KI-trainierter Ultraschall gegen Endometriose
03.07.2025 - FAU-Forscherinnen wollen die Diagnose und Behandlung des „Chamäleons“ unter den Frauenkrankheiten verbessern.
Endometriose ist eine gynäkologische Erkrankung, die weitgehend unbekannt ist, obwohl unter ihr deutschlandweit geschätzt jede 10. bis 15. Frau im gebärfähigen Alter leidet. Ein multidisziplinäres Team von Wissenschaftlerinnen an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU) und dem Universitätsklinikum Erlangen erforscht die Diagnose- und Behandlungsmöglichkeiten der Frauenkrankheit mit einer Drei-Millionen-Euro-Förderung des Bayerischen Staatsministeriums für Gesundheit, Pflege und Prävention.
Endometriose ist eine chronische, hormonabhängige Erkrankung, die aufgrund ihrer unterschiedlichen phänotypischen Erscheinung auch als eine Chamäleon-Krankheit bezeichnet wird. Sie macht sich meistens durch starke Schmerzen im Unterbauch während der Periode bemerkbar. Bei Endometriose wächst Gewebe, das der Gebärmutterschleimhaut ähnelt, an Stellen außerhalb der Gebärmutterschleimhaut an verschiedenen Stellen im Körper, bevorzugt im kleinen Becken und kann zu funktionellen Störungen beim Stuhlgang und Wasserlassen führen. Mit der Krankheit einher gehen etwa auch Unfruchtbarkeit sowie Angststörungen und Depressionen. Die Dunkelziffer der Endometriose-Fälle ist aufgrund der vielen verschiedenen Symptome hoch.
Ein 3-D-Patientinnenmodell schaffen
Ziel der neuen Studie ist die Verbesserung der nicht-invasiven Diagnostik und die Unterstützung zur effektiven Behandlung von Patientinnen mit Endometriose. Die Neuheit des Forschungsansatzes liegt darin, verschiedene bildgebende Verfahren wie Ultraschall und MRT durch Methoden der KI in ein ganzheitliches 3D-Patientinnenmodell zu überführen, das durch weitere operative und postoperative Daten vervollständigt wird. Schließlich soll ausgewertet werden, ob sich dadurch die Situation für die Patientinnen, aber auch für die Kliniken verbessert.
Fünf Wissenschaftlerinnen der FAU und des Universitätsklinikums Erlangen sowie zwei Partnerinnen der Universität Würzburg und der Technischen Universität München haben sich in dem Projekt EndoKI (Endometriose und künstliche Intelligenz) zusammengeschlossen, um „von Frauen für Frauen“ die Krankheit interdisziplinär zu erforschen. Das auf drei Jahre angelegte Projekt wird im Rahmen der digitalen und innovativen Gesundheits- und Pflegeprojekte (BayDiGuP) und des Themenfeldes Frauengesundheit und künstliche Intelligenz gefördert.
Bisher im Durchschnitt acht Jahre bis zur Diagnose
Für Prof. Dr. Franziska Mathis-Ullrich, Professorin für Chirurgische Robotik am Department Artificial Intelligence in Biomedical Engineering und Sprecherin des Projekts, ist es wichtig, „bei Frauen, aber auch in der Gesellschaft ein Bewusstsein für diese unbekannte und oft unerkannte Krankheit zu schaffen, von der so viele betroffen sind.“ Die sieben Wissenschaftlerinnen kommen aus den Bereichen KI, Medizintechnik, Informatik, Frauenheilkunde und den Gender Studies. „Wir wollen gezielt Daten von mindestens 300 Patientinnen sammeln und herausfinden, wie die Diagnose früher und standardisierter mittels Bildgebung gestellt werden kann, um so Schmerzchronifizierungen zu vermeiden“, sagt Mathis-Ullrich. Denn aufgrund des nicht einheitlichen Krankheitsbildes dauert es Studien zufolge im Durchschnitt acht Jahre, bis eine Endometriose überhaupt diagnostiziert wird. Oftmals wird die Krankheit erst bei einem endoskopischen Eingriff entdeckt. Behandelt wird sie durch die Gabe von Schmerzmitteln, Hormontherapien oder Operationen.
„Die gesammelten Daten sollen auch dazu dienen, die Anzahl von Operationen zu reduzieren,“ erklärt Mathis-Ullrich. Allein knapp 100 Millionen Euro pro Jahr kosten Operationen im Zusammenhang mit Endometriose. Hier besteht ein Einsparpotenzial von 20 Millionen Euro pro Jahr. „Ideal wäre es für Patientinnen, wenn endoskopische Eingriffe nicht nur zur Diagnostik eingesetzt würden, sondern im selben Schritt auch zur kompletten Entfernung des erkrankten Gewebes“, erklärt Mathis-Ullrich. Bislang sind manchmal mehrere Eingriffe nötig. EndoKI soll eine schnellere und präzisere Diagnose ermöglichen. „Durch eine genauere präoperative Erkennung von Endometriose-Herden könnten erneute Eingriffe vermieden werden. Davon profitieren vor allem die Patientinnen, denn jeder Eingriff ist mit einem gewissen Risiko verbunden“, weiß die Wissenschaftlerin.
Datenbank soll entstehen
Langfristig soll eine pseudonomisierte Datenbank entstehen, in der unter anderem MRT-Datensätze sowie histopathologische Informationen zur Verfügung stehen, um KI-Modelle zu trainieren; die Daten sollen auch als Grundlage für weitere Forschungen dienen. Zum verbesserten Verständnis des Diagnose- und Behandlungsprozesses ist ebenfalls eine qualitativ-ethnografische Teilstudie geplant, innerhalb derer Gynäkolog/-innen, Patientinnen und Forschende interviewt und ihre Perspektiven und Bedürfnisse eruiert werden. Aus diesen Erkenntnissen sollen Handlungsempfehlungen in Leitlinien für die Diagnostik und Therapie der Endometriose entstehen – im Idealfall auch für UN-Organisationen wie die WHO.
„Wir wollen durch unsere Studie auch den Blick der Mediziner/-innen für die Krankheit schärfen.“ Überhaupt sei das Anliegen des Projektes keinesfalls, dass die Erkenntnisse in der wissenschaftlichen Community „hängenbleiben“, sondern dass auch eine Öffentlichkeit für Frauengesundheit geschaffen werde. So sei für 2028 eine Konferenz zum Thema Endometriose an der FAU und Universitätsklinikum geplant – für Mediziner/-innen, Forschende und Betroffene. „Ich habe selten erlebt, dass ein Projekt, an dem Wissenschaftlerinnen so unterschiedlicher Fachbereiche beteiligt sind, so hochmotiviert begonnen wurde. Unser Forscherinnenherz hängt daran“, sagt Mathis-Ullrich.