Neurologischer-Biomarker verbessert MS-Behandlung
25.09.2025 - Siemens Healthineers hat 2024 einen Biomarker zur Risikobewertung bei schubförmiger Multipler Sklerose (RMS) auf den Markt gebracht.
Der CE-zertifizierte NfL-Bluttest für Serum oder Plasma unterstützt Neurologen bei der Abschätzung eines individuellen Risikos für Krankheitsaktivität. Das erleichtert die frühzeitige Anpassung der Therapie vor einem Schub.
Es gehört zu den Tücken der schubförmigen Multiplen Sklerose (RMS), dass sie in unregelmäßigen Intervallen voranschreitet. Zwischen zwei Schüben können mehrere Monate oder sogar Jahre liegen. Zur Diagnostik werden unter anderem klinisch-neurologische Untersuchungen und das MRT eingesetzt. Mit einem neuen NfL-Assay von Siemens Healthineers besteht nun ergänzend die Möglichkeit, Krankheitsaktivität im Blut nachzuweisen. Der medizinische Nutzen: Das Labor kann dabei helfen einen Schub zu erkennen, bevor größere neurologische Schädigungen beim Patienten zu erwarten sind.
Labortechnischer Durchbruch
Bei einem MS-Schub werden die Myelinscheiden von Nervenzellen geschädigt; man spricht von einer autoimmunvermittelten Zerstörung zytoskeletttaler Strukturelemente. Dabei werden Neurofilamente freigesetzt, die im gesunden Zustand die Nervenzellen umgeben. Diese Neurofilamente gelangen zunächst in den Liquor. Die kleinsten von ihnen, die Neurofilament-Leichtketten, können die Blut-Hirn-Schranke passieren und in das periphere Blut wandern.
Dass Neurofilament-Leichtketten ein Marker für akute entzündliche Aktivitäten während eines MS-Schubs sind, ist seit mehr als einem Vierteljahrhundert bekannt. Allerdings gab es bislang keinen Assay für den Nachweis der NfL. Deshalb wird ein Schub oftmals erst dann sicher diagnostiziert, wenn seine zerstörerische Wirkung bereits eingesetzt hat und im MRT erkennbar ist.
Mit dem neuen Bluttest ist es nun möglich, die extrem kleinen Neurofilament-Leichtketten als Indikator für einen Schub in einem frühen Stadium zu bestimmen und zu quantifizieren. Siemens Healthineers bietet den CE-zertifizierten NfL-Assay für die Analysesysteme Atellica IM, Atellica CI und ADVIA Centaur XP/XPT an.
Analysen „fast auf Molekülebene“
Aktuell (Stand Sommer 2025) bieten in Deutschland elf Labore den Bluttest an. Dr. Annegret Quade, Inhaberin des Kölner Labors Dr. Quade & Kollegen, gehört zu den ersten Anwendern. Sie bestätigt: „Ab 3,0 Pikogramm pro Milliliter können wir die Neurofilament-Leichtketten quantifizieren. Wir bewegen uns fast auf Molekülebene.“ Die Menge der nachgewiesenen Leichtketten erlaubt Rückschlüsse auf die Krankheitsaktivität.
Die Blutanalyse macht eine MRT-Untersuchung nicht überflüssig. Allein schon deshalb, weil die Labordiagnostik Summationseffekte analysiert. Das Labor findet heraus, wie hoch die NfL-Konzentration im Serum oder Plasma ist. Für die Lokalisation und Ausprägung von Läsionen sind weiterhin andere diagnostische Verfahren erforderlich.
Patientin: „Keine Angst vor MS“
Die Neurologin Dr. Manda Jankovic spricht sich dafür aus, bei MS-Patienten den NfL-Test alle drei Monate durchzuführen, um den Krankheitsverlauf zu überwachen. Sie ist leitende Oberärztin der MS-Spezialambulanz in der Sauerlandklinik Hachen. Nicht nur bei der routinemäßigen Risikobewertung setzt sie den NfL-Test ein. Auch bei unsicherer Symptomatik kann der Bluttest Auskunft darüber geben, ob eine medikamentöse Intervention erforderlich ist: „Wenn eine Patientin kommt und über stark kribbelnde Beine klagt, kann das ein Indiz für einen Schub sein, muss aber nicht.“
In beiden Fällen ist eine zügige Abklärung angebracht – ohne langes Warten auf einen MRT-Termin. Je nach Ergebnis des Bluttests ist entweder unverzügliches Handeln gefordert oder die Neurologin kann in Hinblick auf einen möglichen MS-Schub Entwarnung geben. „Wenn wir eine hohe Entzündungsaktivität feststellen, müssen wir sofort mit der Therapie beginnen. Denn jede Entzündung bringt tiefe Schädigungen der Gehirnsubstanz mit sich“, so Dr. Jankovic.
Welchen positiven Einfluss der regelmäßig durchgeführte NfL-Test auf die Lebensqualität der MS-Patienten nimmt, kann Tanya Pereira aus eigener Erfahrung berichten. Sie ist seit mehreren Jahren bei Dr. Jankovic in Behandlung: „Gemeinsam mit meiner Ärztin habe ich einen Weg gefunden, dass ich durch die richtige Therapie in meinem Beruf weitermachen kann und dass sich für mich nichts ändert. Durch die NfL-Testung alle drei Monate bekomme ich ein sicheres Gefühl in der aktuellen Therapie und habe keine Angst vor der MS.“
Andere neurologische Erkrankungen
Für Dr. Quade steht fest: „Der Assay vergrößert die diagnostische und therapeutische Power von Neurologen.“ Darüber hinaus eröffnet der schnelle und leicht verfügbare Test aus ihrer Sicht auch anderen Fachrichtungen neue Möglichkeiten: „Hausärzte, Internisten und Psychiater können ebenfalls Neurofilamente bestimmen lassen, um differentialdiagnostisch neurologisch degenerative Erkrankungen auszuschließen.“
Der Biomarker NfL ist nicht krankheitsspezifisch. Nicht nur bei MS-Schüben gelangen Neurofilament-Leichtketten in das Blut. Deshalb ist es zu erwarten, dass der NfL-Test in absehbarer Zeit bei der Diagnostik anderer Erkrankungen mit Schädigung der Nervenzellen herangezogen wird – etwa bei Demenz, Parkinson oder ALS.
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