Hygiene

Legionellenbewertungsschema: Trinkwasserbefunde neu bewerten

11.07.2012 -

Legionellenbewertungsschema: Trinkwasserbefunde neu bewerten. Der Legionellennachweis stellt immer die hohe Schule der Mikrobiologie dar, unabhängig vom Ursprungsmedium. Reicht aber bei einer Patientenprobe der Positivnachweis einer Legionelle für die Diagnosestellung, gilt es, bei Trinkwasserproben auch die Keimmenge zu quantifizieren und daraus eine Bewertung abzuleiten. Aus der Bewertung aller Wasserproben eines Trink-/ bzw. Warmwassernetzes werden die möglichen oder notwendigen technischen Sanierungsmaß­nahmen abgeleitet.

Basis der technischen Gesamtbewertung ist das Arbeitsblatt W 551 der DVGW, der Deutschen Vereinigung des Gas- und Wasserfachs. In diesem Arbeitsblatt wird davon ausgegangen, dass zwischen Legionellenzahl im Trinkwasser und Legionellose-Infektionsrisiko eine ausreichend eindeutige Korrelation besteht, um eine tabellarische Auflistung zu rechtfertigen, ab wann weit reichende Sanierungsmaßnahmen indiziert seien. Auf eine Diskussion der unterschiedlichen Arten und Serogruppen der Legionellen und auf das Infektionsrisiko in Abhängigkeit des individuellen Immunstatus wird bis auf einen Hinweis in der Einleitung verzichtet. Wer Trinkwassernetze mit breitem öffentlichen Zugang untersucht, z.B. Duschwassersysteme öffentlicher Bäder, wird immer wieder auf Leitungssysteme stoßen, die mit Legionellen in Keimmengen in der Größenordnung ‚millionen/ml’ belastet sind, ohne dass die örtliche Bevölkerung reihenweise an atypischer Pneumie erkrankt.

Andererseits findet sich in der Untersuchung des Warmwassers, das Legionellose-Infizierte in der fraglichen Inkubationszeit getrunken und genutzt hatten, oft nur eine minimale Legionellenbelastung, meist in einer einstelligen Größenordnung /ml. Für den Kliniker leitet sich daraus ab, dass die individuelle Immunkompetenz der wesentlich wichtigere Faktor für das Erkrankungsrisiko ist. Diesem Punkt ist das Umweltbundesamt in einer mit der Trinkwasserkommission des Bundesgesundheitsamtes abgestimmten Veröffen tlichung nachgekommen. Darin werden für die Bevölkerung zugängliche Einrichtungen in sieben Risikogruppen eingeteilt:

  • Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen,
  • Einrichtungen für ambulantes Operieren, Dialyseeinrichtungen, Tageskliniken, Entbindungseinrichtungen, Einrichtungen zur Rehabilitation,
  • Schulen, Kindergärten,
  • Hotels, Jugendherbergen,
  • Sonstige Ausbildungseinrichtungen, Heime, Ferienlager,
  • Sportstätten,
  • Weitere Gemeinschaftsunterkünfte (nach §36 IfSG).

Zur Legionellen-Bewertung werden diese sieben Einrichtungsarten zu zwei Gruppen zusammengefasst: die ersten beiden, also die medizinischen Einrichtungen werden gegen die nichtmedizinischen Einrichtungen 3–7 gestellt. In der ersten Gruppe (Nr. 1 und 2) wird eine Neueinteilung geschaffen: Hochrisikobereiche versus Normalbereiche. Am Ende bleibt eine Bewertungs tabelle zur Beurteilung von Legionellenzahlen in Wasser mit nur zwei Möglichkeiten: Zielwert 0/100ml, Gefahrenwert mit Handlungsnotwendigkeit ≥ 1/100ml,

  • Für immunsupprimierte Patienten in Bereichen des angeschlossenen Wassernetzes sollten Schutzmaßnahmen ergriffen werden, die eine Aerosolinhalation unterbinden
  • Die Legionellose sollte differenzialdiagnostisch bei jeder pneumonischen Auffälligkeit berücksichtigt werden und bei passender Klinik ex juvantibus therapiert werden
  • Es gilt das bisherige Bewertungsschema mit dem auf 100ml bezogenen Raster < 100/100ml = keine/geringe Kontamination, ≥ 100/100ml = mittlere Kontamination, nur Notwendigkeit zur Kontrolle > 1.000/ml = hohe Kontamination, Maßnahmewert überschritten, Sanierungserfordernis > 10.000/100ml = extrem hohe Kontamination, Gefahrenwert überschritten, unverzügliche Maßnahmen notwendig

die altbekannten Werte nach DVGW – W551, ergänzt um bisher nicht benutzte Begriffe wie Prüf- und Maßnahmewert.

Zielwert: < 100/100ml

Prüfwert: ≥ 100/100ml

Maßnahmewert: > 1.000/100ml

Gefahrenwert: > 10.000/100ml

Von Bedeutung im klinischen Alltag ist dabei der Sprung des Gefahrenwertes vom medizinischen Normalbereich zum Hochrisikobereich um den Faktor 10.000 (!) auf die untere Nachweisgrenze der Standardnachweisverfahren. Der Wert von 1 Legionelle pro 100ml Wasser ist in nahezu jedem verzweigten Warmwassernetz anzutreffen, auch wenn dieses nach neuesten Kriterien und unter strikter Einhaltung der Vorgaben des DVGW gebaut und betrieben wird. Demnach ist für die Bewertung entscheidend, ob an dem Wassernetz Hochrisikobereiche hängen und welche Maßnahmen zur Risikominimierung möglich sind. Die Empfehlung des Umweltbundesamtes definiert den Begriff ‚Hochrisikobereich’ nur in einer parallel verabschiedeten Empfehlung zur Kaltwasseranalytik als „Intensivtherapiestationen, Einrichtungen, in denen bestimmungsgemäß Patienten mit schwerer Immunsuppression behandelt werden“.

Das trifft sicher nicht auf alle Intensivtherapiestationen zu, denn beatmete Patienten unterliegen keinem Risiko, ein legionellenhaltiges Aerosol zu inhalieren; Oft nur als Intensivstation bezeichnete postoperative Kurzzeit-Überwachungseinrichtungen be herbergen keine Immunsupprimierten. Letztlich bleibt es ärztliche Aufgabe des behandelnden Arztes, Patienten mit ausgeprägter Immunsuppression als Legionellose gefährdet zu erkennen und ihnen die Aerosolexposition vorzuenthalten. Die Möglichkeiten sind oft örtlich oder pflegerisch bedingt: z.B. Warmwassersperrung am Waschbecken durch Verschluss des Untereckventils, Zähnputzen mit Sterilwasser (oder Sprudelwasser), Körperwaschung mit stehendem, also vorher in die Wanne eingelaufenem Wasser, Haare waschen mit angelegtem Mund-Nasenschutz oder die Verwendung von endständigen Sterilfiltern am Wasserhahn und im Duschschlauch (cave: endständige Sterilfilter halten zwar Legionellen zurück, neigen aber zu retrograder Pseudomonasverkeimung, sodass sie lediglich eine Risikoverschiebung bewirken).

Leider verzichtet das Umweltbundesamt auch auf eine Bewertung der Serogruppen. Für Kliniker ist bedeutsam, dass 90 % aller Legionellosen durch Legionella pneumophila Serogruppe I ausgelöst werden, obwohl diese Serogruppe nur in einem Bruchteil aller Wasserproben gefunden wird. Aus alledem ergibt sich für die Beurteilung von Trinkwasserbefunden eine Abkehr von dem bisherigen Legionellenbewertungsschema zu einer differenzierten Empfehlung.

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