Bioinformatiker der Universität Jena erhält ERC Advanced Grant
31.07.2025 - Für das Forschungsvorhaben „BindingShadows“ erhält der Jenaer Bioinformatiker Prof. Dr. Sebastian Böcker für die kommenden fünf Jahre rund drei Millionen Euro, von denen 500.000 Euro für neue Rechentechnik vorgesehen sind.
Metabolite sind Moleküle, die als Zwischen- oder Endprodukte beim Stoffwechsel eines Organismus entstehen. Besonders in Pilzen und Pflanzen zeichnen sie sich durch eine enorme strukturelle Vielfalt aus, was ein erhebliches Potenzial für die Entdeckung neuer Wirkstoffe bietet. Die Suche nach geeigneten Wirkstoffen unter tausenden Metaboliten einer einzelnen Spezies kann jedoch viele Jahre dauern. Um diesen Prozess zu beschleunigen, entwickelt Prof. Dr. Sebastian Böcker von der Friedrich-Schiller-Universität Jena Methoden der Künstlichen Intelligenz und des maschinellen Lernens, um vorherzusagen, ob ein unbekanntes kleines Molekül bioaktive Eigenschaften aufweist.
„Ich gratuliere Professor Sebastian Böcker sehr herzlich zur Auszeichnung mit einem ERC Advanced Grant“, sagt Prof. Dr. Thomas Pertsch, Vizepräsident für Forschung und Innovation der Friedrich-Schiller-Universität Jena. „Dieser bedeutende Erfolg steht exemplarisch für die wissenschaftliche Exzellenz der Universität Jena. Er zeigt, wie international sichtbare Spitzenforschung in der Bioinformatik dazu beitragen kann, mit Hilfe Künstlicher Intelligenz neue bioaktive Moleküle zu identifizieren – ein entscheidender Schritt auf dem Weg zu zukünftigen Wirkstoffen.“
Um in einer Probe enthaltene Metabolite zu identifizieren, werden sie meist mittels Massenspektrometrie analysiert. Tandem-Massenspektrometrie fragmentiert ein Molekül in seine Bestandteile, aus deren Massen sich dann Informationen zur Molekülstruktur ableiten lassen. Durch Vergleichsspektren lassen sich so einzelne Moleküle strukturell aufklären. „Mit unserer neuen Methode zielen wir allerdings gar nicht darauf ab, die Metabolite eindeutig zu identifizieren. Viele der Strukturen sind der Menschheit noch völlig unbekannt“, erklärt Sebastian Böcker. „Uns interessiert, ob sie Bioaktivität aufweisen und beispielsweise Bakterien oder Pilze töten oder vielleicht sogar Krebszellen bekämpfen können. Wir filtern also Strukturen heraus, bei denen es sich lohnt, sie genauer unter die Lupe zu nehmen.“
Neue Repräsentation der Strukturen kombiniert mit molekularem Fingerabdruck
Das Team von Prof. Böcker wird dazu auch Spektren einer neuentwickelten Fragmentierungsmethode analysieren, um mehr Information über das Molekül zu erhalten. „Zunächst wollen wir aber eine neue Repräsentation – also eine neue Darstellungsform – von Molekülstrukturen finden, die mehr Informationen enthält und die für Machine-Learning-Modelle verständlich ist“, erklärt der Bioinformatiker der Universität Jena. „Das kombinieren wir mit dem molekularen Fingerabdruck, den wir mit Hilfe der von uns vor zehn Jahren entwickelten Molekül-Suchmaschine CSI:FingerID vorhersagen.“ All diese Informationen ermöglichen schließlich eine Vorhersage verschiedener Bioaktivitäten. Das geschieht im Prinzip ähnlich zur Vorhersage von Stoffklassen von kleinen Molekülen; die resultierende Methode CANOPUS konnten Sebastian Böcker und sein Team 2021 im renommierten Fachjournal „Nature Biotechnology“ publizieren.
Neue Wirkstoffe und neue zelluläre Ziele
Zum einen will das Team der Universität Jena mit der neuen KI-basierten Methode existierende Spektren-Datenbanken kleiner Moleküle durchsuchen, vielversprechende Metabolite entdecken und für weitere Analysen empfehlen. Hier schlummern die Daten von tausenden unentdeckter kleiner Moleküle und warten auf ihre Analyse. Zum anderen wollen die Jenaer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler das neue Werkzeug auf der eigenen, bereits etablierten SIRIUS-Plattform zur Verfügung stellen, so dass Nutzerinnen und Nutzer weltweit Informationen zu Bioaktivitäten schnell und unkompliziert aus ihren Spektren ableiten können. SIRIUS und verwandte Methoden werden von tausenden Forscherinnen und Forschern weltweit genutzt, und die Server der Gruppe haben bereits mehr als eine Milliarde Anfragen zur Annotation kleiner Moleküle bearbeitet. „Die Suche nach neuen Wirkstoffen kann so enorm erweitert und beschleunigt werden“, sagt Sebastian Böcker. „Prozesse, die im Labor Monate in Anspruch nehmen, lassen sich auf wenige Minuten reduzieren. Unsere Methoden werden dabei helfen, sehr viele interessante, bisher unbekannte Moleküle zu entdecken – und mit etwas Glück sind ein oder mehrere Medikamente der Zukunft mit dabei.“
ERC Advanced Grants
Der ERC Advanced Grant stellt die höchstdotierte europäische Forschungsförderung für Einzelpersonen und zugleich die wichtigste europäische Auszeichnung für herausragende Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler dar. Vergeben wird der ERC Advanced Grant an etablierte, aktive Forschende mit einer herausragenden wissenschaftlichen Leistungsbilanz. Bei der Begutachtung ihrer Leistung sind die zehn Jahre vor der Antragstellung maßgeblich.
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