Medizin & Technik

Hightech-Implantate

31.01.2012 -

Die neuen Positionspapiere von VDE und acatech belegen das hohe medizinische und wirtschaftliche Potential bei Bio- und Theranostik-Implantaten. Hightech-Implantate gelten als Hoffnungsträger für Patienten und den Medizintechnikstandort Deutschland.

Chronische und altersbedingte Erkrankungen wie Herzinsuffizienz, Bluthochdruck und Diabetes Mellitus, oft verbunden mit Ausfällen wichtiger Körperfunktionen, stellen eine große Belastung für Patienten und Gesundheitssysteme dar - weltweit und angesichts der demografischen Entwicklung mit steigender Tendenz.

Die rasante Entwicklung bei medizinischen Implantaten eröffnet große Potentiale zur Optimierung patientenspezifischer Therapien und zur Minderung des Kostendrucks im Gesundheitswesen. Darüber hinaus bieten sie beachtliche Chancen für Deutschland, das bei medizintechnischen Innovationen eine Vorreiterrolle einnimmt. Allerdings sind eine weitsichtige Forschungsförderung und der zügige Abbau von Innovationshürden erforderlich, damit Deutschland seine gute Innovationsposition sichern und für das Gesundheitssystem sowie für Exporterfolge auf dem globalen Wachstumsmarkt nutzen kann. Unter anderem gilt es, grundlagen- und anwendungsorientierte Forschung zielgerichtet zu fördern und mit der klinischen Anwendung enger zu verzahnen. Das sind Ergebnisse des neuen VDE-Positionspapiers „Theranostische Implantate" und des gemeinsam mit der Deutschen Akademie der Technikwissenschaften erstellte VDE/acatech-Positionspapiers „Bioimplantate".

Damit Innovationen im Bereich der Medizintechnik schnell in das Gesundheitssystem integriert werden und beim Patienten ankommen, müssen zudem sowohl finanzielle Mittel bereitgestellt als auch förderliche gesetzliche und bürokratische Rahmenbedingungen für große klinische Studien im Rahmen der Zulassungsverfahren geschaffen werden.

Gesundheitssystem steht vor gewaltigen Herausforderungen

Wie dringend der Handlungsbedarf ist, veranschaulichen die folgenden Zahlen aus dem VDE Positionspapier „Theranostische Implantate". In Deutschland liegt der Anteil von chronisch Kranken an der Bevölkerung bei ca. 40%, bei den über 65-Jährigen sogar bei fast 90%. Die Hälfte aller stationär und ambulant behandelten Patienten ist chronisch krank. Neben Diabetes gehören hierzulande Bluthochdruck, Arthrose, Schwerhörigkeit und Demenz zu den häufigsten chronischen Krankheiten. Da sich bis 2050 der Anteil der über 65-Jährigen an der Gesamtbevölkerung in Deutschland um 6,3 Mio. Menschen erhöhen wird, ist auch mit einer stärkeren Zunahme des Anteils der chronischen Krankheiten zu rechnen.

Neben der Früherkennung ist die Verbesserung der Therapietreue (Compliance) von erheblicher Bedeutung. Expertenschätzungen zufolge resultieren aus Non-Compliance in Deutschland ca. 15 bis 20 Mrd. Euro Kosten, was ungefähr 10% der jährlichen Ausgaben im Gesundheitswesen entspricht. Dazu zählen insbesondere direkte Kosten aufgrund zusätzlicher Krankenhausaufenthalte, Arztbesuche und Notfalleinweisungen wie auch indirekte Kosten durch Verlust an Produktivität, Arbeitseinkommen sowie vorzeitige Todesfälle. Die Non-Compliance-Raten sind gerade bei den Volkskrankheiten wie Bluthochdruck und Diabetes mit 50 bis 70 % bzw. 40 bis 50 % sehr hoch.

Theranostische Implantate als intelligente Therapiebetreuer und Kostendämpfer

Theranostische Implantate bieten laut VDE die Möglichkeit, Diagnostik und Therapie in einem „intelligenten" System zu verknüpfen, um so eine patientenspezifische Therapie zu ermöglichen und gleichzeitig die Therapietreue stark zu erhöhen. Damit werden sie zu einem wichtigen Instrument zur Bewältigung der Herausforderungen, die chronische und altersbedingte Krankheiten für das deutsche Gesundheitssystem darstellen. Theranostische Systeme können in Kombination mit Telemonitoring die Früherkennung und Therapietreue der Patienten deutlich verbessern und damit die Kosten im Gesundheitssystem stabilisieren.

Dabei greift die implantierbare Diagnostik nahezu gar nicht in die Lebensgewohnheiten eines Patienten ein. Daten werden automatisch und mit hoher Messdichte und Genauigkeit aufgenommen und über Telemonitoring dem Arzt mit automatischer Befund- und Alarmfunktion zur Verfügung gestellt. Die Einsparungspotentiale durch telemonitoringbasiertes Management werden z.B. bei der Betreuung von Herzinsuffizienzpatienten mit bis zu 3.000 Euro pro Jahr pro Patient beziffert. Darüber hinaus haben Diagnostikimplantate zum Teil Zugriff auf ganz andere physiologische Parameter als die externen Sensorsysteme. Das Spektrum der Anwendungsfälle geht weit über die telemetrische Überwachung von Körperfunktionen hinaus und reicht von der chirurgische und postoperativen Diagnostik über Anwendungen bei Erkrankungen wie etwa Parkinson, Elektrostimulation zur Wiederherstellung motorischer Funktionen bis hin zu Cochlea- und Retina-Implantaten und implantierbaren Mikropumpen.

Bioimplantate verbessern Lebensqualität und erschließen Einsparpotentiale

Ähnliche Entwicklungen und Potentiale sind laut VDE und acatech bei Bioimplantaten zu beobachten. Diese lassen sich - je nach dem Anteil der technischen bzw. biologischen Komponente am Gesamtkonstrukt - in biologische, biologisierte und biofunktionalisierte Implantate unterteilen und dienen dem Ziel, bestimmte Körperfunktionen wiederherzustellen oder die Ursachen - und nicht nur die Symptome - von Krankheiten zu behandeln.

Schon heute werden laut Bundesverband Medizintechnologie e.V. in Deutschland etwa 100.000 Herzschrittmacher, 160.000 Kniegelenke, 200.000 Hüftgelenke sowie 600.000 Augenlinsen pro Jahr eingesetzt. Hinzu kommen etwa eine Mio. Zahnimplantate pro Jahr. Allerdings kommt es aufgrund von Funktionsverlusten, zum Beispiel durch Infektionen oder Lockerung, nach einer gewissen Zeit zu einer größeren Zahl von Operationen zum Austausch des Implantates. Untersuchungen des Institutes für Qualität und Patientensicherheit und vergleichbare Zahlen aus dem Bereich der kardiovaskulären Medizin zeigen bei einer höheren Langzeitfunktion der entsprechenden Implantate ein erhebliches Einsparpotential bei den Gesundheitskosten in der Größenordnung von bis zu einer Mrd. Euro pro Jahr.

Angesichts des demografischen Wandels und der steigenden Lebenserwartung der Bevölkerung der westlichen Industrienationen steigt der Bedarf an lebenswichtigen Geweben und Organen für Transplantationen aufgrund altersbedingter Degenerationen kontinuierlich. Hinzu kommt der Bedarf aufgrund angeborener Fehlbildungen, nach krankheitsbedingtem Funktionsausfall oder nach einem Unfall. Für den Bereich der Bioimplantate wird in den nächsten Jahren ein erhebliches Marktwachstum erwartet. Um Einsparpotentiale zu erschließen und die Lebensqualität der Patienten zu verbessern, gilt es unter anderem, die Entwicklung biofunktionalisierter technischer Implantate mit entsprechenden Oberflächenbeschichtungen voranzutreiben, um deren Haltbarkeit und Standzeit verlängern.

Experten fordern optimierte Forschungsförderung und Zulassungsverfahren

Jedoch müssen den Positionspapieren zufolge die Anstrengungen forciert werden, damit Deutschland seine Chancen im internationalen Innovationswettlauf nutzt. Zum einen muss die Grundlagenforschung intensiviert und enger mit der klinischen Anwendungsentwicklung verzahnt werden. Zu den Themen mit einem erheblichen Bedarf an Forschungsförderung gehören im Bereich der Bioimplantate das Biologische Interface Engineering, die Standardisierung, die Verbesserung der Herstellbedingungen und Automatisierung von (Teil-) Prozessen, die Sterilisierbarkeit und Lagerfähigkeit, die Entwicklung adäquater, zulassungsrelevanter Tiermodelle und nicht invasiver, zerstörungsfreier Methoden für In-vivo-Diagnostik und Qualitätssicherung sowie die Definition von Sicherheit und Effizienz. Für die weitere Entwicklung intelligenter bzw. theranostischer Implantate sind Fortschritte bei wichtigen Schlüsseltechnologien, insbesondere in der Mikrosystemtechnik und Nanotechnologie der Halbleiterindustrie und -forschung, der Materialforschung, der Membrantechnologien sowie die Kombination von Implantaten mit Telemonitoring-Systemen, erforderlich.

Zum anderen müssen in Deutschland regulative Innovationshürden abgebaut werden, um den erheblichen Translationsstau auf dem Weg der Überführung wissenschaftlicher Erkenntnisse in innovative Produkte zu lösen. Das Kernproblem sind die langen Zulassungs- und Erstattungswege medizintechnischer Innovationen, die eine effektive Entwicklung von neuartigen Implantaten gefährden sowie schnelles Wachstum und damit das Schaffen von Arbeitsplätzen erschweren. Um die Erfolgspotentiale effektiv zu nutzen, sollten VDE und acatech zufolge passende gesetzliche und bürokratische Rahmenbedingungen für große klinische Studien im Rahmen der Zulassungsverfahren sowie eine zentrale Koordinationsstelle für Zulassung und klinische Innovationszentren für Medizinprodukte und Implantate geschaffen werden.

Medizintechnik als Wachstumsmotor zunehmend wichtiger

Die Innovationsstärke ist ein wichtiger Grundstein für die gute wirtschaftliche Entwicklung in diesem Bereich. Mit einem Branchenumsatz von rund 20 Mrd. Euro verbuchte die deutsche Medizintechnik-Industrie im vergangenen Jahr ein Plus von 9,4%. Auch für das laufende Jahr wird mit einem deutlichen Wachstum in einer Größenordnung von rund 8% gerechnet. Primär der Anstieg des Auslandsumsatzes um 12% auf 12,8 Mrd. Euro hat zu dem starken Zuwachs in 2010 beigetragen, darüber hinaus konnte der Inlandsumsatz der deutschen Hersteller mit einem Plus von 7,2 Mrd. Euro um 5% zulegen. Medizinprodukte sind auch ein wichtiger Arbeitsmarktfaktor. Die Medizintechnik beschäftigt insgesamt in Deutschland über 170.000 Menschen in über 11.000 Unternehmen, dazu gehören zu einem überwiegenden Teil kleine und mittelständische Unternehmen. Weitere 29.000 Mitarbeiter sind im Einzelhandel für medizinische und orthopädische Güter tätig.

Die deutsche Medizintechnikindustrie ist sehr exportorientiert - mit Exportquoten, die bis zu 64% weit über dem Industriedurchschnitt liegen. Angesichts des positiven Effekts des steigenden Exports auf das Bruttoinlandsprodukt und den Arbeitsmarkt gewinnt innovative Medizintechnik „Made in Germany" als Konjunkturmotor zunehmend an Bedeutung.

 

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