) treten in Gebieten mit unzureichenden Impfquoten auf. Die abgeschwächten Viren in der Schluckimpfung (orale Poliovakzine, OPV) können lange Zeit unerkannt unter ungeimpften Menschen zirkulieren, sich dabei verändern (Mutationen) und am Ende wieder zu Erkrankungen führen und dann auch Lähmungen verursachen. An die Weltgesundheitsorganisation (WHO) wurde im Jahr 2020 die bisher höchste Anzahl an cVDPV-Fällen (n = 1.113) übermittelt. Im letzten Jahr wurden noch 659 Fälle gemeldet. Die aktuelle Situation in der Ukraine stellt das Gesundheitswesen neben dem humanitären Leid auch vor neue infektiologischen Herausforderungen. Das European Centre for Disease Prevention and Control (ECDC) zählt neben COVID-19 und Masern auch die Poliomyelitis zu den Erkrankungen, die besonders beobachtet werden sollten. Nachdem die Polioimpfquote in der Ukraine im Jahr 2014 lokal teilweise auf unter 50 % abgefallen war, steigerte sich die landesweite Durchimpfungsrate laut HO/UNICEF über die letzten Jahre wieder und erreichte 2020 bei den unter einjährigen Kindern ca. 84 %. In einigen Regionen des Landes (insbesondere in der Westukraine) liegt sie jedoch weiterhin unter 50 %.

Als Reaktion auf den jüngsten cVDPV2-Ausbruch sollten im Februar 2022 im Rahmen einer Impfaktion 140.000 bisher ungeimpfte Kinder eine Impfdosis erhalten. Diese wurde aufgrund der militärischen Invasion russischer Truppen in die Ukraine aber unterbrochen, da die ukrainischen Gesundheitsbehörden ihren Schwerpunkt auf die Notfallversorgung verlagern mussten. Die Überwachung zur Erkennung und Meldung neuer Poliofälle ist ebenfalls unterbrochen, was das Risiko einer unentdeckten Krankheitsausbreitung erhöht. Weltweit gibt es mehr als 20 Länder mit cVDPV-Fällen. Vor allem in bereits poliofreien Regionen gilt es, Infektionen frühzeitig zu erkennen, um die weitere Verbreitung schnell unterbinden zu können. Anders als Severe Acute Respiratory Syndrome Coronavirus Typ 2 (SARS-CoV-2) und Masernviren zeigen Polioviren eine sehr geringe Manifestationsrate (ca. 1:100 bis 1:200), so dass bereits ein einziger AFP-Fall als Ausbruch definiert wird, weil von einer größeren Verbreitung ausgegangen werden muss. So ist der Nachweis von Polioviren auch in Deutschland nicht ausgeschlossen.

Aspekte zur Surveillance von NI

Auch die WHO zählt die Durchführung einer NI-Surveillance zu den Kernkomponenten eines Infektionspräventionsprogramms. Erhoben wurden in 736 am Krankenhaus-Infektions-Surveillance-System (KISS) teilnehmenden Krankenhäusern in Deutschland mit Hilfe eines Bewertungstools der WHO u. a. die Situation zur Surveillance. Das Ergebnis zeigte ein hohes Niveau der vorhandenen Strukturen zur Infektionsprävention (85 % erreichten ein fortgeschrittenes Niveau). Kein Krankenhaus zeigte eine inadäquate Situation. Allerdings zeigten sich auch Defizite, insbesondere in der Rubrik Feedback von Surveillance-Ergebnissen. Nur 66,7 % der befragten Krankenhäuser gaben an, ein jährliches Feedback mit Hilfe von Datenpräsentationen und interaktiven Treffen zur Lösung von möglichen Problemen mit dem jeweiligen Krankenhausbereich durchzuführen, 32,2 % lieferten ein deskriptives Feedback in mündlicher oder schriftlicher Form und 1,1 % gaben an, gar kein jährliches Feedback zu liefern. Da die Auseinandersetzung mit den Surveillance-Daten ein entscheidender Hebel zur Optimierung von Infektionspräventionsmaßnahmen ist, gibt es vor allem in diesem Bereich einen deutlichen Verbesserungsbedarf. Zudem kann angenommen werden, dass es für Krankenhäuser, die nicht an KISS teilnehmen, bei der Umsetzung der Surveillance als Kernkomponente der Infektionsprävention eher schwieriger ist, strukturell ein vergleichbar hohes Niveau zu erreichen.

Globale Programme des BMG

Deutschland setzt sich seit der erstmaligen Verabschiedung einer Globalen Gesundheitsstrategie im Jahr 2013 zunehmend für die Stärkung von Gesundheitssystemen weltweit ein. In der zweiten Programmphase der Global Health Protection Programme (GHPP) liegt der Schwerpunkt der Aktivitäten in den Jahren 2023 bis 2025 darauf, die nationalen, regionalen und globalen Public-health-Systeme zu stärken. Neben dem weiteren partnerschaftlichen Ausbau von Fähigkeiten für Ausbruchsmanagement, Surveillance, Labordiagnostik und Hygienemaßnahmen werden auch Fragen der Tier-Mensch-Umwelt-Gesundheit (One Health) und digitale Ansätze zur Epidemieprävention adressiert. Das RKI setzt in der zweiten Programmphase, die institutsintern erneut vom Zentrum für Internationalen Gesundheitsschutz (ZIG) koordiniert wird, insgesamt 25 Projekte um.

Autor: Hans-Otto von Wietersheim, Bretten

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