Wie ein Krankenhaus kindgerecht(er) werden kann
13.05.2025 - Äffchen Manchu nimmt Kindern am Uniklinikum Jena als Hörspiel und Comic Angst vor Operationen.
Wie unterstützt eine kindgerechte Hypnose-Audio-Intervention dabei, Kinder und ihre Eltern vor Operationen aufzuklären? Das untersuchte ein interdisziplinäres Team des Universitätsklinikums Jena (UKJ) in einer im Fachjournal „Health Science Reports“ veröffentlichten DFG-geförderten Studie. Im Ergebnis zeigte sich, dass die Hypnose-Audio-Intervention zusätzlich zum Comic und der medikamentösen Sedierung die Angst der Kinder vor der Entfernung der Polypen oder Gaumenmandeln nicht noch weiter reduziert hat.
Fremde Menschen in weißen Kitteln, unbekannte Geräusche und der Geruch nach Desinfektionsmittel: Für viele Kinder ist ein Krankenhaus ein unbekannter Ort – der verunsichern kann. Besonders operative Eingriffe wie die Entfernung der Polypen oder der Gaumenmandeln – die häufigsten Operationen im Kindesalter – lösen bei jungen Patient*innen Angst aus. Solche Ängste können die Beschwerden nach dem Eingriff nachweislich verstärken. Deshalb untersuchten Expert*innen des Instituts für Psychosoziale Medizin, Psychotherapie und Psychoonkologie, der Klinik für Anästhesiologie und Intensivmedizin sowie der Klinik für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde am Universitätsklinikum Jena (UKJ) den Einfluss einer Hypnose-Audio-Intervention auf das Wohlbefinden, die Angst vor und während dieser Operationen sowie die Schmerzen danach. Grundlage der Intervention war ein in einer früheren Studie entwickelter Comic, der Kindern in altersgerechter Sprache und mit der Figur des Äffchens Manchu die Abläufe rund um die Narkose erklärt. In der aktuellen Studie wurde dieser Comic durch eine zusätzlich eingesprochene Hypnose-Audio-Intervention ergänzt, in der die Operation als Reise ins Weltall beschrieben wird. In die Studie eingeschlossen wurden insgesamt 64 Kinder im Alter von drei bis sechs Jahren, die abgesehen von den vergrößerten Polypen oder Gaumenmandeln gesund waren.
Wohlbefinden, Ängste und Schmerzen im Fokus
„Mit der Hypnose-Audio-Intervention möchten wir die Abläufe kindgerecht erklären und die Bewertung des Eingriffs positiv beeinflussen“, so Hypnose-Forscherin Priv.-Doz. Dr. Barbara Schmidt. Deshalb hörten die Kinder bei der akustischen Entdeckungstour zum Traumplaneten Begriffe wie Traumrakete statt Patientenbett, Raketenstarthelfer statt Pflegepersonal oder Traummilch statt Medikament. „Dadurch sollen die Kinder und ihre Eltern die Operation als ein aufregendes Abenteuer wahrnehmen“, erklärt Barbara Schmidt. 34 Kinder bereiteten sich mit der Hypnose-Audio-Intervention zusätzlich zum Comic auf die Operation vor, während 30 Kinder in der Kontrollgruppe ausschließlich den Comic im Rahmen der Aufklärung am Tag vor dem Eingriff erhielten.
Zu verschiedenen Zeitpunkten wurde das subjektive Wohlbefinden der Kinder, die Ängste der Kinder und ihrer Eltern und die Schmerzen der Kinder mittels standardisierter Verfahren selbst oder fremd beurteilt:
- Subjektives Wohlbefinden der Kinder am Tag vor der Operation: Selbsteinschätzung mit Gesichterskala (Subjective Units of Distress, SUD)
- Subjektives Wohlbefinden der Kinder nach der Operation: Selbsteinschätzung mit Gesichterskala (Subjective Units of Distress, SUD)
- Ängste der Eltern vor der Operation: Selbsteinschätzung mit Fragebogen am Tag der OP (State-Trait-Anxiety Inventory, STAI‐State)
- Ängste der Kinder während der Operation: Fremdeinschätzung durch Mediziner in Schleuse und beim Aufsetzen der Narkose-Maske (modifizierten Version der Yale Preoperative Anxiety Scale, mYPAS‐SF)
- Schmerzen der Kinder nach der Operation: Selbsteinschätzung der Kinder durch Ankreuzen einer Gesichterskala bei Anruf am Tag nach der Operation (QUIPS‐infant)
Positiver Einfluss auf Kinder und Eltern
Im Ergebnis zeigte sich, dass alle Kinder vor und nach dem Eingriff wenig Angst und Unbehagen gespürt haben – unabhängig davon, ob sie mit dem Comic oder der Kombination aus Comic und Hypnose-Audio-Intervention aufgeklärt wurden. „Erstaunlicherweise zeigten die Kinder vor der OP sogar weniger Angst als ihre Eltern“, so die Hypnose-Forscherin. Die Schmerzen nach dem Eingriff lagen sowohl bei den Kindern der Kontroll- als auch der Experimentalgruppe im mittleren Bereich.
„Einige Kinder und ihre Eltern berichteten, dass sie sich durch die Geschichte sogar auf die Operation gefreut haben“, so Priv.-Doz. Dr. Katharina Geißler, Oberärztin der Jenaer HNO-Klinik. Deshalb kommt die Kombination aus Comic und Hypnose-Audio-Intervention nun standardmäßig bei allen operativen Eingriffen bei Kindern und Jugendlichen am UKJ zum Einsatz. Die Materialien erhalten die jungen Patient*innen im Vergleich zur Studie nun in der Regel mehrere Tage vor dem geplanten Eingriff.
In künftigen Studien könnte untersucht werden, ob die Kombination aus Comic und Hypnose-Audio-Intervention bei anderen Patientengruppen größere Wirkung zeigt – etwa bei Kindern, die aufgrund von Vorerkrankungen bereits Erfahrungen mit medizinischen Eingriffen haben, oder bei Eingriffen mit geringerer oder ganz ohne begleitende medikamentöse Sedierung. Außerdem seien auch die Langzeiteffekte von Comic und Hypnose-Audio-Intervention, das heißt der Einfluss der Materialien auf künftige medizinische Eingriffe, ein interessantes Forschungsfeld, sind sich die Initiatorinnen des Comics, Oberärztin Dr. Claudia Thomas und Fachärztin Dr. Anne Schirrmeister von der Klinik für Anästhesiologie und Intensivmedizin am UKJ, sicher. „Es gibt immer noch Verbesserungspotenzial. Aber mit Studien wie dieser kommen wir unserem Ziel, ein noch kinderfreundlicheres Krankenhaus zu werden, Stück für Stück näher“, weiß Claudia Thomas.