Hygiene

Tod von Säuglingen löst Debatte um Krankenhaushygiene aus (Teil 1)

Mainzer Uniklinikum massiv unter Druck

07.09.2010 -

In den letzten Wochen erzeugten die Vorfälle in der Säuglingsstation des Mainzer Uniklinikums ein beträchtliches Echo in der Öffentlichkeit. Entfacht durch den Tod dreier Säuglinge auf der Intensivstation entflammten sowohl in Gesellschaft wie auch Politik Debatten zum Thema  Krankenhaushygiene und politische Verantwortung. Die Uniklinik sah sich wegen angeblich mangelhafter Hygiene massiver Kritik ausgesetzt. Die exakte Todesursache der drei Kinder ist bislang noch immer ungeklärt.

Abläufe in der Anwendung von Nährlösungen weisen massive Mängel auf

Als am Sonntag, 22. August, die erste Meldung der Mainzer Klinik mit dem Titel „Tod zweier Kinder steht möglicherweise im Zusammenhang mit einer verunreinigten Infusionslösung" erschien, waren die Wellen, die diese Veröffentlichung schlagen würde, längst abzusehen. Schon einen Tag vorher waren zwei Säuglinge, „die aufgrund ihrer schweren Grunderkrankung bereits intensivmedizinisch betreut wurden", auf der Intensivstation verstorben. Zwei Tage später, am Montag den 23. August, starb ein weiteres Kind.

Als Grund für den Tod wurde eine mit Bakterien infizierte Infusionslösung vermutet. Alle drei verstorbenen Säuglinge mussten aufgrund von Vorerkrankungen medizinisch versorgt werden und wurden mit einer Lösung aus Kohlenhydraten, Aminosäuren, Elektrolyten, Spurenelementen, Fett, Vitaminen und einigen anderen Zusätzen gestärkt. Zusammengestellt wurde diese Lösung in der klinikumseigenen Apotheke.

Als am Freitagabend insgesamt elf Kinder mit einer solchen Lösung behandelt wurden, ging zeitgleich auch eine Probe dieser Nährlösung routinemäßig zur Untersuchung ins Labor. Die Probe wurde dem regulären Ablauf entsprechend erst Samstagmittag untersucht, obwohl die Nährlösung bereits verabreicht war. Hier scheint ein gravierender Systemfehler vorzuliegen, denn nicht nur das Unklinikum in Mainz verfährt so bei der Analyse von Nährlösungen. Die Prozedur ist in nahezu allen deutschen Kliniken gleich: Zunächst wird die Lösung zusammengestellt und der Patient wird behandelt. Erst 24 Stunden später liefert das Labor Ergebnisse über eine mögliche Verunreinigung mit Bakterien.

Bei der Analyse dieser Probe wurde eine Kontamination mit den Darmbakterien Escherichia hermanii und Enterobacter cloacae festgestellt. Die daraufhin begonnene Behandlung mit Antibiotika kam nicht für alle der elf betroffenen Kinder rechtzeitig. Drei verstarben, die anderen acht befinden sich erst seit kurzem außer Lebensgefahr.

Wie konnten Bakterien in die Nährlösung gelangen?

Da die behandelten Kinder in insgesamt drei verschiedenen Gebäudetrakten untergebracht wurden, ließen sich die Möglichkeiten einer Kontamination der Nährlösung stark eingrenzen. „Die erste ist, dass der Hersteller der Infusionslösung eine kontaminierte Lösung angeliefert hat. Das halte ich für sehr unwahrscheinlich, " sagte Klaus-Dieter Zastrow, Sprecher der Deutschen Gesellschaft für Krankenhaushygiene in einem Interview mit dem deutschlandradio. „Die zweite Möglichkeit ist in der Apotheke selber, beim Richten der Infusion".

Da der Herstellungsprozess aus mehreren einzelnen Schritten besteht, ist eine Verunreinigung wesentlich leichter möglich. Dennoch sind alle Handgriffe doppelt abgesichert. Wenn ein Mitarbeiter beispielsweise einen löchrigen Handschuh überzieht, sind seine Hände, falls er sich den Regularien entsprechend verhält, dennoch desinfiziert. Keime haben es somit schwer in der Apotheke, vorausgesetzt es werden alle Vorschriften eingehalten.

Ausgehend von der Vermutung, dass nicht alle Vorschriften eingehalten wurden, galt das Personal in der Apotheke als hauptverantwortlich für die Verunreinigung der Lösung. Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen fahrlässiger Körperverletzung und fahrlässiger Tötung gegen Unbekannt. Neuere Erkenntnisse deuten jedoch darauf hin, dass der Fehler nicht beim Personal zu suchen ist.

Defekte Flasche entlastet Mitarbeiter

Es stellte sich heraus, dass eine eigentlich als bruchsicher geltende Flasche einen Haarriss hatte, durch den Bakterien eindringen und sich vermehren konnten. Aus der hohen Anzahl an Bakterien in der mittlerweile zerbrochenen Flasche lässt sich schließen, dass der Riss schon geraume Zeit vorhanden gewesen sein muss. „Wir können derzeit nicht ausschließen, dass eine der benutzten Flaschen im Zuge der Produktion oder des Transportes einen Haarriss bekommen hat, der bis zur Endanwendung nicht erkannt wurde und möglicherweise auch nicht erkannt werden konnte" , sagte der leitende Oberstaatsanwalt Klaus-Peter Mieth.

Im Uniklinikum war man ob dieser Erkenntnis erleichtert. „Das Ergebnis entlastet vor allem unsere Mitarbeiter in der Apotheke, die seit der Entdeckung der Verkeimung und der daraufhin einsetzenden Spekulationen unter enorm hohem Druck gestanden haben", so Klinikchef Norbert Pfeiffer.

Abgeschlossen sind die Nachforschungen dennoch nicht, denn die Staatsanwaltschaft wartet noch auf einen Sachverständigen, der die zerbrochene Glasflasche näher untersucht. Zudem steht immer noch der Obduktionsbericht der drei verstorbenen Säuglinge aus, der momentan in der Rechtsmedizin Frankfurt angefertigt wird. Der Bericht wird zeigen, ob die verunreinigte Nährlösung überhaupt als Todesursache anzusehen ist, oder ob die an Immunschwäche leidenden Kinder an etwas anderem gestorben sind.

Mehr zu den Reaktionen in der Öffentlichkeit und der Politik am Mittwoch, 08. September, in Teil 2

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