Gesundheitspolitik

Interview mit Simone Fischer zum Internationalen Tag der Menschen mit Behinderungen

02.12.2022 - Seit 1993 gibt es den von den Vereinten Nationen ausgerufenen „Internationalen Tag der Menschen mit Behinderungen". Grund genug, sich mit Simone Fischer zu unterhalten. Sie ist die Landesbehindertenbeauftragte aus Baden-Württemberg.

REHAB: Sie haben die REHAB 2022 eröffnet und bei einem Messerundgang die Vielfalt an Hilfsmitteln und Dienstleistungen für Menschen mit den unterschiedlichsten Unterstützungsbedarfen kennengelernt. Wie haben Sie dieses Angebot wahrgenommen?

Simone Fischer: Wir leben in einer Welt, die nicht für alle Menschen designed ist. Sie ist nach einem Standard von Maßen und Normen gestaltet, die versuchen, der Mehrheit gerecht zu werden. Allerdings werden viele Menschen durch die Ausrichtung auf den Standard behindert. Nicht allen von ihnen helfen DIN-Normen zur Barrierefreiheit weiter. Auch deshalb ist die REHAB ein Segen an Erkenntnis und Möglichkeiten. Es war großartig, nach drei Jahren Pause Teil der REHAB 22 zu sein. 350 Ausstellende aus 18 Ländern, davon knapp 40 Prozent herstellende Unternehmen auf 35.000 Quadratmeter Fläche – was für eine Organisation. Und das immer noch unter den Folgen der Pandemie, was viel Abwägen, eine große Herausforderung und Verantwortung bedeutete. Für mich bedeutete die Rehab 2022 aber auch eine große Freude. Ich habe von den Ausstellenden und Besuchenden gehört, was für eine Spannung und Begeisterung zu erleben war. Nach langer Messepause war es wieder möglich, den persönlichen Austausch zu pflegen, Innovationen zu erleben, Premieren zu feiern, Ideen mitzubringen und mitzunehmen. Die REHAB bündelt Themen und bietet eine optimale Plattform. Sie schafft und eröffnet Möglichkeiten zur Autonomie, Selbstbestimmung und Teilhabe des Einzelnen. Ich freue mich bereits auf die Messe in 2023.

 

REHAB: Pandemiebedingt waren Menschen mit Behinderungen mitunter besonders isoliert. Das hat nicht selten zu psychischen Problemen geführt. Gibt es Konzepte für etwaige neue Pandemiewellen, um das zu verhindern?

Fischer: Natürlich wurde aus dem Umgang mit der Pandemie viel gelernt und es wurden Erfahrungen gewonnen - auf vielen Ebenen, in vielfältigen Bereichen. Für die seelische Balance der Menschen ist es wichtig, in guter und sicherer Verbindung zu sein. Wir müssen weiterhin darauf hinweisen, dass Menschen mit Behinderungen nicht per se zur vulnerablen Gruppe gehören. Es gilt besser hinzuschauen, zu differenzieren.

REHAB: Wie sehen Sie in diesem Kontext die Chancen für Ausstellungen und Kongresse zukünftig?

Fischer: Ich blicke zuversichtlich in die Zukunft, was Ausstellungen und Kongresse betrifft. Der Weg in die Endemie ist eingeläutet. Im Bedarfsfall sind wir mit guten Konzepten, gespeist aus Erfahrung und Know-How, ausgestattet.

REHAB: Sie sind viel in Baden-Württemberg unterwegs, posten Ihre Aktivitäten in den sozialen Medien. Welche Projekte liegen Ihnen für 2023 am Herzen?

Fischer: Wir müssen dafür sorgen, dass gesetzliche Rahmenbedingungen die Anliegen der Menschen mit Behinderungen frühzeitig mitdenken und sie schließlich auch berücksichtigen. Wir dürfen nicht nachlassen, dafür einzustehen, dass bestehende Gesetze und Regelungen im Sinne der Menschen mit Behinderungen umgesetzt werden. Wenn ich an die Regelungen zur Barrierefreiheit beim Bauen und Wohnen, der Digitalisierung oder im öffentlichen Personennahverkehr denke, gibt es noch viel Luft nach oben. In unserem Land, in den Städten und Gemeinden in Baden-Württemberg brauchen wir bessere Zugänge zu Bildung, Arbeit, Gesundheit, beim Wohnen, in der Freizeit, im Alltag sowie die Chance zur Beteiligung. Beteiligung schafft Gesellschaft, Sichtbarkeit, Akzeptanz und Normalität – unter dieses Motto habe ich meine Amtszeit gestellt.

REHAB: Wie sind die politischen Rahmenbedingungen dafür?

Fischer: Der grün-schwarze Koalitionsvertrag bietet eine gute Grundlage, um Barrierefreiheit, Inklusion und Teilhabe weiter voranzubringen. Beispielhaft sind die Weiterentwicklung des Landesbehinderten-Gleichstellungsgesetzes, die Zertifizierung von Teilleistungen für behinderte Jugendliche, die ihre Ausbildungsziele nicht vollständig erreichen können oder die Beschäftigung von schwerbehinderten Menschen in der Landesverwaltung und andernorts sowie eine Analyse für einen Qualitätsrahmen Inklusion für alle Schularten, um einen bedarfsgerechten Ausbau der Inklusion voranzubringen, zu nennen. Derzeit arbeitet die Landesverwaltung an der Fortschreibung des Landes-Aktionsplans zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention in Baden-Württemberg.

REHAB: Und wie genau sieht dieser Plan aus?

Fischer: Der Landes-Aktionsplan soll als Strategiepapier weiterentwickelt werden. Unter Federführung des Sozialministeriums und Mitwirkung aller Ressorts werden in einem großen Beteiligungsprozess Menschen mit Behinderungen gezielte Maßnahmen und Vorhaben erarbeitet, die in der Folge wirksame Verbesserungen im Alltag erreichen sollen. Von Ende November bis Anfang Januar sind die Zwischenergebnisse auf dem Beteiligungsportal des Landes eingestellt. Alle Bürger in Baden-Württemberg sind eingeladen, mitzumachen. (Startseite: Beteiligungsportal Baden-Württemberg (baden-wuerttemberg.de)). Die Ergebnisse werden im kommenden Jahr gebündelt und dem Ministerrat und schließlich der Landespolitik vorgelegt. Ziel ist, dass bis 2026 weitere konkrete Maßnahmen vorangebracht sind.

REHAB: Warum ist es so wichtig, dass weitere konkrete Maßnahmen zur Inklusion folgen?

Fischer: Persönlich liegen mir die Themen Arbeit, Bildung, Gesundheit und die Situation von Kindern und Frauen mit Behinderung am Herzen. Die Repräsentation von Menschen mit Behinderungen in Gesellschaft, Politik und Wirtschaft in Baden-Württemberg, ist von großer Bedeutung. Sie macht uns sichtbar und fordert auf, die Rechte behinderter Menschen zu wahren und von Beginn an mitzudenken. Dafür setze ich mich ein – in der Begegnung, in konkreten Maßnahmen und Projekten, mit meiner Öffentlichkeitsarbeit und in meinen Stellungnahmen zu den landesrechtlichen Gesetzen und Vorhaben. Wenn der inklusive Gedanke Kompass unserer Gesellschaft ist, schaffen wir es, gute und gerechte Lebensbedingungen für alle Menschen zu erreichen. Wir brauchen eine in jeder Hinsicht barrierefreie Gesellschaft.

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