Bauen, Einrichten & Versorgen

Visuelle Barrierefreiheit - Farbgestaltung für Demenzkranke

Die Kontrastformel als Unterstützung bei der Farbauswahl

19.03.2014 -

Demenzkranke sind im späten Stadium ihrer Krankheit nicht mehr in der Lage, ihr Leben eigen­ständig zu führen, und müssen in eine Pflegeeinrichtung umziehen. Doch meist können Personen mit leichten kognitiven Einschränkungen (leichter Demenz) noch eine ganze Weile gut in ihren Wohnungen zurechtkommen, wenn ihre Umwelt ihnen angemessene Unterstützung bietet.

Mietwohnungen speziell der Wohnungswirtschaft und auch institutionelle Wohnformen sollten daher so geplant und gestaltet werden, dass auch Menschen im hohen Alter sich gut allein zurechtfinden können. So stellt sich die Frage: Welchen Beitrag können Fachhandwerk und Innenraumgestalter für eine solche lebenswerte Wohnumgebung leisten?

Menschen mit Demenz leiden prozentual stärker an Sehbehinderungen als Menschen mit normalen Alterseinschränkungen - dem lässt sich insbesondere mit der Farbgestaltung begegnen. Wird diese Farbgestaltung für einen Raum entwickelt, ist es ratsam, die verwendeten Kontraste im Voraus zu planen. Werden beispielsweise Wände, Decke und Innenausbau in elegantem Weiß gehalten und der Bodenbelag schimmert in einem dezenten Sandton, kann das für Menschen mit normaler Sehfähigkeit beeindruckend puristisch und überzeugend stilsicher wirken. Für Menschen mit Sehbehinderung jedoch wird ein solcher Raum der reine Horror sein. Sie sehen eine undefinierte helle Masse, weil sie die einzelnen Raumelemente nicht voneinander unterscheiden können. Sehbehinderte können ihre Umgebung vor allem über erhöhte Helligkeitskontraste wahrnehmen. Boden, Wände, Türen und Mobiliar sollten möglichst erkennbar und vom Umfeld differenzierbar sein. An dieser Stelle soll der Begriff der visuellen Barrierefreiheit eingeführt werden.

Visuelle Barrierefreiheit

Visuelle Barrierefreiheit beschreibt die sehbehindertengerechte Gestaltung der Umwelt. Im Dezember 2009 wurde die bekannte DIN 18040 für barrierefreies Planen und Bauen durch die DIN 32975 für visuelle Barrierefreiheit sinnvoll ergänzt. Die neue DIN-Norm regelt die Gestaltung visueller Informationen im öffentlichen Raum.

Sehbehindertengerechte Gestaltung bedeutet, dass die Umgebung durch höhere Helligkeitskontraste an relevanten Raummerkmalen für eine verbesserte Wahrnehmbarkeit angepasst wird. Visuelle Barrierefreiheit unterscheidet dabei zwischen drei Anwendungsfeldern: Warnung vor Gefahren, Entscheidungshilfen und Leitfunktionen. Das bedeutet, dass sie vor allem im öffentlichen Raum sowie bei Gebäudezugängen, Leitsystemen und Bodenmarkierungen zum Einsatz kommt. Die DIN formuliert zwei Kontrastwerte, einen höheren für Schrift- und Bildzeichen und einen geringeren für Leit- und Orientierungssysteme. An dieser Stelle wird nur auf die geringeren Kontraste für Leitsysteme und räumliche Kennzeichnungen eingegangen.

Helligkeitskontraste berechnen

Helligkeitskontraste, genauer gesagt Leuchtdichtekontraste, lassen sich mithilfe der Michelson-Formel berechnen. Die Formel bezieht sich auf den Kontrast gleicher Oberflächen bei gleicher Lichteinstrahlung. Diese Angabe zeigt schon, dass die Umsetzung in der Praxis nicht einfach sein kann, da Lichteinfall und Verschattung in einer Raumstruktur ständig differieren. Dennoch kann es lohnen, die Kontrastformel in einer vereinfachten Form als „Faustformel" anzuwenden, um bewusster mit dem Einsatz von Helligkeitskontrasten umzugehen. Gewünschte Kontrasthöhen können mit den Hellbezugswerten von Farbtönen ermittelt werden.

Die in der DIN geforderten Kontrasthöhen lassen sich nicht 1:1 auf Wandflächen übertragen. Dennoch kann der Einsatz der „Faustformel" hilfreich sein, um Kontraste zu prüfen und sicherzugehen, dass einzelne Raumelemente wie etwa Stützen im Innenraum für Sehbehinderte wahrnehmbar sind. Dabei sollten die ausgewählten Farbtöne immer mit Musterflächen vor Ort auf die jeweilige Lichtsituation abgestimmt werden.

Visuelle Barrierefreiheit wird im öffentlichen Raum, bei Neubauten und Sanierungen verstärkt gefordert. Neben den Warn-, Leit- und Orientierungsfunktionen kann Farb- und Kontrastgestaltung so eingesetzt werden, dass Menschen mit Sehbehinderungen - und auch kognitiven Einschränkungen - sich räumlich orientieren können.

Erhöhte Helligkeitskontraste für verbesserte Raumwahrnehmung

Besonders für Menschen mit demenziellen Einschränkungen sollten die vorhandenen Raum- und Gebrauchselemente unterscheidbar sein. Was sie nicht sehen können, kann von ihnen nicht genutzt werden, es kann Angst machen - man sieht nicht, wohin man sich bewegt -, oder es kann gar zur Gefahrenquelle werden - weil Stufen beispielsweise nicht erkennbar sind, sodass der Mensch stürzt. Die räumliche Umgebung muss sich den Erkrankten „erklären", da diese das nicht mehr kognitiv leisten können.

Beruhigung oder Anregung?

Es wird oft die Frage gestellt, ob Menschen, die an einer Demenz leiden, eher Beruhigung oder Anregung brauchen. Wie jeder Mensch brauchen auch Demenzkranke beides. Hier sollte für die einzelnen Nutzungsbereiche entschieden werden, wo eher Anregung und wo Beruhigung angemessen ist. In Fluren z. B. können unterschiedliche anregende Farben zum Einsatz kommen, Gemeinschaftsbereiche sollten vor allem Ruhe ausstrahlen und dabei wenige anregende Elemente enthalten.

Interessant ist allerdings, dass Raumgestaltung auch beides gleichzeitig vermitteln kann. Ähnlich wie bei einem Aufenthalt in der Natur - der Ausblick in einen Garten oder eine Landschaft beruhigt und regt gleichermaßen an - können Materialien und Oberflächen solch eine „beruhigende Anregung" transportieren. Meist kommen hier natürliche Materialien oder natürlich anmutende Oberflächen zum Einsatz wie etwa Hölzer, Wandlasuren, Dekore und z. B. Textilien, in denen das Licht spielen kann.

Die Wirkung von Räumen hat auch besonders mit den in ihnen verwendeten Kontrasten zu tun. Im Gegensatz zu dem oben beschriebenen stilvoll-weißen Raum mit ganz geringen Kontrasten kann ein Raum, in dem vor allem hohe Kontraste zum Einsatz kommen, unruhig, hart und unangenehm wirken. Beide Varianten - geringe und hohe Kontraste - können den institutionell-klinischen Eindruck einer Pflegeeinrichtung verstärken. Wissenschaftliche Untersuchungen bestätigen, dass anregungsarme, institutionell wirkende Wohnumgebungen für Menschen mit Demenz Unsicherheit und Stress bedeuten. Wichtig ist es hier, mit mittleren Helligkeitskontrasten zu arbeiten, die Wohnlichkeit vermitteln können und die hoch genug sind, um auch funktionalen und wahrnehmungsfördernden Aspekten gerecht zu werden.

 

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