Neurodermitis beeinflusst durch Pollenflug
03.09.2015 -
Was seit nunmehr 100 Jahren unter Wissenschaftlern diskutiert wurde, ist jetzt wissenschaftlich bewiesen: Der Gräserpollenflug hat einen Einfluss auf Neurodermitis.
Betroffene zeigen ein deutlich verschlechtertes Krankheitsbild. Zu diesem Ergebnis kam ein Team aus Wissenschaftlern des Fraunhofer-Instituts für Toxikologie und Experimentelle Medizin ITEM und der Klinik für Dermatologie, Allergologie und Venerologie der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH). Sie hatten freiwillige Probanden mit Neurodermitis in den Fraunhofer-Pollenprovokationsraum, auf die sog. „Wiese im Labor“, gesetzt und beobachtet, dass die Probanden mit deutlich sichtbaren Schüben der Neurodermitis reagierten. Die Studienergebnisse wurden im Journal of Allergy and Clinical Immunology publiziert.
Neurodermitis ist eine quälend juckende Hauterkrankung, deren Häufigkeit in den letzten Jahrzehnten deutlich zugenommen hat und auch weiterhin zunimmt. Ihre Behandlung ist nach wie vor besonders schwierig, auch weil die Faktoren, die die Krankheit auslösen, individuell sehr unterschiedlich sind. Klar ist seit der Studie im Pollenprovokationsraum des Fraunhofer ITEM, in dem die Gräserpollen wie auf einer natürlichen Sommerwiese fliegen, dass die Belastung der Luft mit Pollen das Hautbild der Neurodermitispatienten innerhalb von Stunden signifikant verschlechtert. In den Laboren der MHH wurde gezeigt, dass im Blut dieser Patienten Marker für allergische Entzündungen anstiegen. Ob die Pollenprovokation für die Entwicklung von neuartigen Wirkstoffen für Immuntherapien von Neurodermitispatienten in Frage kommt, wird das Team aus MHH- und Fraunhofer-Wissenschaftlern nun weiter untersuchen.
Die derzeit verfügbaren Therapien zur Behandlung der Neurodermitis zielen darauf ab, die Entzündungsreaktion mit breit wirksamen Medikamenten wie Kortikosteroiden zu unterdrücken. Ein gänzlich neuer Weg könnte mit einer neuartigen Behandlungsform beschritten werden, nämlich mit der Verwendung von DNAzymen, synthetischen DNA-Molekülen mit Enzymaktivität. Das Forscherteam hatte sich mit einem DNAzym als Therapeutikum bereits in einem anderen Projekt beschäftigt. Dabei ging es um die Prüfung der Sicherheit und Wirksamkeit des DNAzym-Wirkstoffs zur Behandlung des allergischen Asthmas, den die Firma Sterna Biologicals zusammen mit Wissenschaftlern der Universität Marburg entwickelt hat. Der Wirkstoff mit der Bezeichnung „SB010“ basiert auf der Hemmung des Transkriptionsfaktors GATA-3, der für Entzündungsreaktionen und damit einhergehende Symptome verantwortlich ist. In dem gemeinsamen Projekt lieferten die Wissenschaftler des MHH-Teams um Prof. Thomas Werfel, Leiter der Forschungsabteilung „Immundermatologie und experimentelle Allergologie“, wichtige Hinweise auf die Wirksamkeit von „SB010“ bei Allergien anhand von menschlichen Zellsystemen in Laborversuchen. Die Entwicklung dieses „First-in-Class“-Wirkstoffs begleitete auch das Fraunhofer ITEM mit seiner Expertise. Die klinischen Studien der Phasen Ib und IIa, letztere auch Proof-of-Concept-Studie genannt, wurde als multizentrische Studie an sieben deutschen Zentren unter der wissenschaftlichen Leitung von Prof. Norbert Krug, Ärztlicher Direktor am Fraunhofer ITEM, an Patienten mit allergischem Asthma durchgeführt. Eine 28-tägige Behandlung mit „SB010“ führte im Vergleich zu Placebo nach spezifischer Allergenprovokation zu einer signifikanten Verbesserung der Lungenfunktion. „SB010“ erwies sich außerdem als sicher und gut verträglich.
Ob das DNAzym „SB010“ auch für eine Therapie der Neurodermitis eingesetzt werden kann, wird nun in der Klinik für Dermatologie, Allergologie und Venerologie der MHH unter der Studienleitung von Werfel untersucht. Bei geplanten Folgeuntersuchungen ist das Fraunhofer ITEM wieder mit im Team. „Die hervorragenden Forschungsbedingungen und die kurzen Wege zwischen unseren benachbarten Institutionen, Fraunhofer ITEM und MHH, werden wir auch für zukünftige gemeinsame Projekte in der Allergieforschung intensiv nutzen“, sagt Werfel.