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Neuer Behandlungsansatz für chronische Atemwegserkrankungen

31.03.2022 - Asthma, COPD und Mukoviszidose: Bei diesen Lungenerkrankungen verursacht eine übermäßige Produktion von Schleim in den Atemwegen zum Teil lebensbedrohliche Symptome.

Doch jetzt haben Forschende der Universitäten Ulm, Stanford und des MD Anderson Cancer Centers der University of Texas einen Inhibitor entwickelt, der die krankmachende, überschießende Bildung von Lungenschleim verhindert. Gleichzeitig bleibt die gesunde, für die Erreger-Abwehr wichtige Schleimproduktion der Atemwege erhalten. Diesen neuen Behandlungsansatz stellen die Forschenden im hochrenommierten Fachjournal „Nature“ vor.

Die menschliche Lunge ist auf die richtige Dosis Schleim (Mukus) angewiesen: Eine dünne Mukus-Schutzschicht fördert die Gesundheit der Atemwege, denn sie fängt Viren, Bakterien oder Fremdpartikel ein und entsorgt diese Krankheitserreger. Problematisch wird erst eine überschießende Schleimproduktion, wie sie bei vielen entzündlichen Lungenerkrankungen vorkommt. Große Mengen von Mukus können nämlich die Atemwege verstopfen und die Lungenfunktion beeinträchtigen – Symptome reichen von leichtem Husten bis zur lebensgefährlichen Atemnot. Dieser Schleim besteht aus so genannten Muzinen, die von spezialisierten Zellen in den Atemwegen freigesetzt werden.

Bisher zielen die meisten Medikamente zur Behandlung von Lungenerkrankungen darauf ab, Entzündungen zu reduzieren und die Atemwege zu erweitern. Die Schleimproduktion wird jedoch nicht reguliert. Das wollen Forschende der Universitäten Ulm, Stanford und der University of Texas ändern: „Ein Medikament, das die überschießende, nicht aber die lebenswichtige Basis-Schleimfreisetzung hemmt, könnte ein wirkungsvoller Therapieansatz für Millionen Lungenkranke sein“, erklärt Professor Manfred Frick vom Institut für Allgemeine Physiologie der Universität Ulm.

Der Mechanismus hinter der Schleimproduktion ist bereits gut verstanden: Muzine werden in Vesikeln der Zellen gespeichert und durch deren Fusion mit der Zellmembran freigesetzt . Dies erfordert ein Zusammenspiel spezialisierter Proteine (SNAREs, Synaptotagmine), die sich bei der gesunden und der überschießenden Schleim-Freisetzung teils unterscheiden. Dieser Prozess war Ausgangspunkt der Forschenden um die Seniorautoren Professor Axel Brunger (Stanford University), Professor Burton Dickey (University of Texas) und Professor Manfred Frick aus Ulm.

Experimentelle Vorarbeiten an genetisch veränderten Mäusen hatten nämlich gezeigt: Nagern, denen das an der Vesikel-Fusion beteiligte Protein Synaptotagmin-2 fehlt, kennen keine überschießende Schleimbildung in den Atemwegen. „Selbst bei Entzündungsprozessen, die allergische Reaktionen oder Asthma auslösen müssten, war die Muzin-Abgabe in diesem Mausmodell sehr stark verringert. Dadurch konnten wir Synaptotagmin-2 als therapeutischen Angriffspunkt identifizieren“, erklären die drei Seniorautoren der Nature-Publikation. Von diesen Überlegungen ausgehend gelang es der Forschergruppe, das Peptid SP9 zu synthetisieren: Dieses Eiweißfragment soll an Synaptotagmin-2 binden und dessen Wechselwirkung mit SNARE-Proteinen stören. Um das Peptid zu stabilisieren, wurde es zusätzlich mit einer biochemischen Klammer ausgestattet. Im Labor erbrachte Erstautor Dr. Ying Lai von der Stanford University den ersten Nachweis, dass SP9 die Erwartungen erfüllt: Der neue Inhibitor stoppt tatsächlich die Vesikel-Fusion.

Nun mussten die Forschenden einen Weg finden, um SP9 in die sezernierenden Zellen des Menschen zu schleusen. Dazu koppelte Professor Frick den Inhibitor SP9 an kleine Peptide, die die Zellmembran problemlos durchdringen. Um die Wirkung dieser Peptidkomplexe in menschlichen Spenderzellen zu überprüfen, hatten Frick und sein Ulmer Kollege Dr. Giorgio Fois gesunde sowie chronisch entzündete Atemwegsepithelien generiert. Mittels Fluoreszenzmikroskopie konnten sie in den Kulturen nachvollziehen, welche Peptide in die schleimbildenden Zellen aufgenommen werden und welche nicht. „Letztlich haben wir bestätigt, dass ein Komplex aus SP9 und Penetratin, SP9-PEN, in die Zellen eintritt und die überschießende Schleimbildung hemmt, die für Erkrankungen wie Asthma oder COPD typisch ist“, beschreibt Frick. Wie erhofft wurde die Bildung der gesundheitsfördernden Mukus-Schutzschicht nicht unterbunden.

Das Team um Professor Dickey konnte die Wirksamkeit des Inhibitors in aerosolisierter Form, also ähnlich einem Asthmaspray, bestätigen.

Der neue Inhibitor hat demnach durchaus das Potenzial, die Therapie zahlreicher Atemwegserkrankungen zu verbessern. Professor Axel Brunger rechnet bereits in zwei bis drei Jahren mit klinischen Studien. Dann muss unter anderem geklärt werden, ob SP9 in ausreichender Konzentration über Sprays verabreicht werden kann – und ob sich diese Therapie dauerhaft für chronisch Kranke eignet.

Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler wurden bei ihrer Arbeit von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) sowie den National Institutes of Health unterstützt. Dazu kamen Zuwendungen des Howard Hughes Medical Institute und der Cystic Fibrosis Foundation.

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