Bauen, Einrichten & Versorgen

„Es lohnt sich, über den Tellerrand zu schauen!“

01.10.2020 - Strategien der Speiseversorgung im Krankenhaus

Ernährung gewinnt gesellschaftlich eine immer größere Bedeutung – Kochbücher und -sendungen wie auch das Foto vom frisch angerichteten Lieblingsessen auf dem Teller in den sozialen Medien stehen hoch im Kurs. Auch Krankenhausbetreiber müssen sich der Herausforderungen stellen, steigende Anforderungen und deren Kosten miteinander zu vereinbaren – gleichwohl gutes Essen einen attraktiven Mehrwert im Sinne der Patienten- und Mitarbeiterbindung bedeutet. Über Strategien in der Speiseversorgung sowie für die Planung und den Betrieb von Krankenhausküchen sprach Insa Schrader mit Andreas Giel. Er ist Inhaber eines Beratungs- und Planungsunternehmens für Systemküchen, das er in zweiter Generation in Ludwigsburg führt.

M&K: Welche Strategien beobachten Sie aktuell in der Speiseversorgung im Krankenhaus?

Andreas Giel: Interessanterweise sind das zwei gegenläufige Trends: Zum einen haben wir viele Häuser, die eine Zentralisierung anstreben: Mehrere Kliniken haben sich zu einer Klinikholding zusammengeschlossenen. Vor diesem Hintergrund schließen sie sich auch mit einer Zentralküche – auf der grünen Wiese – zusammen. Der Kostendruck gerade für Häuser der Akutversorgung ist nicht zuletzt auch den hohen Anforderungen in der Hygiene geschuldet, sie muss in standardisierten Prozessen und flächendeckend eingehalten werden. Da ist die Zentralküche ideal: Hier haben wir die Sicherheit im Prozess praktisch eingebaut: Beim Cook- and Chill-System habe ich hier alles unter Kontrolle – also entgegen den sprichwörtlichen vielen Köchen, die den Brei verderben. Apropos: Der Fachkräfte- bzw. Personalmangel ist nicht zuletzt eines der Hauptargumente für die Zentralversorgung bei der Speiseversorgung. Die Zentralküche ist eine sichere Sache im Hinblick auf Kosteneffizienz.

Zum anderen geht es entgegengesetzt zur zentralen Lösung für Häuser mit Fokus auf Wahlleistungspatienten hin zur dezentralen Lösung: Statt Einheitsbrei aus der Großküche, steht hier der Service und Restaurantcharakter im Fokus. Wer sich für die Stationslösung entscheidet, verfolgt die Strategie, Qualitätsführer zu werden. Neben der medizinischen Versorgung geht es dabei um den „Service am Patienten“: Noch eine halbe Stunde vor dem Essen bekommt hier der Patient von einer Serviceassistentin persönlich eine Speisekarte überreicht: Der Patient fühlt sich hier als Gast gesehen und ganz anders aufgehoben – für das Wohlbefinden unschlagbar! Die Nachteile: Hohe Personalkosten für den Service und für die Zubereitung – wenn auch hier mit einem hohen Vorfertigungsgrad gearbeitet wird.

Das klingt aufwendig. Wie hoch ist der Mehraufwand im Gegensatz zur Zentralküche?

Giel: Das ist schwierig zu beurteilen. Man muss das für jedes Haus individuell berechnen. In der Großküche wird nicht selten Essen produziert, das dann gar nicht abgerufen wird – etwa, wenn der Patient schon entlassen worden ist. Das ist der Vorteil bei der dezentralen Lösung. Es ist aber mit Sicherheit rund 25 % teurer hinsichtlich Personaleinsatz.

Ist die Patientenzufriedenheit wirklich so viel wert?

Giel: In jedem Fall! Inzwischen haben wir hier solide Daten, sie ist definitiv messbar. Gutes Essen, guter Service trägt hier signifikant zu einem attraktiven Gesamtergebnis des Klinikaufenthalts bei. Krankenhäuser erleben schon längst einem Wettbewerb – Qualität spricht sich herum! In meiner Nebentätigkeit bin ich Rettungssanitäter und stelle ich immer wieder fest, dass Patienten sehr wohl wissen, dass sie eine Wahl haben, sich in ein bestimmtes Haus einweisen zu lassen.

Schauen wir nun auch nochmal auf die Mitarbeiterseite. Sie hatten eben schon das Thema Personalmangel angesprochen. Stellt sich seitens der Speiseversorgung für Mitarbeiter auch das Thema für Krankenhausbetreiber?

Giel: Absolut, zum einen geht es um die Attraktivität des Essens. Alle vier bis sechs Wochen wiederholt sich ja etwa der Speiseplan – für Mitarbeiter heißt das, es werden saisonale, frische Highlights ergänzt. Zum anderen geht es auch darum, dem Schichtbetrieb gerecht zu werden und rund um die Uhr frisches, also auch warmes, Essen anzubieten.

Kommen wir auf Ihre planerischen Empfehlungen für beide Strategien.

Giel: Angesichts des Personalmangels und der Altersentwicklung der Belegschaft spielen bei beiden Strategien Fragen der Ergonomie eine zunehmende Rolle: Prävention und Unternehmensbindung heißen hier die Stichworte: Höhenverstellbare Arbeitsplätze tragen unterschiedlichen Körpergrößen Rechnung, höhenverstellbare Griffe an Wagen unterstützen den Rücken beim Laufen. Hebehilfen und Stehhilfen schonen die Gelenke. Nicht zuletzt werden auch hier immer mehr Geräte ganz einfach über Sensoren bedient, was körperschonendes Arbeiten unterstützt. Wir bauen auch häufig eine Fußbodenheizung etwa im Bereich der Speiseverteilung ein, das steigert die Zufriedenheit der Mitarbeiter.

Wie wirken sich die beiden von Ihnen beschriebenen Trends nun räumlich aus?

Giel: Eine Großküche, die vor 30 Jahren gebaut wurde, hat für heutige Anforderungen zu große Produktions- und zu kleine Lagerbereiche. Im Bestand müssen wir die Bereiche also aus- bzw. kompakter bauen. Bei der dezentralen Lösung auf Station wird es im Bestand mitunter schwierig – wir brauchen ja den Platz, und der ist rar im Krankenhaus. Das geht dann oft nur, wenn wir Raum umwidmen – also zu Lasten der Teeküche, eines Pflegebades oder wenn es hoch kommt eines Patientenzimmers. Gerade letztere Idee kommt bei der Klinikverwaltung nicht immer gut an. Dazu kommt, wir müssen oft erst einmal die technischen Voraussetzungen für die Küchennutzung schaffen.

Aber das ist es ja, was das Thema Speiseversorgung im Krankenhaus für mich so spannend macht: Klare Strukturen schaffen, die die Prozessabläufe optimieren, so dass ein Zahnrad ins nächste greift. Ich bin sehr technikaffin, insofern versuchen wir uns Anregungen aus anderen Bereichen zu holen und für die Großküche zu adaptieren. Unser Ziel ist es, Innovationsführer zu sein. Dabei lohnt es sich, über den Tellerrand schauen: Beispielsweise haben wir eine UVC-Desinfektionsanlage, die ursprünglich für Wäschewagen gedacht ist, so umfunktioniert, dass hier schnell viele Behälter in der Großküche desinfiziert werden können.

Autorin: Insa Schrader, Berlin

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