Medizin & Technik

Ein Ultraschallprojektor für die Medizin

02.10.2020 - Eine chipbasierte Technik, die intensive Schalldruckprofile mit hoher Auflösung moduliert, eröffnet der Ultraschalltherapie neue Möglichkeiten.

Therapien mit Ultraschall könnten künftig effektiver und einfacher werden. Denn ein Forscherteam um Peer Fischer vom Max-Planck-Institut für Intelligente System und der Universität Stuttgart hat einen Projektor entwickelt, der mit vergleichsweise geringem technischen Aufwand  flexibel dreidimensionale Ultraschallfelder moduliert und dabei Schalldruckprofile mit höherer Auflösung und höherem Schalldruck erzeugt als die derzeit gängige Technik. So könnten sich Ultraschallprofile künftig einfacher auf einzelne Patienten zuschneiden lassen, und es könnten sich sogar neue medizinische Anwendungen für Ultraschall ergeben.

In der Medizin ebenso wie in der Materialkunde ist Ultraschall als Mittel zur Diagnostik weit verbreitet. Ultraschall lässt sich aber auch therapeutisch einsetzen: In den USA etwa werden Tumore der Gebärmutter und der Prostata mit Hochleistungsultraschall behandelt. Der Ultraschall zerstört die Krebszellen dabei, indem er das kranke Gewebe gezielt erwärmt. Weltweit arbeiten Forscher daran, mit Ultraschall auch Tumore und andere krankhafte Veränderungen im Gehirn zu bekämpfen. „Um dabei möglichst kein gesundes Gewebe zu schädigen, muss das Schalldruckprofil exakt geformt sein“, erläutert Peer Fischer, Leiter einer Forschungsgruppe am Max-Planck-Institut für Intelligente Systeme und Prof. an der Universität Stuttgart. Ein intensives Ultraschallfeld auf krankes Gewebe zuzuschneiden wird im Gehirn dadurch erschwert, dass die Schädeldecke die Schallwelle verzerrt. Der Spatial Ultrasound Modulator (SUM), ein räumlicher Ultraschallmodulator, den Forscher aus Peer Fischers Gruppe entwickelt haben, dürfte da Abhilfe schaffen und die Ultraschallbehandlung auch in anderen Fällen effektiver und einfacher machen. Er erlaubt es, die dreidimensionale Form auch sehr intensiver Ultraschallwellen mit hoher Auflösung zu variieren, und das mit geringerem technischem Aufwand, als er bislang nötig ist, um Ultraschallprofile zu modulieren.

Schalldruckprofile hoher Intensität mit 10.000 Pixeln

Herkömmliche Methoden variieren Schallfelder mit mehreren einzelnen Schallquellen, deren Wellen sich überlagern und gegeneinander verschieben lassen. Da sich die einzelnen Schallquellen nicht beliebig miniaturisieren lassen, ist die Auflösung dieser Schalldruckprofile jedoch auf 1.000 Pixel begrenzt, und dann sind die Schallsender schon so klein, dass der Schalldruck für diagnostische, aber nicht für therapeutische Zwecke ausreicht. Bei der neuen Technik erzeugen die Forscher dagegen zunächst eine Ultraschallwelle und modulieren dann unabhängig davon deren Schalldruckprofil. Dabei schlagen sie gleich zwei Fliegen mit einer Klappe: „Auf diese Weise können wir sehr viel leistungsstärkere Ultraschallwandler verwenden“, erläutert Kai Melde, der das Entwicklerteam des SUM leitete. „Außerdem lässt sich dank eines Chips mit 10.000 Pixeln, der die Ultraschallwelle moduliert, ein wesentlich feiner aufgelöstes Profil erzeugen.“

„Um das Schalldruckprofil zu modulieren, machen wir uns die unterschiedlichen akustischen Eigenschaften von Wasser und Luft zu Nutze“, sagt Zhichao Ma, ein Postdoc in Peer Fischers Gruppe, der an der Entwicklung der neuen Technik maßgeblich beteiligt war: „Während eine Ultraschallwelle eine Flüssigkeit ungehindert durchläuft, wird sie an Luftblasen vollständig reflektiert.“ Also konstruierten die Stuttgarter Forscher einen daumennagelgroßen Chip, auf dem sie durch Elektrolyse – die Aufspaltung von Wasser in Sauerstoff und Wasserstoff mit Strom – an 10.000 Elektroden in einem dünnen Wasserfilm Wasserstoffblasen produzieren können. Die Elektroden weisen jeweils eine Kantenlänge von weniger als einem Zehntel Millimeter auf und lassen sich einzeln ansteuern.

Eine Bildershow mit Ultraschall

Wenn sie nun mit einem Transducer, einer Art Mini-Lautsprecher, eine Ultraschallwelle durch den Chip schicken, passiert diese den Chip selbst ungehindert. Doch sobald die Schallwelle auf das Wasser mit den Wasserstoffbläschen trifft, läuft sie nur durch die Flüssigkeit weiter. Wie durch eine Maske entsteht dadurch ein Schalldruckprofil mit Aussparungen an den Stellen, an denen sich die Luftbläschen befinden. Um ein anderes Schallprofil zu formen, wischen die Forscher die Wasserstoffbläschen zunächst vom Chip weg und erzeugen anschließend Gasblasen in einem neuen Muster.

Wie genau und variabel der neue Projektor für Ultraschall arbeitet, demonstrierten die Forscher, indem sie in einer Art Bildershow aus Schalldruckprofilen das Alphabet buchstabierten. Um die Buchstaben sichtbar zu machen, fingen sie in den Mulden der verschiedenen Schalldruckprofile Mikropartikel. Je nach Schallmuster ordneten sich die Teilchen dabei zu den einzelnen Buchstaben an.

Organoidmodelle für Wirkstofftests

Zu ähnlichen Bildern hatten die Wissenschaftler um Peer Fischer, Kai Melde und Zhichao Ma Mikropartikel zuvor bereits mit Schalldruckprofilen arrangiert, die sie durch eine etwas andere Technik modellierten: Dabei verwendeten sie spezielle Kunststoff-Schablonen, um das Druckprofil einer Ultraschallwelle wie in einem Hologramm zu verformen und kleine Teilchen, aber auch biologische Zellen in einer Flüssigkeit zu einem gewünschten Muster anzuordnen. Allerdings lieferten die Kunststoff-Hologramme nur Standbilder – für jedes neue Muster mussten sie eine andere Kunststoff-Schablone anfertigen. Mit dem Ultraschallprojektor kann das Stuttgarter Team dagegen in rund zehn Sekunden ein neues Schallprofil erzeugen. „Mit anderen Chips könnten wir die Bildfrequenz in  Zukunft deutlich erhöhen“, sagt Kai Melde.

Die Technik könnte nicht nur zu diagnostischen und therapeutischen Zwecken, sondern auch im biomedizinischen Labor Anwendung finden: Mit ihr lassen sich Zellen zu Organoid-Modellen arrangieren. „Solche Organoide ermöglichen aussagekräftige Tests von pharmazeutischen Wirkstoffen und könnten daher zumindest teilweise Tierversuche ersetzen“, sagt Peer Fischer.

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