Aus den Kliniken

Eindämmung von COVID-19

17.09.2020 - Cochrane veröffentlicht drei Rapid Reviews zu verschiedenen Public-Health-Maßnahmen zur Eindämmung von COVID-19.

Cochrane veröffentlicht eine aktualisierte „Special Collection“ von Übersichtsarbeiten, welche die Evidenz zu Maßnahmen im Bereich der öffentlichen Gesundheit zur Infektionskontrolle und Prävention von COVID-19 zusammenfassen. Darin enthalten sind auch drei Rapid Reviews, die in den letzten 72 Stunden in der Cochrane Library veröffentlicht wurden.
 

Die Autoren dieser drei Reviews haben sich die Evidenz zu folgenden Themen genauer angesehen: Quarantäne (Update eines erstmals im April veröffentlichten Reviews), Reisebeschränkungen (erstmals erscheinender Review), Breit angelegte Screenings auf COVID-19/SARS-CoV2 (erstmals erscheinender Review)

COVID-19 wird durch das neue Virus SARS-CoV-2 verursacht, das sich schnell auf der ganzen Welt ausgebreitet hat. Da es derzeit weder eine wirksame ursächliche Behandlung, noch einen Impfstoff für COVID-19 gibt, sind andere Möglichkeiten zur Verlangsamung der Pandemie aus dem Bereich der Public Health erforderlich. Viele Länder haben Kombinationen solcher Maßnahmen eingeführt und stehen vor der Frage, wann im Verlauf der Pandemie sie welche dieser Maßnahmen lockern können oder verstärken sollen.

Was ist neu in der Special Collection von Cochrane?

Neu in der Sammlung sind drei erst Anfang dieser Woche erschienene Cochrane Rapid Reviews. Dies sind systematische Übersichtsarbeiten, die in einem beschleunigten Verfahren erstellt wurden. Zwei davon erscheinen zum ersten Mal, bei einem handelt es sich um das Update eines bestehenden Rapid Reviews. Alle drei untersuchen die wissenschaftliche Evidenz zu Maßnahmen auf Ebene des öffentlichen Gesundheitswesens, welche die Übertragung des Virus von infizierten Menschen auf Gesunde verhindern sollen.

Die Themen der drei Rapid Reviews sind:

• Quarantäne: Wer mit einem infizierten Menschen in Kontakt gekommen oder aus einem Risikogebiet mit hohen Übertragungsraten angereist ist, wird durch häusliche Isolation oder andere Maßnahmen von gesunden Mitmenschen abgeschirmt.

• Reisebeschränkungen: Hier geht es um Maßnahmen wie Grenzschließungen, Reisebeschränkungen und Einreise- und Ausreisekontrollen

• Breit angelegtes Screening von symptomfreien oder symptomarmen Personen, sei es die Allgemeinbevölkerung oder eine berufsbezogene Zielgruppe wie das medizinische Personal in Krankenhäusern und Pflegeheimen.

Welche Kernaussagen machen die Rapid Reviews?

• Quarantäne ist wichtig, um die Inzidenz und Mortalität während der COVID-19-Pandemie zu reduzieren.

• Maßnahmen zur Reisekontrolle während der COVID-19-Pandemie können einen positiven Einfluss auf den Ausgang von Infektionskrankheiten haben

• Beim einmaligen Screening anscheinend gesunder Menschen auf Symptome, Temperatur, internationale Reisen, Exposition gegenüber bekannten oder vermuteten Infizierten oder eine Kombination von Symptomen plus Körpertemperatur werden infizierte Personen mit hoher Wahrscheinlichkeit übersehen.

Was sind die Limitationen der Evidenz?

Die Forschung zu COVID-19 schreitet rasch voran, aber die Evidenzbasis ist noch immer sehr unsicher. Es fehlt an Belegen für die wirtschaftlichen und sozialen Schäden, die sich aus diesen Maßnahmen ergeben. Ein Großteil der derzeit verfügbaren Evidenz, die bei Entscheidungen im Bereich der öffentlichen Gesundheit helfen soll, basiert auf mathematischen Modellen, die wiederum auf unsicheren Annahmen beruhen. Ein wenig "real-life"-Evidenz aus Beobachtungsstudien ist bereits verfügbar, jedoch ist die Sicherheit der Evidenz aus dieser Art von Studiendesign im Allgemeinen aufgrund methodischer Schwächen gering oder sehr gering.

Was sind die Herausforderungen für die Entscheidungsfindung?

Um die Ausgewogenheit der Maßnahmen im Bereich der öffentlichen Gesundheit zu sichern, müssen Entscheidungsträgern die Ausbruchssituation ständig überwachen und die Auswirkungen der durchgeführten Maßnahmen bewerten. Künftige Forschungsarbeiten müssen genauer klären, wie diese verschiedenen Präventions- und Bekämpfungsmaßnahmen wirken und welche Kombinationen von Maßnahmen am besten funktionieren und gleichzeitig den Schaden für die Gesellschaft minimieren.

Mehr zu den einzelnen Rapid Reviews

1) Können Quarantänemaßnahmen allein oder in Kombination mit anderen Public-Health-Maßnahmen die Coronavirus-Krankheit (COVID-2019) kontrollieren?

• Evidenz von geringer Vertrauenswürdigkeit aus Studien mit mathematischen Modellen weisen konsistent darauf hin, dass die Quarantäne wichtig ist, um die Zahl der Menschen mit COVID-19 zu reduzieren, aber der Umfang der Reduzierung ist ungewiss.

• Schätzungen für die Verringerung der Zahl der Erkrankten schwanken zwischen 44 und 96 %.

Die Hauptautorin des Reviews, Barbara Nussbaumer-Streit (Donau-Universität Krems, Österreich) kommentiert: „Wir haben die erste Version dieses Berichts im April 2020 veröffentlicht. Seitdem wurden 22 zusätzliche Studien zu Quarantäne gegen COVID-19 verfügbar. Obwohl die Anzahl der Studien in kurzer Zeit deutlich zugenommen hat, ist die Evidenzbasis noch immer begrenzt, da es sich bei den meisten Studien um mathematische Modellstudien handelt, die unterschiedliche Annahmen zu wichtigen Modellparametern treffen. Die Evidenz deutet darauf hin, dass die Einführung einer Quarantäne zu einem frühen Zeitpunkt einer Pandemie und die Kombination von Quarantäne mit anderen Maßnahmen aus dem Bereich der öffentlichen Gesundheit wie z.B. physical distancing dazu beitragen kann, die Ausbreitung von COVID-19 zu verlangsamen. Es ist jedoch schwierig zu beurteilen, welche Kombination von Maßnahmen am besten geeignet ist, die Zahl der Fälle und Todesfälle zu verringern“. Hier das komplette Review.

2) Können Reisebeschränkungen die Ausbreitung der COVID-19-Pandemie eindämmen?

• Evidenz von sehr geringer Vertrauenswürdigkeit (niedrigste von vier Stufen der Vertrauenswürdigkeit in Cochrane Reviews) aus Modellstudien deuten darauf hin, dass grenzüberschreitende Reisebeschränkungen, wenn sie zu Beginn eines Ausbruchs umgesetzt werden, zu einer Verringerung der Zahl der neuen Fälle führen können. Schätzungen für die Größe dieses Effekts lagen zwischen 26 und 90 %, sind aber sehr unsicher.

• In Beobachtungsstudien zum Einreise- und Ausreisescreening wurden verschiedene Kombinationen von symptombasiertem Screening, einmaligem (oder selten wiederholtem) PCR-Abstrich und Beobachtung während einer Quarantäne untersucht.

• Evidenz von sehr geringer Vertrauenswürdigkeit deutet darauf hin, dass der Anteil der an der Grenze entdeckten Fälle zwischen 0% und 75% gelegen haben könnte.

• Symptomscreening-Maßnahmen bei der Ein- und Ausreise allein entdecken wahrscheinlich nicht genügend Fälle, um zu verhindern, dass sich neue Infektionsketten innerhalb der geschützten Region etablieren.

• Die Wirksamkeit des Screenings von Reisenden auf Symptome verbessert sich wahrscheinlich, wenn es mit anschließender Quarantäne, Beobachtung und PCR-Tests kombiniert wird.

Hauptautor Jacob Burns (Ludwig-Maximilians-Universität München, Deutschland) kommentiert: „Reisebezogene Kontrollmaßnahmen finden nicht im luftleeren Raum statt. Ihre Auswirkungen werden von anderen Faktoren beeinflusst, wie dem Stadium der Pandemie, ob eine Übertragung in der Gemeinschaft nachgewiesen wurde oder ob andere Maßnahmen wie physical distancing und das Tragen von Gesichtsmasken durchgeführt wurden. In den Studien, die in unseren Review Eingang fanden, wurden diese Aspekte selten untersucht“. Hier das komplette Review:


3) Wie effektiv ist ein breit angelegtes Screening auf COVID-19?

• Dieser Review zeigt die Unsicherheit und die Unterschiede in der Genauigkeit von Screening-Strategien auf.

• In Beobachtungsstudien wurden verschiedene Screening-Strategien evaluiert, wobei Personen zumeist nur einmal und nicht wiederholt gescreent wurden. Gefragt wurde dabei entweder nach Symptomen, internationalen Reisen oder einer Exposition gegenüber einem bekannten oder vermuteten COVID-19-Fall, oder es wurden Temperaturkontrollen oder ein schneller Point-of-Care-Test durchgeführt.

• Einige Studien kombinierten das Screening auf Symptome und Temperaturkontrollen. Jede der untersuchten Screening-Strategien brachte ein hohes Risiko mit sich, dass tatsächlich infizierte Personen fälschlicherweise als virusfrei identifiziert werden (falsch-negatives Ergebnis).

• Zukünftige Screening-Studien auf Bevölkerungsebene dürften unser Verständnis der Wirksamkeit und Genauigkeit des Screenings auf COVID-19 wesentlich verbessern.

Hauptautorin Meera Viswanathan (RTI International, North Carolina, USA) kommentiert: „Wir sind uns nicht sicher, ob kombinierte Screenings, wiederholte Symptombeurteilung oder schnelle Labortests sinnvoll sind. Da infizierte Menschen beim Screening leicht übersehen werden können, sind gesundheitspolitische Maßnahmen wie eine Nase-Mund-Bedeckung, physical distancing und Quarantäne für diejenigen, die möglicherweise Kontakt mit einer infizierten Person hatten, weiterhin sehr wichtig.“ Hier das komplette Review.


Die vollständige Cochrane Special Collection zu Maßnahmen des öffentlichen Gesundheitswesens zur Infektionskontrolle und Prävention von COVID-19 ist hier zu finden.

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