Medizin & Technik

Konflikt- und Haftpflichtmanagement im OP

13.12.2010 -

„Die Klagebereitschaft im Gesundheitswesen hat in den letzten Jahren signifikant zugenommen", berichtete Rechtsanwalt Prof. Dr. Volker Großkopf. Nicht nur die Patienten, sondern auch die Kassen würden immer häufiger Regressansprüche gegenüber den Trägern geltend machen. Der Spezialist für Pflege- und Arzthaftungsrecht zeigte deshalb das haftungsrechtliche Risikopotential auf, in dem sich Fach- und Führungskräfte im OP-Bereich alltäglich bewegen.

„Verlaufen Behandlungen ordnungsgemäß, ist es für den Kläger schwierig zu beweisen, dass eine Schadensersatzbegründung besteht", leitete Großkopf ein. Gewisse Umstände erleichterten jedoch dem Kläger die Beweislastführung, z.B. Aufklärungs- und Dokumentationslücken, der Einsatz von nicht hinreichend qualifiziertem Personal, grobe Behandlungsfehler oder Sorgfaltspflichtverletzungen im sog. „voll beherrschbaren Herrschafts- und Organisationsbereich".

Rechtliche Problembereiche zeitnah identifizieren
„Voll beherrschbar" sind im rechtlichen Sinne vor allem Transfer- und Transportmaßnahmen sowie die Durchführung von Hygienemaßnahmen. Sofern feststehe, dass die tatsächliche oder vermeintliche Schädigung ihre Ursache in einem voll beherrschbaren Risikobereich habe und gleichzeitig keine individuellen biologisch-physiologischen Besonderheiten des Patienten zumindest als Mitursache verantwortlich sein könnten - anders als z.B. beim Dekubitus, dessen Entstehung auch patientenbedingt ist -, kehre sich die Beweislast um, erklärte der Rechtsexperte. Dann habe die Behandlungsseite, die Klinik, den Vorwurf der Fehlerhaftigkeit zu widerlegen und müsse beweisen, dass die vorgenommenen Behandlungen sach- und fachgerecht sowie nach dem aktuellen Stand der Wissenschaft und Forschung erbracht worden sind. Deutlich wird in diesem Zusammenhang die herausragende Rolle der Dokumentation: „40% der Prozesse gehen verloren oder müssen verglichen werden, weil entweder widersprüchlich, mangelhaft oder manipulierend dokumentiert wurde", berichtete Großkopf aus der Erfahrung seiner Tätigkeit als Rechtsanwalt.

Großkopf riet daher: a) innerhalb der Einrichtung ein Bewusstsein zu schaffen über die Umstände für Beweiserleichterungen und b) gezielte Maßnahmen zu treffen, um haftungsrechtliche Inanspruchnahmen zu vermeiden und Risikopotentiale zu minimieren. Großkopf empfahl den Teilnehmern den gezielten Einsatz von Qualitätsmanagementbeauftragten und systematische Nachschulungen.

Arbeitszeit und andere Hindernisse
Um die Ursachen für Unachtsamkeiten und Fehler möglichst gering zu halten, sollten auch die Arbeitsbedingungen so gestaltet sein, dass sie für alle Teammitglieder adäquat geregelt sind. Ein Arbeitsplatz im Hochrisikobereich OP fordert aufgrund der hohen Arbeitsbelastung alle Teammitglieder - sowohl geistig als auch körperlich.

Die aktuelle Rechtsprechung zur Arbeitszeit und anderen arbeitsrechtlichen Fragen thematisierte der Lehrer für Pflegeberufe und ehemalige ehrenamtliche Arbeitsrichter Winfried Mönig. „Hohes Konfliktpotential im Klinikalltag wirft immer wieder der Pausenbegriff auf", berichtete Mönig - und erntete Zustimmung bei den Teilnehmern. Fest stehe jedoch: Bei einer Arbeitszeit von sechs bis neun Stunden stehe dem Arbeitnehmer mindestens einmal 30 min. oder zweimal 15 min. Ruhezeit zu. In dieser Zeit sei der Arbeitnehmer frei von jeder Verpflichtung, sich für Arbeitsleistungen bereitzuhalten. Auch die Regelung, dass Arbeitnehmer nicht länger als sechs Stunden hintereinander ohne Pause beschäftigt werden dürfen, sei im OP obligat. „Dieser Grundsatz bedingt gegebenenfalls sogar die Ablösung des operativen Teams", fügte Mönig hinzu. Fragen warfen ebenso die von Mönig dargestellten gängigen Problemfelder im OP auf, wie die anschließende Diskussion widerspiegelte: Stark nachgefragt wurde die aktuelle Rechtsprechung zu Überstunden, Rufbereitschaft sowie Urlaubs- und Vertretungsregelungen.

Aber nicht nur unbefriedigende Arbeitsbedingungen und unvorhergesehene Zwischenfälle oder Komplikationen können die Arbeit im OP belasten und schließlich die Klinik rechtlich gefährden - auch zwischenmenschliche Konflikte lassen den Stressfaktor und damit die Belastung ansteigen. Wenn unter diesen Bedingungen Unachtsamkeiten zu Fehlern führen, kann dies für Mitarbeiter und Patienten gravierende Folgen haben. Der regulierten Deeskalation zwischenmenschlicher Konflikte widmeten sich daher am zweiten Seminartag der Dipl.-Sozialwissenschaftler Guus van der Upwich sowie der Pflegepädagoge Wendelin Herbrand.

„Sag dem Konflikt, dass ich komme"
„In der Regel gehen wir Konflikten aus dem Weg", sagte Sozialwissenschaftler Guus van der Upwich. „Wir lassen uns zu viel bieten und schießen dann über das Ziel hinaus." Um einen anschwellenden oder bereits bestehenden Konflikt zu deeskalieren, rät van der Upwich Führungskräften, zeitnah, aber nicht überstürzt zu handeln: „Klären Sie einen Konflikt nie in Stresssituationen oder zwischen Tür und Angel. Lassen Sie einen Konflikt aber auch nicht länger als eine Woche brodeln." Im Gespräch sollte dann die 70:30-Regel beachtet werden: 70% des Redeanteils solle dem oder den Mitarbeiter/n zustehen und 30% der Führungskraft. Führungsaufgabe sei es dann, gemeinsam mit dem oder den Mitarbeiter/n einen Kompromiss zu finden, statt zu beschuldigen, zu fordern oder zu drohen. „Konflikte können nicht gewonnen werden, denn wenn einer der Gewinner ist, wird automatisch der andere zum Verlierer", betonte van der Upwich. Jeder müsse sein Gesicht wahren können.

Krisenmanagement in der Praxis
Auch Pflegepädagoge Herbrand warnte vor voreiligem Handeln. Im Sinne einer gewaltfreien Kommunikation empfahl Herbrand, Ich-Botschaften zu senden statt Du-Botschaften mit Interpretationen und Beschuldigungen: „Beschreiben Sie zunächst Ihre eigene Beobachtung. Sprechen Sie aus, was Sie fühlen, und schildern Sie Ihr Bedürfnis. Erklären Sie, wie Sie Abläufe, Regelungen oder Verhaltensweisen zukünftig gerne hätten. Und schließlich: Geben Sie Ihrem Gegenüber die Möglichkeit, ebenfalls Beobachtungen, Gefühle und Bedürfnisse zu äußern." Es gehe darum, sich in die Situation des Gegenübers einzudenken, zuzuhören und wertzuschätzen. Gemeinsam soll geklärt werden, was getan werden kann, damit die Anliegen aller Beteiligten erfüllt werden. Konkrete Fallbeispiele zeigten die Relevanz des Themas: Teilnehmer schilderten ihre „Problemfälle" aus dem Klinikalltag und erarbeiteten mithilfe von vorgestellten Konfliktlösungsmodellen wie Supervision, Moderation oder „Drama-Dreieck" gemeinsame Lösungskonzepte.

Deutlich wurde an den beiden Seminartagen: Probleme oder Komplikationen sind ein normaler Bestandteil der Zusammenarbeit im Hochrisikobereich OP. Wer aber rechtliche und zwischenmenschliche Problembereiche zeitnah identifizieren und daraus resultierenden Konflikten professionell begegnen kann, ist in der Lage, Schaden von sich, der Klinik und dem Patienten abzuwehren.

Kontakt

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