Hygiene

Präventivmedizin: Instrumentenaufbereitung – aus Fehlern lernen

27.09.2012 -

Präventivmedizin, das Schwerpunktthema beim 15. Jahreskongress der Deutschen Gesellschaft für Wundheilung und Wundbehandlung (DGfW), befasste sich u.a. mit den Fragen, wie postoperative Wundinfektionen durch Mikroorganismen wie MRSA reduziert werden können.

Mitte Juni ging es während des Kongresses im Palais in Kassel auch um Wundheilungsstörungen wie diese z.B. durch Rost-, Silikat- und Staubpartikel bedingt werden und für die Patienten ein Risiko darstellen können. Dazu ein Interview mit Kongresspräsident Prof. Hans-Martin Seipp.

M & K: Nach Angaben des Bundesgesundheitsministeriums werden jährlich 400.000-600.000 Patienten nach OPs neu infiziert. Welche Bedeutung haben dabei Rost-, Silikat- und Staubpartikel?

Prof. Hans-Martin Seipp: Während nach Operationen Wundinfektionen mit einer Häufigkeit zwischen ca. 1 bis maximal 7% auftreten, finden sich nach 50-100% aller Operationen Granulome und Adhäsionen, die zu Verwachsungen führen. Diese entwickeln sich besonders durch sterile Partikel, welche aus Bauchtüchern, textilbezogenen Instrumenten, Rost und Silikat auf den Instrumenten oder der Raumluft resultieren. Verwachsungen können schwere Schmerzsymptomatiken oder gar einen Darmverschluss mit der Notwendigkeit zu Wiederholungsoperationen bedingen.

Welche grundsätzlichen Fehler wurden bei der Aufbereitung gemacht?

Prof. Hans-Martin Seipp: Die Instrumentenaufbereitung ist ein hochkomplexer Prozess, der ein Produkt liefern soll, das keine Risiken für Patienten und Anwender beinhaltet. Dabei werden sowohl die Komplexität dieser Aufgabenstellung als auch die damit verbundenen Risiken ganz erheblich unterschätzt: Es mussten erst über 13 Aufbereitungseinheiten für Sterilgut bayerischer und hessischer Klinken in 2010/11 geschlossen werden, bevor die Öffentlichkeit und die verantwortlichen Betreiber die Strukturprobleme erkannten.

Zwar gibt es die gesetzliche Verpflichtung zur „Validierung" des Aufbereitungsverfahrens. Diese führte jedoch bisher nicht zu einer ausreichenden Prozesssicherheit bei der Instrumenten-Reinigung, -Desinfektion und -Sterilisation. Einerseits fehlt eine qualifizierte behördliche Kontrolle und andererseits können Dienstleister - auch ohne ausreichende Kenntnisse und Erfahrung und ohne dass ausreichende verfahrenstechnische Regeln bestehen - ihre „Schein-Validierungen" anbieten, die zu jeder gewünschten „Bescheinigung" führen.

Weiterhin wurden in den letzten 10 Jahren viele neue Produkte auf den Markt gebracht, die die Instrumentenaufbereitung optimieren sollten. Anhand der Silikat-haltigen Reiniger für Reinigungs- und Desinfektionsautomaten zeigt sich jedoch beispielhaft, welche Risiken diese im Bereich der Prozess- und Ergebnisqualität bedingt haben.

Gibt es aktuelle Beispiele für besondere technische Risiken?

Prof. Hans-Martin Seipp: Bekannt sind die Silikat-haltigen Reiniger, die zu bräunlichen Belägen auf den Instrumenten führten, so dass die Mitarbeiter nicht mehr unterscheiden können, ob es sich um Silikatablagerungen, Blutreste oder Korrosion handelt.

Weiterhin werden seit Jahren zunehmend Kunststofffolien zur Verpackung der kompletten Instrumenten-Sets verwendet. Werden diese mehrfach bzw. mehrlagig um das Instrumentarium oder in Container gegeben, so werden der Dampfdurchtritt und die Kondensatentfernung erheblich gehemmt.

Ebenso zu erwähnen sind Verteilerbänke für MIC-Instrumentarium, welche es ermöglichen sollen, dass gleichzeitig viele englumige Instrumententeile im RDG (Reinigungs-Desinfektions-Gerät) durchspült werden. Diese können zu massiven Druckverlusten führen, so dass keine ausreichende Durchströmung mehr mit Reinigungslösung in den MIC-Teilen stattfindet.

Insbesondere jedoch werden solche Systeme auch aus Rotguss mit verchromten Oberflächen angeboten: Diese setzten dann Chrom-Nickel-Partikel während der Spülung und Desinfektion frei, die in der Reinigungsmaschine verteilt und auf andere Instrumente aufgebracht werden. Hieraus leitet sich für allergische Patienten ein Risiko ab.

Abschließend sei noch auf die fehlerhafte Verpackung von Messprothesen in Einweg-Nierenschalen hingewiesen: Bevor Brustimplantate intraoperativ endgültig eingebracht werden, kommen zunächst Messprothesen zur Anwendung, die mehrfach resterilisiert werden können. Diese Messprothesen werden teils fehlerhaft in Einwegnierenschalen verpackt sterilisiert. Damit können Kleber und Weichmacher aus den Papp-Nierenschalen auf der Oberfläche der Messprothesen fixiert werden und gelangen dann im Rahmen der nächsten Anwendung in die Brustwunde.

Woran können sich Kliniken orientieren, um Risiken gering zu halten?

Prof. Hans-Martin Seipp: Kliniken und Zentren des ambulanten Operierens müssen selbst Kompetenzen zur Instrumentenaufbereitung aufbauen, um mit qualifiziertem Personal das erforderliche Wissen verfügbar zu haben. Dies wird einige Jahre in Anspruch nehmen. Bis dorthin sollten sich die Einrichtungen regional unter Einbeziehung der Aufsichtsbehörden zusammenschließen. So können sie eigene Qualität entwickeln, Prüfsysteme gemeinsam nutzen, gewonnene Erfahrungen mit am Markt befindlichen Anbietern und Geräten sowie von „Validierungsdienstleistern" austauschen und damit Risiken frühzeitig erkennen.

Wie lässt sich QM bei der Instrumentenaufbereitung durchzusetzen? Welche Aufgabe sieht die DGfW dabei?

Prof. Hans-Martin Seipp: Zunächst bedarf es einer Qualifizierung der Klinik-Mitarbeiter und der Aufsichtsbehörden sowie klarer rechtlicher Regeln zur Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität. Seitens der Behörden ist der Regelungsbedarf jetzt erkannt, und es werden Alternativen gesucht. Dabei muss neben der Prävention von Infektionen das erhebliche Risikopotential aus toxischen Stoffen, Allergenen und Partikeln berücksichtigt werden.

Als Fachgesellschaft mit dem Ziel der Prävention von Wundheilungsstörungen wird die DGfW in den kommenden Jahren ein Netzwerk von Wissenschaftlern aller interessierten Hochschulen aufbauen und versuchen, Forschungsprojekte zu initiieren, mit deren Ergebnissen die Instrumentenaufbereitung strukturiert überwacht und bewertet werden kann. Die DGfW schafft die wissenschaftlichen Voraussetzungen für messbare und evaluierbare Prozesse.

 

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