Labor & Diagnostik

Welchen Weg geht die medizinische Labordiagnostik?

11.09.2012 -

Bevor zukünftige Entwicklungen diskutiert werden ist eine Standortbestimmung notwendig. D. h., was sind die Stärken, was sind die aktuellen Probleme der heutigen Laboratoriumsdiagnostik?

Diskussion um die Finanzen

Es muss mehr Geld zur Verfügung gestellt werden. Das heißt, die Krankenkassenbeiträge werden auch weiterhin steigen müssen. Dies fordern insbesondere die Verbraucher der Ressourcen.

Die Leistungsbewertung der Laboranalysen muss reduziert werden. Die Krankenkassen und viele Politiker vertreten diesen monetären Standpunkt; d. h., sie wollen dem Labor weniger Ressourcen zur Verfügung stellen. Dies kann jedoch nur dann gehen, wenn gleichzeitig mehr Laborleistungen privat finanziert werden.

Qualität und Wirtschaftlichkeit

Insbesondere in der Labordiagnostik ist der Anspruch auf Qualität schon sehr hoch definiert. Standardisierte Analyseverfahren, Zertifizierungen und Akkreditierungen von ganzen Laboratorien oder Laborbereichen sind bereits heute Standard. Moderne Analysensysteme im Labor, z. B. Analysenstraßen, zeugen von einer hohen Wirtschaftlichkeit. Eine höhere Auslastung von Analysengeräten, geringerer Reagenzienverbrauch, raschere Analysenzeit u. v. m. werden auch zukünftig angestrebt.

Rationierung

In nicht unerheblichem Maße werden finanzielle und personelle Mittel verschwendet, z. B. durch Doppelanalysen, mangelnde Dokumentation und der Schnittstellenproblematik zwischen ambulant und stationär. Auch in Fachkreisen ist es kein Geheimnis, dass zu viele und nicht relevante ­diagnostische Laboruntersuchungen durchgeführt werden.

Die Verzahnung ambulanter und stationärer Versorgung

Ambulant vor stationär dient dem Patienten. Diesen Grundsatz haben sich alle politischen Parteien auf die Fahne geschrieben und durch entsprechende gesetzliche Regelungen unterstützt. Ein wesentliches Feld für diese Verzahnung ist der rationelle Einsatz von medizinischen Geräten, so auch im Labor. Um Überkapazitäten abzubauen, können Anaylsengeräte gemeinsam genutzt werden.

Laborlandschaft in Deutschland

Von ursprünglich über 1.000 Laborärzten in der vertragsärztlichen Versorgung gab es eine Konsolidierung auf ca. 200 Laborpraxen bis heute. Davon ist etwa die Hälfte überregional tätig. Viele Prognosen beschreiben für die Zukunft maximal fünf bundesweit tätige Laborverbünde mit wenigen Standorten.

Konträr zu dieser Konsolidierung ist die Labordiagnostik im Krankenhaus. Aufgrund der sofort benötigten Labordiagnostik in Kliniken kann auf das Präsenzlabor auch in Zukunft nicht verzichtet werden.

In kleineren Kliniken kann dies durch sinnvollen Einsatz einer Point-of-Care-Diagnostik oder eines Präsenzlabors, welches sich auf die wichtigsten Vitalparameter beschränkt, erfolgen. Jedoch ist eine Labordiagnostik in Universitätskliniken und Krankenhäusern der Maximalversorgung unabkömmlich, und zwar tagtäglich und rund um die Uhr.

Krankenhäuser öffnen sich immer mehr dem ambulanten Bereich und werden somit immer häufiger auch vom gesteigerten medizinischen Konsumverhalten von Menschen bzw. Patienten gefordert. Hier sind insbesondere sogenannte IGeL-Leistungen zu erwähnen. Krankenhäuser sind durch Prozessorganisationen und Einsatz weniger Ressourcen verbrauchender Verfahren mehr oder weniger erfolgreich. Bei gewinnorientierten privaten Betreibern steht im Vordergrund, den effizienten Ressourceneinsatz mit Gewinn zu belohnen.

Medizinische Labordiagnostik

Die Durchführung der medizinischen Labordiagnostik ist in Deutschland hoch organisiert, wirtschaftlich und von höchster Qualität, aber kompliziert geregelt. Dies begründet sich zum einen, dass an dieser Durchführung unterschiedliche Akteure beteiligt sind, und zum anderen an der unterschiedlichen Abrechnungsweise.

Generell werden Laboruntersuchungen unterteilt in Allgemein-Labor; diese Untersuchungen werden sehr häufig von den jeweiligen ambulant tätigen Arztpraxen durchgeführt, können aber auch von examinierten medizinisch technischen Assistenten (MTA-L) eigenständig und eigenverantwortlich erbracht werden.

Diese Leistungen, häufig als Basislabor bezeichnet, reichen jedoch selten aus, um eine ausführliche Diagnostik und einen sicheren Nachweis bei einer Erkrankung zu erheben. Hierzu sind häufig spezielle, teilweise schon recht komplexe Laboruntersuchungen notwendig und erfordern die Expertise eines Spezialisten. D. h., solche Untersuchungen werden im ambulanten Bereich sehr häufig an Laborfachärzte überwiesen. In den Krankenhäusern ist dies recht unterschiedlich geregelt.

Während große Universitätskliniken häufig noch über entsprechende Institute und entsprechend ausgebildete Fachärzte für Laboratoriumsmedizin, Mikrobiologie und Transfusionsmedizin sowie Klinische Chemiker verfügen, wird die Labordiagnostik in mittleren und kleineren Krankenhäusern häufig von Nicht-Akademikern, MTAs, unter der Verantwortung eines Arztes mit entsprechender Fachkunde durchgeführt.

Zusätzlich erschwerend ist die Tatsache, dass Laboruntersuchungen, die während einer stationären Behandlung erfolgen, innerhalb der abzurechnenden DRG vergütet werden, während ambulante Laboruntersuchungen jeweils einzeln für die entsprechende Analyse nach dem Abrechnungskatalog EBM berechnet werden, und für Laboruntersuchungen der Privatpatienten die Gebührenordnung GOÄ mit unterschiedlichen Steigerungsfaktoren zugrunde gelegt wird.

Im EBM sind die Analysen des Basislabors teilweise so gering bewertet, dass ein Überleben eines medizinischen Laboratoriums nur noch durch Quersubventionierung, etwa durch zusätzliche Analysen im Speziallabor, erreicht werden kann. D. h., von der ursprünglichen Idee, das Basislabor auch von Nicht-Laborfachärzten erbringen zu lassen, ist die Realität, insbesondere wegen der Unwirtschaftlichkeit, meilenweit entfernt.

Da aber gerade im ambulanten Bereich ein brachiachler Konkurrenz- und Verdrängungswettbewerb herrscht, werden neue Einsender (Kunden) mit ruinösen Rabattierungen umworben. Diese Rabattierungen sind teilweise so hoch, dass die medizinischen Laboratorien nur noch dann wirtschaftlich sind, wenn sie einen entsprechend hohen Anteil an Privatpatienten mit Laboranalysen versorgen. Denn diese werden mit der noch aktuell gültigen GOÄ recht attraktiv vergütet. Auch hier gilt: Je mehr Spezialuntersuchungen für Privatpatienten durchgeführt werden, umso wirtschaftlicher sind medizinische Laboratorien. D. h., um die in der Medizin unabkömmliche Laboratoriumsdiagnostik auch weiterhin mit hoher Qualität und unter ökonomisch sinnvollen Kriterien durchzuführen, sollten die unterschiedlichen Leistungskataloge zusammengefasst werden. Auch die bisherige Unterteilung in Basislabor und Speziallabor ist nicht mehr zeitgemäß, da zur Diagnostik und Therapie einer Erkrankung aus beiden Bereichen Laboranalysen durchgeführt werden müssen.

Zukünftige Entwicklungen der medizinischen Labordiagnostik sollten die wesentlichen Punkte Qualität, Wirtschaftlichkeit, gleichzeitige ambulante und stationäre Versorgung, demografische Entwicklung, Ärztemangel, Akademisierung der MTA-Ausbildung sowie mangelnder Nachwuchs von Laborfachärzten und Klinischen Chemikern berücksichtigen. Es ist kritisch zu hinterfragen, ob ein Arztvorbehalt zur Erstellung von labordiagnostischen Analysen, auch Spezialuntersuchung, noch angebracht ist.

Das medizinisch-diagnostische Labor im Jahre 2020

Laboratorien unterschiedlicher Größe, z. B. zur Versorgung von Universitätskliniken, Krankenhausverbänden, Akutkrankenhäusern, Portalkliniken, Fachzentren, Medizinischen Versorgungszentren, Reha-Kliniken, Fachpraxen u. v. mehr, werden vernetzt arbeiten. D. h., es ist unerheblich, ob ambulante oder stationäre Leistungen angefordert und durchgeführt werden. Ähnlich, wie bereits im ambulanten Bereich werden einige wenige überregional arbeitende Laborketten den Markt bestimmen. Je nach Bedarf wird die Laboranalytik den Bedürfnissen des Einsenders in den verschiedenen Standorten angepasst sein.

Die Leitung der einzelnen Standorte wird in Abhängigkeit vom Leistungsumfang, z. B. ob eine Blutbank oder Bakteriologie notwendig ist, entsprechende Fachexpertise bereitstellen. Diese Personen werden dann über entsprechende Gesetze und Erlasse zur Ausübung der Heilkunde für die Erstellung von Laboranalysen zugelassen sein.

Hier wäre es auch denkbar, dass Laboranalysen nicht mehr als medizinische Leistungen gewertet würden. Dies könnte jedoch zu qualitativen Defiziten führen und würde den Markt der Laboranbieter drastisch verändern. Denn die Marge würde wegen der Pflicht der Steuerabgaben deutlich reduziert.

Für die Prozessabläufe innerhalb der Laboratorien werden speziell ausgebildete Arbeitskräfte, z. B. MTAs, Informatiker und andere Hilfskräfte, benötigt. Werden lediglich POCT-Analysen durchgeführt, ist die Anforderung an das Personal eine andere, als wenn z. B. ein Liquorlabor betrieben wird. Aufgrund der sicherlich weitverbreiteten Laborautomation (Laborstraßen), auch in kleineren medizinischen Laboratorien, wird mit geringer Personalstärke gearbeitet.

Bestandteile der Labor-Informations-Systeme werden nicht nur die Befundpräsentation, Qualitätsüberwachung und Plausibilitätsprüfungen, sondern auch eigenständig Optimierungsprogramme und Wirtschaftlichkeitsüberwachungen sein.

Intelligente digitale Expertensysteme werten die Laboranalysen aus und ordnen sie möglichen Erkrankungen zu. Eventuell werden zusätzliche Laboranalysen veranlasst und ebenfalls bewertet. Unplausibilitäten, hoch pathologische Ergebnisse und andere Besonderheiten werden markiert und vom Fachexperten validiert.

Die elektronische Übertragung des Laborbefundes kann somit die Zeit von der Probenentnahme am Patienten bis zur Mitteilung an den Einsender erheblich verkürzen. Gerade diese Zeitspanne wird entscheidend für den Standorterhalt von Laboratorien in Krankenhäusern, Versorgungszentren und Ambulatorien sein. Im Idealfall sollte die Analysenzeit sehr kurz sein und kein Zeitverlust durch Probentransport entstehen.

Letztlich werden Laborbefunde als Patientenhistorie dargestellt und nicht mehr nur teilweise, je nach Zuordnung ambulant oder stationär, übermittelt. Dies ist zwingend notwendig, da der niedergelassene Arzt immer stärker in prä- und poststatio­näre Maßnahmen bei der Therapie eines Patienten eingebunden ist.

Um diese Veränderungen zeitnah zu realisieren, sollten sich die Akteure der unterschiedlichen Berufsgruppen, die am Prozess der Erstellung von Laborbefunden beteiligt sind, aber auch Kassenvertreter, Politiker, Berufsverbände zusammensetzen und Beschlüsse fassen, um das Fach „medizinische Labordiagnostik" auch zukünftig zu erhalten und seine Wertschöpfung in der Heilkunst nicht zu degradieren.

 

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