Medizin & Technik

Chirurgie im Alter

Alterstraumatologie steckt voller Herausforderungen

26.03.2010 -

Auch in der Unfallchirurgie und orthopädischen Chirurgie werden die Patienten immer älter. Operationstechnik und Systeme müssen darauf eingestellt werden, Mobilität und langfristige Lebensqualität sind die obersten Ziele der Therapie.

Unfallchirurgen sehen die Patienten oft zuerst, die noch gar nicht wissen, dass sie unter einer schleichenden Osteoporose leiden, berichtete Univ.-Prof. Dr. Michael J. Raschke vom Universitätsklinikum in Münster aus eigener Erfahrung. Erwartet wird trotzdem eine rasche Wiedereingliederung des alten Patienten in sein gewohntes Umfeld, vor allem eine Mobilisation mit Wiederherstellung der Gehfähigkeit unter Vollbelastung. Die häufigsten Diagnosen sind die Schenkelhalsfraktur und die peritrochantäre Fraktur gefolgt von distaler Unterarmfraktur und Humeruskopffraktur. Das ergaben Daten, die Raschke in Kooperation mit dem Verband der Ersatzkassen (VdAk) aus einem repräsentativen Datensatz von Versicherten, die ca. 30% der Bevölkerung unter den über 64-Jährigen darstellen, ermittelte. Prognosen zufolge wird der Anteil der über 85-Jährigen an den Patienten mit hüftgelenksnahen Frakturen weiter ansteigen - eine Herausforderung für die Zukunft.

Osteosynthese oder Prothese?


Für den Behandlungserfolg bei Schenkelhalsfraktur ist die Qualität der Reposition entscheidend. Laut Raschke hat sich dabei durchgesetzt, die nicht oder gering dislozierten Frakturen (Garden-Stadium I und II) eher osteosynthetisch zu versorgen, höher gradig dislozierte eher prothetisch, da bei dislozierten Schenkelhalsfrakturen die primäre Osteosynthese in bis zu 43% der Fälle versagt.

Bei peritrochantären Frakturen ist nach Raschkes eigener Erfahrung der Nagel gegenüber den extramedulären dynamische Hüftschraube (DHS) im Vorteil, die Datenlage sieht aber anders aus: Eine Cochraneanalyse kommt bei der Auswertung von 22 Studien mit 3.871 Patienten zum Schluss, die DHS sei dem Nagel überlegen, der Nagel sei am ehesten bei reversen und subtrochanteren Frakturen einzusetzen.

Frakturen der oberen Extremität


Auch an den oberen Extremität werden Frakturen immer mehr operativ versorgt, weil der Ausfall der oberen Extremität als „Navigationsinstrument" auch eine verschlechterte Gehfähigkeit, eine erhöhte Sturzangst und erneute Stürze zur Folge hat. Nach den Daten der VdEK werden die Mehrzahl der stationär behandelten distalen Radiusfrakturen chirurgisch behandelt. Die neueren winkelstabilen Systeme sind dabei auf dem Vormarsch - 2007 lag ihr Anteil schon über 50%, nicht zuletzt, weil sie die frühfunktionelle Nachbehandlung ermöglichen, interpretiert Raschke die Daten.

Auf Problem Osteoporose einstellen


Der Hauptgrund für ein Versagen der Systeme zur Schenkelhalsfrakturversorgung ist die mit steigendem Alter immer öfter zugrundeliegende Osteoporose. Raschke selbst testet gerade einen Prototyp eines intraoperativen Messgeräts für die Knochenqualität. Durch einen Drehmomentschlüssel kann geprüft werden, welches System bei der jeweiligen Knochenbeschaffenheit geeignet ist (Hip Torque Meter, Fa. Synthes). Auch die Implantate werden dieser wachsenden Problematik angepasst werden.

Wirbelkörperfrakturen sind die häufigsten osteoporotischen Frakturen - geschätzt wurden im Jahr 2000 allein in der EU 23,7 Millionen, davon allerdings nur 440.000 diagnostizierte. Dabei beeinträchtigen nach einer schwedischen Studie gerade diese Frakturen oft langfristig deutlich und stärker als bespielsweise eine Hüftgelenksfraktur die Lebensqualität. „Die Wirbelkörperfrakturen werden absolut unterschätzt", betonte Raschke. Nach den VdEK-Daten werden stationär am häufigsten Frakturen der Wirbelkörper des thorakolumbalen Übergangs versorgt. Hier werden die Patienten, je älter sie sind, umso häufiger konservativ behandelt, auch wenn insgesamt der Einsatz von Vertebroplastie und Kyphoplastie zunimmt. Die Versorgung der Wirbelkörperfrakturen hängt allerdings auch stark mit der Größe der versorgenden Klinik zusammen: je mehr Betten, desto häufiger wird operiert. Es ist sicherlich vernünftig, wenn kleinere Häuser die Patienten zur operativen Versorgung in die größeren Zentren verlegen, betont Raschke.

Persistieren die Schmerzen nach einer Vertebroplastie, kann auch eine Sarkepenie mit den Beschwerden zugrunde liegen. Die Rate der an einer Abnahme von Muskelmasse und Muskelkraft leidenden älteren Patienten ist sehr hoch: 33% der 70-Jährigen leiden unter Osteoporose, 55% unter einer Sarkopenie, so Raschke.

Osteoporoseempfehlungen oft missachtet


Osteoporosebedingte Frakturen erhöhen das Risiko einer Folgefraktur um 400%. Andererseits kann die Therapie der Osteoporose das Risiko einer erneuten Fraktur deutlich senken. Doch die Realität entspricht diesen anerkannten Tatsachen und den Empfehlungen der Fachgesellschaften immer noch nicht - gerade auch in Krankenhäusern nicht! Raschke bezeichnete die Hinweise aus der Literatur als erschreckend: International erhalten Patienten bei Einlieferung wegen Hüftfraktur zu 13% irgendeine Osteoporosetherapie, bei Entlassung waren es nur noch knapp 10%. Aus Deutschland gibt es ähnlich alarmierende Zahlen. Eine prospektive Kohortenstudie untersuchte die Versorgung von 1.201 Patienten über 65 Jahren, die wegen einer isolierten distalen Radiusfraktur in 242 Akutkliniken betreut wurden. Obwohl 62% der Frauen und jeder zweite Mann von Osteoporose betroffen waren, erhielten nur 7,9% der Patienten eine Verordnung von osteoporosespezifischen Medikamenten.

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