Labor & Diagnostik

Labormedizin im Outsourcing – Ei des Kolumbus oder Luftnummer?

16.02.2012 -

Labormedizin im Outsourcing: Als eines der ersten Universitätsklinika in Deutschland hat Aachen seine gesamte Labordiagnostik einem kommerziellen Anbieter anvertraut. Man erhofft sich davon jährliche Einsparungen von bis zu fünf Millionen Euro - ohne Qualitätseinbußen in Forschung, Lehre und Krankenversorgung.

Auch wenn es für eine fundierte Bewertung noch viel zu früh ist, erscheint Skepsis angebracht. Jürgen R. Draxler sprach mit Prof. Dr. Karl Lackner, Präsident der Deutschen Vereinten Gesellschaft für Klinische Chemie und Laboratoriumsmedizin (DGKL), Mainz, zum Aachener Outsourcing.

Aktuell gibt es in verschiedenen Medien einiges Aufsehen um die Entscheidung des Aachener Universitätsklinikums, sich von seiner gesamten Labordiagnostik zu trennen. Die Meinung, die da in einer ganzen Serie von Artikeln vertreten wird, ist durchweg positiv.

Prof. Dr. Karl Lackner: Das Gegenteil wäre auch verwunderlich, denn es fällt auf, dass immer wieder derselbe Personenkreis zu Wort kommt - nämlich der Berater des Klinikums, der diese Entscheidung vorbereitet hat, die Kaufleute des Hauses, die sie ausgeführt, und die kommerziellen Partner, die das Geschäft mit dem Klinikum gemacht haben. Kurz gesagt: Hier haben sich nur die Verfechter dieses Weges zu Wort gemeldet.

Das Projekt ist inzwischen ein knappes halbes Jahr in Betrieb - sicherlich zu kurz für eine profunde Bewertung. Wenn aber bereits jetzt mit so kriegerisch klingenden Aussagen wie „Eine Bastion ist gefallen" und „Markt erschütternd" vorgeprescht wird, sieht es dann nicht danach aus, dass man hier einer eingehenden und sachlichen Analyse der Ergebnisse zuvorkommen will?

Prof. Dr. Karl Lackner: Ein Blick auf die Argumentation zeigt die Probleme auf. Da werden dem Klinikum Einsparungen in Höhe von wenigstens vier bis fünf Millionen Euro in Aussicht gestellt. Dies wird unter anderem mit so einfachen wie einleuchtenden Argumenten begründet wie beispielsweise, dass große Serienlängen in der Labordiagnostik zum Beispiel bei der Glukose im Serum Einsparungen „von über 700 Prozent" ermöglichen.

Tatsache ist aber, dass das Aachener Klinikum vor der Neuorganisation seiner Labore nicht zuletzt aufgrund ungünstiger Einkaufspreise relativ hohe Kosten für seine Labordiagnostik hatte. Tatsache ist auch, dass die Einnahmen des Klinikums aus Nutzungsentgelten im Rahmen der Privatliquidation von Laborleistungen eher niedrig waren. In der Studie zur Reorganisation des ­Aachener Beraters Peter Borges aus dem Jahre 2008, auf die immer wieder Bezug genommen wird, findet eine umfassende Analyse der Einsparmöglichkeiten des Uniklinikums Aachen in eigener Regie nicht statt, sodass bei den avisierten Einsparungen letztlich Äpfel mit Birnen verglichen werden.

Man könnte die Studie also als unvollständig, wenn nicht sogar als gezielt gelenkt bezeichnen. Kommen wir aber zu einem weiteren Punkt. Was Sie beklagen, ist die Auflösung der etablierten Kombination von Diagnostik, Therapieberatung und Forschung. Warum?

Prof. Dr. Karl Lackner: Ganz einfach. Die in der Aufbaustruktur des Labordiagnostischen Zentrums vorgesehenen Institute der Klinischen Chemie, der Pathobiochemie sowie der Mikrobiologie konnten bis heute nicht mit kompetenten Wissenschaftlern, die auch die jeweiligen Fächer in Lehre und Krankenversorgung vertreten könnten, besetzt werden. Die Berufungsverfahren sind ergebnislos gescheitert.

Dies liegt an der Ausgliederung der Krankenversorgung aus dem Verantwortungsbereich der zukünftigen Institutsleiter. Ein Ansatz, auf den man bei einem anderen klinischen Fach aus guten Gründen niemals setzen würde. Insofern ist die gesamte Darstellung der akademischen Vertretung der Fächer ein Luftschloss, das sich auf absehbare Zeit nicht materialisieren wird - was die Protagonisten des Outsourcing aber auch nicht weiter interessiert.

Es soll doch, wie die Leitung des Klinikums betont, vertraglich abgesichert sein, dass der Laboranbieter wissenschaftliche Stellen vorhalten muss.

Prof. Dr. Karl Lackner: Ob der externe Partner diese Lücken füllen kann, bleibt abzuwarten. In den USA ist der Versuch von Konzernen wie LabCorp und Quest, die Labore der Universitätsklinika zu übernehmen, bereits vor mehr als zehn Jahren daran gescheitert, dass diese rein kommerziell denkenden Unternehmen die Bedürfnisse der Wissenschaft nicht verstanden haben und deshalb auch nicht erfüllen konnten. Auch die Laborkommission, die Teil der zukünftigen Struktur in ­Aachen sein soll, wird ohne die Expertise der betroffenden Fächer ihre Funktion, die bis hin zum Qualitätsmanagement reichen soll, nicht erfüllen können. So wird schon jetzt bezüglich der Qualität der labordiagnostischen Leistungen - noch hinter vorgehaltener Hand - von betroffenen Aachener Klinikern geklagt.

Welches Fazit ist denn Ihrer Ansicht nach aus der Umstrukturierung im Klinikum Aachen zu ziehen?

Prof. Dr. Karl Lackner: Die Auswirkungen des Outsourcing auf Forschung und Lehre in Aachen sind noch völlig offen und werden sich erst in der Zukunft bewerten lassen. Die Auswirkungen auf die Krankenversorgung zeichnen sich nach und nach ab, ohne dass Enthusiasmus aufkommen würde. Und bei den wirtschaftlichen Resultaten hilft der Vergleich mit der Vergangenheit nicht wirklich weiter. Man kann jedem Klinikvorstand nur empfehlen, sich nicht von den gehandelten Zahlen blenden zu lassen, sondern in aller Ruhe die ungeschminkten Ergebnisse abzuwarten.

 

Kontakt

DGKL - Deutsche Vereinte Gesellschaft für Klinische Chemie und Laboratoriumsmedizin

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