Verarbeitung von Gerüchen im Gehirn
18.06.2025 - Prof. Dr. Veronica Egger untersucht die olfaktorische Objekterkennung im Gehirn. Der Europäische Forschungsrat (European Research Council, ERC) unterstützt das Projekt COLUMNET von Prof. Dr. Veronica Egger mit einem ERC Advanced Grant.
Die Biophysikerin Prof. Dr. Veronica Egger leitet die Arbeitsgruppe Neurophysiologie an der Fakultät für Biologie und vorklinische Medizin der Universität Regensburg (UR). Das mit 3,5 Mio. Euro dotierte Projekt läuft über fünf Jahre und widmet sich grundlegenden Fragen zur Verarbeitung von Gerüchen im Gehirn.
„Ich freue mich außerordentlich über die Entscheidung des ERC und gratuliere Frau Prof. Dr. Egger ganz herzlich zu diesem großartigen Erfolg. Ihre herausragende Forschung zur neuronalen Codierung von Gerüchen unterstreicht die Innovationskraft der Neurowissenschaften am Standort Regensburg“, so Universitätspräsident Prof. Dr. Udo Hebel. „Die Förderung durch den Europäischen Forschungsrat verdeutlicht erneut die internationale Sichtbarkeit und wissenschaftliche Strahlkraft der Spitzenforschung an der Universität Regensburg.“
Der Riechsinn ist entwicklungsgeschichtlich sehr alt, jedoch im Vergleich zu Sehsinn und Hörsinn noch unzureichend verstanden. Die große Familie der Geruchsrezeptorproteine wurde erst in den 1990er Jahren entdeckt. Jeder Duftstoff aktiviert mehrere Geruchsrezeptortypen, wobei jede Riechsinneszelle nur einen Geruchsrezeptortyp aufweist. Die Riechsinneszellen leiten die Information aus der Nase weiter in den Bulbus olfactorius, die erste Verarbeitungsstation für Gerüche im Gehirn. Alle Riechsinneszellen mit demselben Rezeptor sind mit einer n Kolumne aus Mitralzellen im Bulbus verschaltet, die ihrerseits die Information an höhere Areale weiterleitet.
Neuronale Netzwerkmechanismen aufklären
„Olfaktorische Objekte – wie etwa der Duft von Kaffee – unterscheiden sich fundamental von visuellen Objekten – wie etwa einer Kaffeetasse. Neuronale Schaltkreise der olfaktorischen Verarbeitung arbeiten entsprechend völlig anders als neuronale Schaltkreise des Sehsystems. Das Projekt zielt darauf ab, neuronale Netzwerkmechanismen aufzuklären, die die Repräsentation olfaktorischer Objekte ermöglichen“, so Egger.
Im Zentrum ihrer Forschung stehen reziproke Mikroschaltkreise. Diese bestehen aus miteinander verschalteten Mitralzellen und Körnerzellen, die hemmend wirken. Diese Verschaltung wird als „reziprok“ bezeichnet, weil beide Zellen Signale austauschen können – es handelt sich also nicht um Einbahnstraßen. Eggers Erkenntnis ist, dass tatsächlich beide Zellen gleichzeitig aktiv sein müssen, um einen Signalausgang aus den Körnerzellen zu ermöglichen. Dies basiert auf einem neuartigen Mechanismus der lokalen synaptischen Verarbeitung. Diese Art von Vernetzung könnte ermöglichen, dass verschiedene Geruchsrezeptorkolumnen, die von einem Duft gleichzeitig aktiviert werden, ihre Informationen auch synchron weiterleiten. Anders als beim Sehsinn müssen die Rezeptorkolumnen des Geruchssinns für das gleichzeitige Feuern nicht notwendigerweise topografisch benachbart sein. Damit ließe sich erklären, wie unser Gehirn aus vielen einzelnen Geruchskomponenten ein zusammenhängendes „Geruchsobjekt“ formen kann.