Medizin & Technik

Über die Geschichte der kardiologisch-kardiochirurgischen Konferenzen: Das „Heart-Team“

19.05.2014 -

Über die Geschichte der kardiologisch-kardiochirurgischen Konferenzen (KKK) als historisches Beispiel interdisziplinärer Zusammenarbeit sprach der Kardiologe, Prof. Tassilo Bonzel, Fulda, Direktor der Medizinischen Klinik I.

Wie Bonzel in Leipzig berichtete, fand die erste KKK zum Dauerthema „Bypass-Operation oder konservative Therapie der KHK?" als interdisziplinäre Veranstaltung 1974 in Bad Oeynhausen statt. Wöchentlich fuhr man zur Medizinischen Hochschule Hannover, um dort aus „einer Kiste voller Filme" Arbeitsergebnisse zu präsentieren und diese dann streng und kritisch bewerten zu lassen.

Die nächste Station erlebte Bonzel dann 1976 in den USA, an der Syracuse University of NY. Wöchentlich ging man in ein anderes Lehrkrankenhaus oder „die Kollegen des anderen Krankenhauses kamen zu uns in die KKK". Es fand ein reger, über die eigene Klinik „hinausgreifender Austausch in der Diskussion statt". Für Bonzel war das sehr spannend und stellte auch einen „guten Marker für Qualität" dar.

Bonzel: „Den zu uns ins Kathederlabor kommenden Herzchirurgen wurden täglich Koronarbilder auf einer großen Leinwand gezeigt. In der Diskussion konnte dann sofort entschieden werden, wer operiert werden sollte. Das war dann gleich am nächsten Tag. In Deutschland gab es da noch Wartezeiten von sechs Monaten". Ähnlich war dann die Vorgehensweise 1977 an der University of Massachusetts und in Boston. Dort fand einmal pro Woche eine große KKK statt.

Bypass-Operation, Dilatation oder medikamentöse Therapie der KHK?

Später, an der Universität Freiburg, wurde die Thematik der KKK ausgedehnt. Dort musste jeder, der einen Befund erhoben hatte, „diesen auch selbst vertreten und präsentieren„. Hier wurde wöchentlich eine große Konferenz mit den Radiologen durchgeführt, die dann das Thoraxbild und ggf. auch Szintigraphie vorstellten. Die Zusammenarbeit führte, so Bonzel, „tatsächlich zu einer sehr hohen Qualität".
Seit 1988 gibt es am Klinikum Fulda wöchentlich eine Konferenz über alle Patienten, für die eine Bypass-Operation als mögliche Option anzusehen ist. Die Radiologie ist dabei schon stärker beteiligt, liefert u.a. Ergebnisse von Thoraxbild, CT, MRT und Szintigraphie.

Vom „Aussterben der Herzkonferenzen"

Wie Bonzel beklagte, fielen inzwischen viele Herzkonferenzen der Rationalisierung zum Opfer. Die Gründe seien leicht zu erfassen: „Große Therapieerfolge der PTCA, unkritische Technikgläubigkeit vieler Kardiologen, hohe PTCA-Zahlen und unkritische Akzeptanz der evidenzbasierten Medizin". Auch der Druck des Krankenhausmanagements habe die Zahl der Eingriffe hochgetrieben, während das Personal reduziert wurde.

Bonzel zitierte Leistungszahlen aus 2008, die 2010 in „Der Kardiologe 6" publiziert worden waren:

Wurden 1990 noch gut 32.000 PTCAs oder PCIs durchgeführt, waren es 2008 bereits über 300.000. Die Masse der Untersuchungen, so vermutet Bonzel, „unterdrückte eher die Zahl der Konferenzen".

2007 erfolgte ein Update der ACC/AHA/SCAI-Leitlinie aus 2005 für „Percutaneous Coronary Intervention". Bonzel zitierte Spencer B King, einen der profiliertesten Kardiologen in den USA, der 2008 seine Kritik an der evidenzbasierten Medizin so formulierte: „Many important clinical questions adressed in guidelines do not lend themselves to clinical trials". Bonzel: „Wir brauchen also ein anderes Werkzeug - zum Beispiel Konferenzen!".

In der „Leitlinie perkutane Koronarinterventionen (PCI)" der DGK wurde unter seiner Federführung zwar die strukturierte Kooperation von Kardiologie und Kardiochirurgie angenommen, aber, so Bonzel, „die Heart Team Konferenz als Empfehlung von der klinischen Kommission noch abgelehnt". Aber zwei Jahre später, in den Europäischen Leitlinien von ESC und EACTS 2010, wurde dann als Empfehlung festgestellt: „The appropriate revascularisation strategy in MVD (Mehrgefäßerkrankung) should be discussed in the Heart Team"[1].

Ein Drittel der Patienten mit der Erstdiagnose KHK werden in Fulda, so Bonzel, einer Konferenzentscheidung zugeführt. Prinzipielle Ausrichtung: „Jeder Patient, für den eine Bypass-Operation vorstellbar ist, sollte die OP erhalten".

HEART TEAM Konferenzen heute

Bonzel fasste seine Ausführungen so zusammen: „Herzkonferenzen haben - wie andere Konsilien - eine lange Tradition. Die strukturierte gemeinsame Konferenz ist notwendiger Teil der Behandlung. Heart Team Konferenzen sind jetzt in kardiologischen Leitlinien vorgeschrieben.

In der Fuldaer PCI-Studie haben wir festgestellt: Nach Heart Team Entscheidungen ist - als Qualitätsmarker der Konferenz - die Zahl späterer Bypass-Operationen niedrig".


Quelle:

6. Deutsche Kardiodiagnostik-Tage 2014 in Leipzig. Honorary Lecture, 21. Februar 2014.

 

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