Aus den Kliniken

Aktuelle Studie der Universität Heidelberg zu Biofilmen

Isothiocyanate hemmen Biofilmformation von Pseudomonas aeruginosa

28.05.2018 -

Biofilm-produzierende Bakterien sind häufig die Ursache schwer zu bekämpfender Infektionen, bei denen Antibiotika nahezu unwirksam sind.

Vor allem Pseudomonas aeruginosa, einer der häufigsten Erreger nosokomialer Infektionen der Atemwege und des Harntrakts, bereitet durch die zunehmende Entwicklung resistenter Stämme erhebliche Probleme im klinischen Bereich. Eine Möglichkeit sehen Forscher in der Hemmung der Produktion von Biofilmen und des bakteriellen Kommunikationssystems Quorum sensing. Eine aktuelle Studie der Universität Heidelberg hat gezeigt, dass pflanzliche Isothiocyanate (Senföle) aus Kapuzinerkresse und Meerrettich (in Angocin Anti-Infekt N) sowohl die Entwicklung von Biofilmen als auch die metabolische Aktivität in reifen Biofilmen von P. aeruginosa hemmen. „Die Isothiocyanate stellen aufgrund ihrer ausgeprägten antiinfektiven Wirkung gegen zahlreiche, teils multiresistente Bakterien sowie ihrer Fähigkeit, die Biofilmformation zu stören, eine vielversprechende natürliche Substanzgruppe dar“, sagt Studienleiter Prof. Frank Günther, Institut für Medizinische Mikrobiologie und Krankenhaushygiene, Marburg. "Die Pflanzenstoffe könnten bei akuten unkomplizierten Infektionen der Atem- und Harnwege eine sinnvolle Therapieoption sein, um der wachsenden Bedrohung durch Antibiotikaresistenzen entgegenzuwirken“, so Günther weiter.

Biofilmbildende Mikroorganismen, wie Pseudomonas aeruginosa, sind vor dem Angriff antibiotischer Substanzen weitgehend geschützt. Das Bakteriumist einer der häufigsten Erreger nosokomialer Infektionen der Atemwege sowie des Harntrakts. Die Eigenschaft Biofilme auszubilden befähigt den Erreger, lange Zeiträume in befallenen Körperregionen zu persistieren und Resistenzmechanismen zu entwickeln. Auf diese Weise kann nach einer überwunden geglaubten Infektion die Erkrankung rezidivieren und einen chronischen Verlauf nehmen. Da der Keim zudem über viele intrinsische Resistenzmechanismen verfügt, verbleiben derzeit kaum noch antibiotische Substanzen, mit denen er effektiv bekämpft werden kann. Neue Wirkstoffe gegen solche Erreger werden daher dringend gesucht.

Entwicklung von Strategien gegen Biofilmbildung noch ganz am Anfang

Derzeit wird an verschiedenen Universitäten intensiv nach weiteren möglichen Behandlungsstrategien gegen multiresistente Keime geforscht. Wissenschaftler des Helmholtz-Instituts für Infektionsforschung (HZI) haben z.B. ein Molekül entwickelt, das einen wichtigen Baustein des Biofilms von P. aeruginosa blockiert und gleichzeitig den Biofilm im Körper sichtbar machen kann. Dieser wissenschaftliche Ansatz sowie weitere Forschungsaktivitäten mit ähnlichem Ziel stehen allerdings erst ganz am Anfang der Entwicklung. Es bedarf noch zahlreicher und langwieriger Folgeuntersuchungen, bis weitere Ergebnisse vorliegen. Ob daraus irgendwann einmal therapeutische Empfehlungen abgeleitet werden können, ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht abzusehen.

Kombination von Isothiocyanaten hemmt Biofilmbildung

Die aktuelle Studie der Universität Heidelberg untermauert frühere Untersuchungsergebnisse und belegt, dass die Isothiocyanate (ITC) aus Kapuzinerkresse und Meerrettich das bakterielle Kommunikationssystem von P. aeruginosa stören und die Ausbildung von resistenten Biofilmen hemmen können. In der Studie wurden die Effekte der ITC anhand mehrerer Parameter evaluiert, und zwar der bakteriellen Proliferation, der Ausprägung der Biofilmbildung und der metabolischen Aktivität in bereits ausgebildeten Biofilmen. Bereits bei der singulären Untersuchung der ITC [Benzyl-ITC (in Kapuzinerkresse), Allyl-ITC und Phenylethyl-ITC (in Meerrettichwurzel] war eine deutliche antibakterielle Aktivität gegen P. aeruginosa sowie eine signifikante Hemmung der Biofilmbildung zu beobachten. Durch die kombinierte Gabe der drei ITC wurde die Biofilmbildung als auch das Bakterienwachstum in den Biofilmen am stärksten reduziert. Schon in früheren Studien der Universität Freiburg konnte eine direkte wachstumshemmende Wirkung gegen P. aeruginosa beobachtet werden. Und wie bei den Untersuchungen der Freiburger Forscher zeigte sich auch bei der aktuellen Publikation, dass erst durch die Kombination der beiden Pflanzen und der in ihnen enthaltenen ITC (Mischungsverhältnis wie in Angocin Anti-Infekt N) eine besonders große antibakterielle Wirkung erreicht wird. Alle Isothiocyanate zeigten zudem eine signifikante Inhibition der metabolischen Aktivität in voll ausgeprägten Biofilmen. Wurden die ITC mit Meropenem, einem Breitspektrumantibiotikum aus der Gruppe der Carbapeneme, kombiniert, so ergänzte sich die antimikrobielle Wirkung gegen P. aeruginosa synergistisch.

„Aus diesem Grund könnten bei akuten unkomplizierten Infektionen der Atem- und Harnwege die Isothiocyanate aus Kapuzinerkresse und Meerrettich eine interessante Therapiealternative darstellen“, so Günther. ITC zählen heute zu den am besten untersuchten Pflanzenstoffen. Sie haben den Vorteil, dass sie nicht nur antibakteriell sondern auch antiviral und antiphlogistisch wirken, wie verschiedene In-vitro-Untersuchungen belegen. „Der Einsatz der Pflanzenstoffe bei diesen Indikationen kann zudem einen Beitrag leisten, um das Resistenzproblem zu entschärfen und hocheffektive Antibiotika für potentiell lebensbedrohliche Erkrankungen aufzusparen“, resümiert Günther. In diesem Sinne wird in der 2017 aktualisierten S3-Leitlinie zur Therapie von unkomplizierten Harnwegsinfektionen der Einsatz von Kapuzinerkresse und Meerrettich als phytotherapeutische Option bei häufig rezidivierender Zystitis befürwortet.

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