Aus den Kliniken

Mit Pioniergeist und Weitsicht - Universitäts-Kinderklinik Würzburg feiert Geburtstag

31.10.2025 - Wie Regierung und Universitätsmedizin Würzburg vor 175 Jahren den Grundstein in der „Kunst des Kinderheilens“ setzten.

Am 1. November 1850 wurde in der heutigen Klinikstraße 3 in Würzburg die erste eigenständige Universitäts-Kinderklinik eröffnet. Während einige behaupten, es sei die erste Universitäts-Kinderklinik der Welt gewesen, halten andere dagegen, dass sie zunächst nur wenige Jahre Bestand hatte. Fest steht, dass sich ihr damaliger Leiter Franz von Rinecker (1811–1883) bereits Jahre zuvor intensiv für die Ars paediatrica, die Kunst des Kinderheilens, eingesetzt hatte. Dank der Aufklärung im 18. Jahrhundert wurden Kinder nicht mehr als kleine, unvollkommene Erwachsene betrachtet, sondern als eigenständige Wesen mit spezifischen Bedürfnissen, Erkrankungen und Behandlungsmethoden. Zwar gab es in Würzburg bereits im Wintersemester 1818/1819 erste Vorlesungen zum Thema „Therapie von Kinderkrankheiten” durch den damaligen Leiter der Medizinischen Klinik der Universität Würzburg, Johann Lucas Schönlein, doch wurde die Kinderheilkunde erst im Jahr 1844 als eigenständiges Fach an der Universität anerkannt, als Franz von Rinecker die erste formale Professur speziell für Kinderheilkunde erhielt.

Königliches Dekret zur Prüfung von Vorlesungen über Kinderkrankheiten und Einrichtung einer Separatanstalt für Kinder

Die Einrichtung der Pädiatrie als eigenes Lehrfach und die Gründung einer „Separatanstalt für Kinder“ sind vor allem einem für diese Zeit überaus fortschrittlichen und weitsichtigen Vorhaben der Bayerischen Regierung zu verdanken. Am 7. Juli 1841 erreichte den akademischen Senat der Universität Würzburg nämlich ein Dekret des Ministeriums des Innern in München unter König Ludwig I., in dem es hieß, dass es nicht nur wünschenswert, sondern notwendig sei, an den medizinischen Fakultäten Vorlesungen über Kinderkrankheiten zu halten. „Der Grund, warum dergleichen Vorlesungen bisher nicht von größeren Erfolgen begleitet gewesen sind, lag hauptsächlich in dem Mangel einer eigenen klinischen oder poliklinischen Anstalt für kranke Kinder, wodurch allein ein lebhafteres Interesse für diesen speciellen Gegenstand erwirkt, und dem Studierenden das Eigenthümliche des Krankheits-Verlaufes im kindlichen Alter, sowie der ärztlichen Behandlung anschaulich gemacht werden kann.“ Und weiter: „Nachdem seine Majestät der König in Anerkennung der hohen Wichtigkeit dieses Gegenstandes allergnädigst zu befehlen geruht haben, daß allerhöchstdenselben bezüglich der Herstellung von dergleichen klinischen oder poliklinischen Anstalten für kranke Kinder, sowie der hiermit in Verbindung zu setzenden Vorträge über Kinderkrankheiten an den Hochschulen allerunterthänigst Vorschläge gemacht werden, so erhält der königlichen Majestät Senat hiermit den Auftrag, sich in thunlicher Bälde unter näherer Angabe der desfalls etwa teilweise bereits bestehenden Anordnungen darüber zu äußern.“

In ihrer Stellungnahme begrüßte die medizinische Fakultät das Vorhaben und listete die erforderlichen Mittel zur Einrichtung einer stabilen Kinderklinik auf. Es mangelte sowohl an Geldern als auch an Räumen. Gleichzeitig stieg in der Allgemeinen Medizinischen Poliklinik der Anteil der Kinder - 1846/47 lag dieser bereits bei 45 Prozent. Endlich konnte im November 1850 die erste Universitäts-Kinderklinik eröffnet werden. Kurz danach zog auch die ambulante Kinderklinik in das Gebäude des Juliusspitals in der Klinikstraße. Allerdings führten Interessenskonflikte und Machtkämpfe zwischen Juliusspital und Universität dazu, dass Rinecker nur einen geringen Einfluss hatte und die stabile Kinderklinik 1854 wieder ins Hauptgebäude des Juliusspitals zog. Im Jahr 1872 wurde die Kinderheilkunde sogar wieder zwischen der Inneren Medizin und Allgemeinen Poliklinik aufgeteilt. Rinecker wurde schließlich angewiesen, Vorträge über Syphilis und Hautkrankheiten abzuhalten und das Lehrfach für Kinderkrankheiten an seinen ehemaligen Studenten Carl Gerhardt abzugeben. Gerhardt hatte bereits 1861 ein Lehrbuch für Kinderkrankheiten herausgegeben, das er seinem Lehrer, dem „Geheimen Rat Prof. Franz von Rinecker, als Zeichen bleibender Dankbarkeit und Verehrung“ widmete. Gerhardt war Gründungsmitglied der „Section für Pädiatrik“ und Mitherausgeber des ersten deutschen Handbuchs der Kinderkrankheiten im Jahr 1877. 

Einzug ins Luitpoldkrankenhaus und Entwicklung zu einem führenden Zentrum für pädiatrische Versorgung, Forschung und Lehre 

Erst im Jahr 1915 wurde die Kinderheilkunde in Würzburg endgültig von der Inneren Medizin getrennt und Jussuf Ibrahim wurde der erste Extraordinarius für Kinderheilkunde in Würzburg. Weitere acht Jahre später, 82 Jahre nach dem Königlich Bayerischen Dekret, erhielt die Universitäts-Kinderklinik schließlich eigene Räumlichkeiten. Im Januar 1923 zog sie unter der Leitung von Hans Rietschel ins neu erbaute Luitpoldkrankenhaus; die Säuglinge waren schon zwei Jahre zuvor ins Luitpoldkrankenhaus umgezogen. Auf dem Campus in Grombühl entwickelte sich die Kinderklinik im Laufe der Jahre zu einem führenden Zentrum für klinische Versorgung, Forschung und Lehre in der Kinder- und Jugendmedizin. Heute steht sie für moderne, interdisziplinäre Pädiatrie auf höchstem Niveau – mit internationaler Forschung, neuer Infrastruktur und einem breiten medizinischen Angebot. 

Hervorzuheben ist die Aufbauarbeit von Josef Ströder, der 1948 den Lehrstuhl für Kinderheilkunde übernahm und die Leitung der Klinik innehatte. Er organisierte den Wiederaufbau der Klinik, die in der Bombennacht von 1945 komplett zerstört worden war, stockte das Personal auf und initiierte eine Schule für kranke Kinder sowie verschiedene Arbeitsgruppen für die einzelnen Bereiche der modernen Pädiatrie. Sein Nachfolger Helmut Bartels (Direktor von 1981 bis 1999) setzte sich unter anderem für die fächerübergreifende Zusammenarbeit mit anderen Disziplinen am Uniklinikum sowie für den Bau einer modernen Intensivstation und die Gründung eines Perinatalzentrums (PNZ) ein. Letzteres ist heute eines der größten und leistungsstärksten in Bayern. Auch Christian P. Speer, der von 1999 bis 2020 Direktor war, lag das Wohl von Früh- und Neugeborenen besonders am Herzen. Für sie richtete er eine Intensivstation und eine Intermediate-Care-Station zwischen Intensivpflege und normaler Station zur Versorgung der Früh- und Neugeborenen in der Frauenklinik ein. Darüber hinaus gründete er ein Stammzelltransplantationszentrum und entwickelte neben einer hochqualifizierten Allgemeinpädiatrie die Schwerpunktbildung einzelner Spezialbereiche in der Kinderheilkunde weiter. 

Im Mai 2020 wurde Prof. Dr. Christoph Härtel zum Direktor der Universitätskinderklinik ernannt. Sein wissenschaftlicher Schwerpunkt liegt in der Erforschung optimaler Bedingungen für die Entwicklung extrem frühgeborener Kinder, insbesondere im Rahmen überregionaler Forschungsnetzwerke. Ein spezieller Fokus bildet dabei die Entwicklung des Immunsystems. Er sei aber kein reiner Neonatologe, sondern in der Kinderheilkunde breit interessiert, betont er. Er arbeitet nicht nur am Erhalt der Weiterentwicklung der bereits vorhandenen Kompetenzen, sondern auch an der Stärkung der Neuropädiatrie und Sozialpädiatrie, und intensiviert die Zusammenarbeit mit der Kinder- und Jugendpsychiatrie. Neben dem klassischen Dreiklang der Universitätsmedizin aus Klinik, Forschung und Lehre betrachtet Härtel die Gremienarbeit als sein viertes wichtiges Aufgabenfeld: „Als Pädiater müssen wir auch die Interessen von Kindern und Jugendlichen in Politik und Gesellschaft vertreten.“ 

Podiumsdiskussion zu den Perspektiven der Kinder -und Jugendmedizin und zur Krankenhausreform: Kinder sind keine kleinen Erwachsenen!

Deshalb möchte Christoph Härtel, der auch Vizepräsident der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin e. V. (DGKJ) ist, bei der Jubiläumsfeier der Universitäts-Kinderklinik Würzburg am 5. November nicht nur zurückblicken, sondern auch nach vorne schauen. Nach einem historischen Rückblick wird es eine Podiumsdiskussion zu den Perspektiven der Kinder- und Jugendgesundheit mit Beteiligung der Politik, Eltern und Medizin geben. Ein wichtiges Thema wird sein, was wir gemeinsam für ein gutes Aufwachsen von Kindern in Zeiten knapper Ressourcen tun können. Welchen Stellenwert hat Prävention in der Kindheit? Wie können wir eine zukunftssichere Kinder- und Jugendmedizin gewährleisten? Die aktuelle Krankenhausreform plant an den Bedürfnissen von Kindern vorbei. Wenn sie so umgesetzt wird, dann ist eine spezielle Kinder- und Jugendmedizin, wie sie für viele seltene akute und chronische Erkrankungen des Kindesalters erforderlich ist, in der Finanzierung nicht berücksichtigt. Doch Kinder sind keine kleinen Erwachsenen! Sie haben ein Anrecht auf eine kindgerechte, spezialärztliche Behandlung. Das wusste schon König Ludwig I. 

Kontakt

Universitätsklinikum Würzburg

Josef-Schneider-Straße 2 , Haus D3
97080 Würzburg

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