Aus den Kliniken

Schlaganfall: Entzündung, zweite Stufe

09.08.2024 - Ein internationales Team von Wissenschaftlern unter Federführung des LMU Klinikums hat detailliert erforscht, warum es zu den häufig wiederkehrenden Schlaganfällen kommt.

Aus Zellen freigesetzte DNA führt nach dem ersten Ereignis zu einer Entzündungsreaktion im gesamten Körper, die auch zu einer Verschlechterung der arteriosklerotischen Gefäßablagerungen führt und damit zu erneuten Gefäßverschlüssen – ein Teufelskreis. Die Forschenden um Prof. Arthur Liesz vom Institut für Schlaganfall- und Demenzforschung schlagen daher auf Grundlage ihrer neuen Erkenntnisse eine neue Therapie vor: Die zellfreie DNA einfach durch entsprechende Medikamente (DNasen) abbauen.

Etwa 200.000 Bundesbürger erleiden Jahr für Jahr einen Schlaganfall. Er ist damit die zweithäufigste Todesursache - und ein Hauptgrund von Behinderung im Erwachsenenalter. Meist wird der Schlaganfall verursacht durch eine Arteriosklerose, im Volksmund auch Arterienverkalkung genannt. Zu diesem Prozess kommt es, wenn Immun- und Entzündungszellen in Fettablagerungen in die Wand von Blutgefäßen einwandern. In den entstehenden "Plaques" baut sich eine schädliche Entzündungsreaktion auf, die sich verselbstständigt, chronisch wird, zu Verkalkungen und Engstellen führt und die Gefäße verstopft. Mehr noch: Aus diesen "Plaques" können sich Gerinnsel lösen, durchs Blut wandern und kleine Gefäße im Gehirn blockieren. Warum es aber bei gut zehn Prozent der Patienten selbst bei bester Versorgung im Krankenhaus binnen Tagen und Wochen zu weiteren Schlaganfällen kommt, blieb lange ungeklärt.

„Dieses Rätsel haben wir nun weitgehend gelöst“, sagt Arthur Liesz. Grundlage dafür war zunächst die Etablierung eines Tiermodells in der Maus. Bei solchen Modellen wird der Organismus durch gezielte genetische Eingriffe verändert. So lassen sich in diesem Fall wiederkehrende Schlaganfälle aus arteriosklerotischen Plaques wie im Menschen nachstellen, um die daran beteiligten Prozesse zu untersuchen.

Es zeigte sich: In der frühen Phase nach einem Schlaganfall kommt es zu einer Entzündungsreaktion im gesamten Körper – obwohl keine Infektion vorliegt. Als Ursache konnten die Forscher zellfreie DNA im Blut feststellen, die aus Zelltrümmern freigesetzt wird. Sie bewirkt eine Entzündung, die auch die Arteriosklerose rasant fortschreiten lässt, denn „diese zellfreie DNA aktiviert in bestimmten Immunzellen das AIM2-Inflammasom“, sagt Arthur Liesz. Als Inflammasom wird ein ganzer Komplex aus Proteinen in Entzündungszellen bezeichnet, der zur massiven Bildung des Botenstoffs Interleukin-1 führt. Dieser Botenstoff breitet sich durch das Blut im ganzen Körper aus und wirkt insbesondere auf bereits entzündete Gewebe – wie die arteriosklerotisch veränderten Gefäße. Das wiederum destabilisiert Hochrisiko-Plaques, die einreißen und Gerinnsel freisetzen, was zu weiteren Schlaganfällen führt.

Mit ihrem Wissen starteten die Forschenden bei den Mäusen nach dem ersten Schlaganfall eine Therapie: Durch die Gabe von sogenannten DNasen – Enzyme, die DNA zerstören – sofort nach dem ersten Schlaganfall lässt sich der gesamte fatale Prozess stoppen. „Durch diese Behandlung haben wir die Rate wiederkehrender Schlaganfälle in unserem Tiermodell um bis zu 80 Prozent gesenkt“, sagt Arthur Liesz. Die DNA in Zellen bleibt von dieser Behandlung unberührt, weil DNasen nicht in Zellen eindringen können. Die Studienergebnisse wurde nun im renommierten Wissenschaftsmagazin „Nature“ veröffentlicht und könnten, so sie sich im Menschen bestätigen, zu einer verbesserten Schlaganfall-Therapie führen.

Der beeindruckende Erfolg im Tierversuch hat die Forschenden motiviert, eine klinische Studie zu planen, die bereits genehmigt wurde. Sie soll, so Liesz, „voraussichtlich 2025 an mehreren Kliniken in Deutschland beginnen.“

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