Gesundheitspolitik

Krankenhausreform: 5-Punkte-Plan für die Diabetologie der Zukunft

04.03.2023 - Die Krankenhausstrukturreform: weg von Ökonomie und Fallpauschalen, hin zu mehr Patientenwohl. Doch es zeichnet sich ab, dass das Bundesgesundheitsministerium (BMG) die Versorgungsrealität noch an wichtigen Stellen verkennt.

Neben dem persönlichen Leid für die Betroffenen habe dies auch hohe finanzielle Folgen für das Gesundheitssystem, so die Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG). Auf ihrer Jahrespressekonferenz legen die Experten einen 5-Punkte-Plan vor, dessen Berücksichtigung eine positive Wende für die Diabetologie in Deutschland bringen kann.

„Ob die von Lauterbach sogenannte Revolution im Gesundheitssektor gelingt, wird sich an den vulnerablen Patientengruppen zeigen – den chronisch Kranken, Kindern und multimorbiden Älteren“, prognostiziert Professor Dr. med. Andreas Fritsche, Vizepräsident der DDG. „Erst wenn die Reformpläne auch diese Gruppen berücksichtigen und ihnen eine hohe Versorgungssicherheit gewährleisten, kann eine Zeitenwende in unserem Gesundheitssystem gelingen.“ Auf der Jahrespressekonferenz der DDG diskutieren Expert*innen zu den Chancen und Risiken der Krankenhausreform in Bezug auf die Diabetologie.

Dabei kommen sie überein, dass die verantwortliche Regierungskommission dringend anerkennen muss, dass Diabetes mellitus im bisherigen System der diagnosebezogenen Fallgruppen (DRG) viel zu wenig Berücksichtigung findet. „Die Endokrinologie und Diabetologie sind mitunter die reformbedürftigsten Sektoren hinsichtlich Finanzierung und Versorgungsstrukturen. Schon jetzt ist die Versorgung der Betroffenen auf Krankenhausstationen akut gefährdet“, betont Fritsche. Die stark steigenden Diabeteszahlen auf erwartete 12 Millionen in den kommenden zehn Jahren, drohen den ambulanten sowie den stationären Sektor zu überlasten, so der Diabetologe vom Universitätsklinikum Tübingen. „Doch derzeit scheinen die politisch Verantwortlichen diese Versorgungslage noch zu sehr zu unterschätzen.“

Fritsche weist darauf hin, dass in Krankenhäusern inzwischen jeder fünfte Patient über 20 Jahren Diabetes hat, was jährlich etwa drei Millionen Krankenhausbehandlungen mit und wegen Diabetes bedeutet. Hinzu kommt, dass die Betroffenen bereits in jungen Jahren ins Krankenhaus müssen, längere stationäre Aufenthalte und mehr Komplikationen haben als stoffwechselgesunde Mitmenschen – das zeigt eine aktuelle Studie. „Im Alter zwischen 40 und 50 Jahren sind sie darüber hinaus dreimal mehr von Schlaganfall und Myokardinfarkt betroffen, was wiederum ihr Sterberisiko erhöht“, führt Studienautor Alexander Eckert, Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Ulm, Institut für Epidemiologie und medizinische Biometrie am ZIBMT, aus.

Das mangelnde Bewusstsein für Diabetes in Kliniken resultiert aus fehlenden Diabeteskenntnissen. Nur 17 Prozent der Kliniken halten eine ausreichend qualifizierte Diabetesexpertise gemäß DDG Zertifizierung vor, mit sinkender Tendenz. Dies schlägt sich auch im Umgang mit den Diabetespatienten nieder. Bisher wird bei stationärer Aufnahme nicht flächendeckend und nach einheitlichen Standards auf Diabetes gescreent und behandelt. Dabei zeigen Untersuchungen, dass bis zu 23 Prozent aller Patient*innen in Notaufnahmen einen nicht bekannten Diabetes haben. Einer Umfrage zufolge hat fast jeder dritte Mensch mit Diabetes Typ 1 schlechte Erfahrungen in einer nicht-Diabetes-zertifizierten Klinik gemacht. Insbesondere Insulinpumpenpatienten blieben in über 80 Prozent ohne Ansprechpartner für ihre Technologie. „Der Aufenthalt in Krankenhäusern könnte für Diabetespatienten zunehmend gefährlich und tödlich werden“, mahnt Fritsche.

Die DDG fordert auf Grundlage dieser Erkenntnisse die Schaffung besserer Versorgungsstrukturen an Kliniken und stellte dafür auf der Jahrespressekonferenz folgenden 5-Punkte-Plan auf:

1. Einrichtung von Diabetes Units in Krankenhäusern
2. Im Rahmen der geplanten Krankenhausstrukturreform qualifizierte zertifizierte und abgestufte Diabetesbehandlung auf allen Ebenen. Diabetes droht, entweder ganz vergessen zu werden oder eine Verbannung auf den untersten Level der Versorgung.
3. Versorgungsqualität muss sich lohnen! Krankenhäuser mit Diabetesbehandlungsstrukturen sollten finanzielle Zuschläge erhalten, Einrichtungen ohne diabetologische Expertise finanzielle Abschläge.
4. Vulnerable Gruppen schützen! Kinder oder multimorbide ältere Patienten mit einem Diabetes brauchen besondere Pflege und zeitintensive ärztliche Betreuung. Das muss kostendeckend abgebildet sein.
5. Ein obligates Diabetesscreening (HbA1c) und Management in den Notaufnahmen und Stationen der Krankenhäuser.

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