Neue GOÄ spaltet die Ärzteschaft und gefährdet die Versorgung
09.05.2025 - Am 29. Mai soll über die neue Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) auf dem Deutschen Ärztetag abgestimmt werden. Doch für viele Fachgruppen stellt die Reform keinen Fortschritt, sondern eine existenzielle Bedrohung dar.
„Diese GOÄ ist weder gerecht noch zukunftsfähig. Sie basiert auf intransparenten Berechnungen, benachteiligt gezielt bestimmte Fachgruppen und gefährdet die wirtschaftliche Grundlage vieler Praxen und damit auch die Versorgungssicherheit von Patienten“, kritisiert Prof. Dr. med. Henrik Michaely, Facharzt für Radiologie und Vorstand der RadiologenGruppe 2020.
Alleingang ohne Transparenz
Besonders kritikwürdig ist das Vorgehen bei der Entwicklung der neuen GOÄ: Der Entwurf wurde lediglich zwischen Bundesärztekammer, PKV-Verband und Beihilfe verhandelt – ohne Konsens der Ärzteschaft. Darüber hinaus fehlt jegliche Transparenz bei der Kostenkalkulation. „Die Leistungsziffern wurden ohne nachvollziehbare Kalkulationsgrundlagen festgelegt. Weder Aufwand noch Investitionsbedarf wurden systematisch erfasst. Dadurch wurde die medizinische und wirtschaftliche Realität vieler Fachrichtungen schlichtweg ignoriert“, beanstandet Prof. Dr. Tobias Saam, Facharzt für Radiologie und Vorsitzender der Radiologie Initiative Bayern.
Gefährliche Umverteilung
Personal, Miete, Energie – seit Jahren steigen die Betriebskosten in Arztpraxen. Die neue GOÄ berücksichtigt diese Entwicklung jedoch nicht und bietet keinen Inflationsausgleich, obwohl die letzte GOÄ-Anpassung fast 30 Jahre zurückliegt – im selben Zeitraum ist der Verbraucherpreisindex um mehr als 60 Prozent gestiegen. Trotzdem sieht die geplante Reform für technische Fächer wie Radiologie, Labormedizin oder Nuklearmedizin teils drastische Honorarkürzungen vor – es drohen beispielsweise bis zu 29 Prozent Verlust bei diagnostischen Leistungen. Gleichzeitig profitieren andere Fachrichtungen unverhältnismäßig. Diese massive Umverteilung ist nicht betriebswirtschaftlich fundiert und widerspricht dem Prinzip der Gleichwertigkeit ärztlicher Leistungen. „Statt ärztlicher Einigkeit schafft der Entwurf Ärzte erster und zweiter Klasse und provoziert interne Verteilungskämpfe zwischen sprechender und technischer Medizin. Radiologie, Nuklearmedizin und Labormedizin sind stark geräteabhängig und erfordern hohe Investitionen“, kritisiert Prof. Dr. Michaely. Zudem sind die technischen Fächer sehr personalintensiv – eine MRT-Untersuchung inklusive Bedienung des Geräts und Verwaltungsapparat im Hintergrund erfordert bis zu 10 nicht-ärztliche Fachkräfte, deren Personalkosten in den letzten Jahren deutlich gestiegen sind. Auch diese Entwicklung vernachlässigt der GOÄ-Entwurf.
Stopp und Neuverhandlung gefordert
Die geplante GOÄ stellt keine faire, zukunftsorientierte Grundlage für alle Fachgruppen dar. Technische Disziplinen werden systematisch benachteiligt, obwohl sie eine tragende Säule der ambulanten Versorgung darstellen. Sollte die neue GOÄ eingeführt werden, drohen weitreichende Folgen für alle Patienten. „Wenn Praxen wirtschaftlich nicht mehr überleben können, hat das direkte Auswirkungen auf Wartezeiten und die gesundheitliche Versorgungssicherheit – auch im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung. Kürzungen führen nicht bloß zu Einsparungen, sondern zu Versorgungslücken“, so Prof. Dr. Saam. Statt eines fragwürdigen Kompromisses braucht es nun eine gerechte, transparente und versorgungsorientierte Reform. „Wir appellieren an die Delegierten des Ärztetags, die GOÄ in der vorliegenden Form abzulehnen“, erklärt Prof. Dr. Michaely und betont: „Die PKV agiert nicht im Interesse der ärztlichen Versorgung, sondern im Interesse von Gewinnmaximierung und die Bundesärztekammer hat versäumt, die Interessen aller Fachgruppen einzubeziehen. Das Motto sollte nicht lauten ‚Besser eine schlechte Reform als gar keine‘. Es ist kein Scheitern, eine unausgereifte Reform abzulehnen, sondern verantwortungsbewusst.“
Kurzprofil
Die RadiologenGruppe 2020 ist ein deutschlandweiter strategischer Verbund radiologischer und nuklearmedizinischer Mittelstandspraxen. Gegründet wurde sie 2020, um auf politische Missstände im Gesundheitssystem aufmerksam zu machen und Mehrwerte für Patient*innen zu schaffen. Sie sieht sich als Stimme mittelständischer Nuklearmediziner/-innen und Radiologinnen und Radiologen und setzt sich gegen Praxissterben und für eine bessere Versorgung in der bildgebenden Diagnostik ein. Inzwischen gehören der RadiologenGruppe 2020 deutschlandweit mehr als 950 Ärztinnen und Ärzte an über 270 Standorten an.
Die Radiologie Initiative Bayern ist ein Zusammenschluss von inhabergeführten radiologischen Praxen in ganz Bayern. Gegründet wurde sie 2021, um auf politische Missstände im Gesundheitssystem aufmerksam zu machen. Sie sieht sich als Stimme niedergelassener Nuklearmediziner/-innen und Radiologinnen und Radiologen und setzt sich gegen Praxissterben und für eine bessere Versorgungsqualität ein. Inzwischen gehören der Radiologie Initiative Bayern mehr als 340 Ärztinnen und Ärzte an 115 Standorten an. Insgesamt gewährleisten sie jährlich die Versorgung von über 1,3 Millionen Patient*innen in Bayern.
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