Medizin & Technik

Moderne Intensivmedizin: Eine Betrachtung von Prof. Dr. Hilmar Burchardi

27.09.2012 -

Moderne Intensivmedizin: Eine Betrachtung von Prof. Dr. Hilmar Burchardi. Die Intensivmedizin ist einer der kostenintensivsten Bereiche des Krankenhauses. Dabei verursacht ein relativ kleiner Anteil von schwerkranken Patienten einen überproportional hohen Anteil der entstehenden Kosten.

Die realen Kosten einer Intensivbehandlung sind im Allgemeinen kaum bekannt. Aus der Buchführung des Krankenhauses lassen sich zwar die laufenden Kosten und die Gesamtausgaben etwa für Medikamente ableiten. Die direkten Kosten bei individuellen Patienten im Zusammenhang mit verschiedenen Diagnosen oder bei definierten Krankheitsschweregraden können jedoch nur durch eine genaue individuelle Leistungserfassung ermittelt werden.

Kostenanalysen

Es gibt enorme Unterschiede in den direkten Gesamtkosten der Intensivbehandlung, und selbst bei jedem einzelnen Patienten schwanken die Tageskosten abhängig vom Krankheitsverlauf erheblich. Da 50–65 % der Behandlungskosten durch Personalkosten entstehen, ist es verständlich, dass lange Intensivbehandlungen besonders teuer werden: An unserer operativen Intensivstation wurden 23 % der Gesamtausgaben durch lediglich 3 % von 1631 Intensivpatienten verursacht. In einer nationalen Kostenerfassung (in Kooperation mit der DIVI und der Deutschen Sepsis Gesellschaft) an 51 repräsentativ selektierten Intensivstationen in Krankenhäusern aller Kategorien ermittelten wir bei 454 Patienten die direkten Kosten der Intensivbehandlung jeweils an einem Prävalenztag: Die vorläufige Analyse ergab mittlere Tageskosten in Häusern der Grundversorgung (GV) von 685 ± 234 €, in der Regelversorgung (RV) von 671 ± 199 €, in der Schwerpunktversorgung (SV) von 813 ± 362 €, in der Maximalversorgung (MV) von 922 ± 306 €. Der Personalkostenanteil betrug in allen Krankenhauskategorien 54– 62 %. Demgegenüber lagen die Anteile für Medikamente bei 15–21 % und die Anteile für pflegerische und invasive Maßnahme sowie Labor und Diagnostik bei 13–17 %. Das Krankenspektrum unterschied sich in den verschiedenen Krankenhauskategorien offensichtlich deutlich: So lagen die Häufigkeiten der apparativen Beatmung bei 30 % in GV, 23 % in RV, 46 % in SV, 57 % in MV; die Häufigkeiten von Trauma bei 10 % in GV, 14 % in RV, 5 % in SV, 19 % in MV; die Häufigkeiten von schwerer Sepsis bei 15 % in GV, 7 % in RV, 15 % in SV, 16 % in MV (vorläufige Daten).

Abbildung im DRG-System

Deutschland ging bei Einführung des DRG-Systems den außergewöhnlichen Weg des 100%igen Deckungsansatzes. Dieses Prinzip wurde sonst in allen anderen Ländern mit DRG-Vergütung aus guten Gründen vermieden: Ein ausschließlich Diagnose orientiertes System wird der Komplexität der Intensivmedizin nicht gerecht, da fast jede Diagnose grundsätzlich eine Intensivbehandlung unterschiedlichen Ausmaßes zur Folge haben kann. Es kann damit kaum gelingen, alle intensivmedizinischen Behandlungsleistungen sachgerecht abzubilden. Außerdem müssen für eine hochwertige Intensivmedizin strenge Qualitätskriterien festgelegt werden: Intensivmedizin im eigentlichen Sinne ist aufwändige, personalintensive Akut-Diagnostik und -Therapie mit kontinuierlicher Handlungsbereitschaft. Die DIVI hat hierfür qualitative Strukturkriterien definiert. Hierin wird festgelegt, dass die Intensivstation „… kontinuierlich über 24 Stunden durch Ärzte, die in Intensivmedizin erfahren sind und die aktuellen Probleme der Patienten kennen“, betreut wird; „… ständige ärztliche Anwesenheit auf der Intensivstation“ ist erforderlich. Damit wird sichergestellt, dass eine Intensivmedizin, die diesen Namen verdient, nicht als Nebenaufgabe ausgeführt werden kann.

Aufwandschätzung

Zur objektiven Abschätzung des Kostenaufwandes der Intensivbehandlung wurde von uns im Auftrag der DIVI ein Aufwandmarker entwickelt, der die Tageskosten für den individuellen Patienten sachgerecht abbilden soll. Dieser Aufwandmarker besteht aus den täglich ermittelten SAPS-II-Punkten (ohne Glasgow Coma Scale) plus Punkte für 10 besonders aufwändige Leistungen aus dem TISS-28-Katalog. Damit wird einerseits die Variabilität des Krankheitsschweregrades, andererseits aber auch die Dauer der Intensivbehandlung berücksichtigt. In einer großen multizentrischen Kostenstudie, die wir im Auftrag der DIVI und des VUD durchführten, wurde der Aufwandmarker gegen die direkten Kosten der Behandlung getestet (vorläufige Daten, bislang nicht publiziert): Bei 2.983 Intensivpatienten aus 14 Intensivstationen (ITS) an neun Universitätsstandorten wurden die direkten Kosten (inkl. Personalkosten) der Intensivbehandlung erfasst. Die vorläufigen Ergebnisse sind: Mittlere Tageskosten aller ITS 1.157 ± 1.088 €, bei operativen ITS 1.161 ± 1.123 €, bei internistischen ITS 1.138 ± 464 €, bei neurologischen ITS 969 ± 413 €. Der oben genannte Aufwandmarker ergab eine gute Pearson-Korrelation mit diesen Kosten: 0,853 für operative ITS, 0,865 für nicht-operative ITS. Diese sachgerechte Abbildung der Kosten hat das deutsche DRG-Institut InEK bewogen, den Aufwandmarker in das G-DRG-System einzubeziehen. Bereits im OPS-Katalog 2005 wurde eine Ziffer 8-980 „Intensivmedizinische Komplexbehandlung“ eingeführt, in der der Aufwandmarker als Quantifizierungsmerkmal verwendet wird (vorerst ohne Vergütung). Dieser Komplex- Kode fand 2006 erste Berücksichtigung im G-DRG-Katalog für sehr aufwändige Fälle. Gleichzeitig werden für diesen Komplex-Kode die Qualitätskriterien der DIVI gefordert – ein wichtiger Schritt zur Festlegung von Strukturqualität! Es ist aber leider bislang die einzige definierte Qualitätsanforderung im deutschen G-DRG-System.

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