Deep Learning am HDZ NRW: Forschung für die Herzdiagnostik
27.05.2025 - Mit einem eigenen KI-Forschungsbereich entwickelt das Institut für Radiologie, Nuklearmedizin und Molekulare Bildgebung am Herz- und Diabeteszentrum NRW (HDZ NRW), Bad Oeynhausen, jetzt Verbesserungen für die bildgebende Diagnostik, von denen Herzpatienten künftig profitieren können.
Eine deutschlandweite Studie soll dieses Jahr belastbare Ergebnisse liefern.
„In die bildgebende Herzdiagnostik haben KI-Prozesse längst Einzug gehalten“, sagt Institutsdirektor Prof. Dr. Wolfgang Burchert. „In den letzten 20 bis 30 Jahren hat die rasante Entwicklung in der digitalen Datenverarbeitung die Rechenleistung und Genauigkeit von Bildanalysen bei Computer- und Magnetresonanztomographien (CT, MRT) stetig verbessert.“ Herz- und lungenkranken Patientinnen und Patienten steht am HDZ NRW modernste bildgebende Diagnostik zur Verfügung. Und auch die Strahlenbelastung könne mit der hochmodernen Ausstattung so gering wie möglich gehalten werden – zum Beispiel auch bei Röntgen- und Thoraxaufnahmen.
Weil es dabei ein großes Anliegen sei, die Medizintechnik nicht nur auf dem neuesten Stand zu halten, sondern die Anwendungen zukünftig auch für spezifische Fragestellungen der Bildgebung aus dem Klinikalltag patientenorientiert selbst mitzuentwickeln, arbeitet der Datenwissenschaftler (Data Scientist) Dr. Tamino Huxohl seit zwei Jahren an eigenen Forschungsprojekten im Institut. Seine Aufgabe ist es, Probleme zu identifizieren und zu untersuchen, die aufgrund des immensen Schatzes an Bilddaten im HDZ NRW mit KI lösbar sind, um die Qualität der bildgebenden Diagnostik weiter zu verbessern.
Von Big Data zu Smart Data
Dr. Huxohl beschäftigt sich derzeit mit Automatisierungsprozessen bei der SPECT-Diagnostik (SPECT = single photon emission computed tomography). Mit diesem nuklearmedizinischen Verfahren werden mit Einsatz einer sogenannten Gamma-Kamera Schnittbilder der Durchblutung des Herzmuskels erstellt. Für die Herzspezialisten sind diese Aufnahmen zur Beurteilung der Herzfunktion und Durchblutung des Herzens bei koronaren Herzerkrankungen (KHK) und deren Verlaufsuntersuchungen von besonderer Bedeutung.
Das Problem: Störungen in der medizinischen Bildgebung - Absorptionsartefakte, die durch das Gewebe des Patienten verursacht werden - verfälschen das Durchblutungssignal. Das kann eine schlechtere diagnostische Genauigkeit bedeuten. Bei modernen diagnostischen Geräten (SPECT/CT) können diese Artefakte mit einem zusätzlichen CT korrigiert werden, so Huxohl. „Unsere Frage lautete: Kann eine solche Schwächungskorrektur auch mittels Künstlicher Intelligenz vorgenommen und damit eine CT ersetzt werden?“
Erste Anhaltspunkte darauf, dass dies tatsächlich möglich ist, ergeben sich aus einer monozentrischen Studie, die Dr. Huxohl anhand von 150 Datensätzen innerhalb von drei Monaten durchführte. Die Ergebnisse waren so vielversprechend, dass das Forschungsvorhaben auf inzwischen elf nuklearmedizinische Universitätskliniken deutschlandweit vergrößert worden ist. Die gemeinsame multizentrische Studie unter seiner Federführung soll noch in diesem Jahr veröffentlicht werden.
Die Wissenschaftler nutzen dabei einen Teilbereich der KI, das maschinelle Lernen oder Deep Learning, dass es Computern ermöglicht, aus eingegebenen Daten und Mustern zu lernen. In der radiologischen Beurteilung werden Deep Learning Algorithmen bereits genutzt, um nach ähnlichen Fällen zu suchen und damit schneller zu einer Differentialdiagnose zu gelangen. Die Anwendung basiert auf dem Prinzip künstlicher neuronaler Netzwerke, dafür wurde der diesjährige Nobelpreis für Physik vergeben.
„Richtig konfigurierte künstliche neuronale Netze sind erstaunlich gut darin, Computertomographien für die Schwächungskorrektur, basierend auf SPECT Bildern, zu schätzen“, erläutert Huxohl. Seine Studie zeigt, dass die auf diese Weise künstlich generierte Aufnahme eine gleichwertige Bildqualität und Korrektur der Artefakte erreichen kann. Falsch positive Befunde könnten damit voraussichtlich um bis zu 15 Prozent reduziert werden.
KI-Potential für bessere Patientenversorgung
„Für die Herzmuskelszintigraphie, die etwa 280.000 Mal in Deutschland bei Patienten mit chronischer KHK durchgeführt wird, bedeutet eine solche Qualitätsverbesserung schon eine kleine Revolution“, wagt Prof. Burchert eine Prognose zu den zukünftigen technologischen Möglichkeiten für die Bildgebung. „Möglicherweise können wir mit diesen Erkenntnissen auch dazu beitragen, eine starke Verbesserung für die breite klinische Anwendung zu entwickeln, auch wenn es bis dahin noch ein weiter Weg ist.“ Nicht zuletzt eröffnen Deep Learning Modelle auch neue Fort- und Weiterbildungsmöglichkeiten für den medizinischen Nachwuchs. „Schlussendlich aber profitieren vor allem unsere Patienten von dem Qualitätsschub in der Diagnostik.“