Medizin & Technik

Magnetic Particle Imaging: Schneller Durchblick dank kleiner Teilchen

06.04.2011 -

„Magnetic Particle Imaging" ist ein neues bildgebendens Verfahren, das hochauflösende 3-D-Bilder strahlenfrei und schnell liefern kann. Prof. Thorsten Buzug, Direktor des Instituts für Medizintechnik an der Uni Lübeck, ist an der Forschung - gemeinsam mit Kollegen aus Hamburg -seit etwa drei Jahren beteiligt.

M&K: Welches Prinzip steckt hinter Magnetic Particle Imaging, kurz MPI genannt?

Prof. Thorsten Buzug: Die Hauptrolle spielen Nanopartikel aus Eisenoxid, die dem Patienten als Tracer injiziert werden. Die Partikel können sehr empfindlich detektiert werden, indem ihre nichtlineare Magnetisierungsfähigkeit räumlich aufgelöst dargestellt wird. Dazu wird über eine im Prinzip recht einfache Spulenanordnung ein Magnetfeld erzeugt, das einen feldfreien Punkt (FFP) besitzt. Dieser FFP wird nun zur Abtastung sehr schnell durch den dreidimensionalen Raum bewegt. Immer dann, wenn sich der Punkt über die Partikel bewegt, ändert sich dort die Magnetisierung, die mit weiteren Spulen gemessen werden kann. Über ein mathematisches Verfahren wird aus diesem Messsignal ein dreidimensionales Bild der Partikelverteilung rekonstruiert.

Was sind die Vorteile dieses Verfahrens für Arzt und Patient?

Prof. Thorsten Buzug: Die Methode ist völlig frei von ionisierender Strahlung und kommt nur mit Magnetfeldern aus, die nach heutigem Kenntnisstand für die Gesundheit unbedenklich sind. Außerdem konnte in Simulationen und bei einem präklinischen Scanner der Philips Forschungslaboratorien bereits gezeigt werden, dass die Bildgebung sehr schnell ist und beispielsweise ein mit 240 Schlägen pro Minute schlagendes Mäuseherz in Echtzeit in 3-D darstellen kann. Hinzu kommt, dass das MPI eine hohe Empfindlichkeit aufweist, die dem Bereich der Nuklearmedizin sehr nahe kommt. Durch diese Eigenschaften ist das Verfahren konkurrenzlos und revolutionär, weil es ganz anders funktioniert als alle anderen bildgebenden Verfahren. Und es ist eine deutsche Erfindung, die aus den Philips Forschungslaboratorien Hamburg stammt.

Die sehr hohe Sensitivität hat wiederum den Vorteil, dass Tumore besser diagnostiziert werden können.

Prof. Thorsten Buzug: Das ist richtig. Nehmen wir als Beispiel Brustkrebs. Bislang entfernten Ärzte einer erkrankten Frau alle Lymphknoten in den Achselhöhlen, um eine Metastasierung zu verhindern - auch die gesunden. Schließlich wussten sie nicht, welche Lymphknoten befallen sind und welche nicht. Mittlerweile wird zunehmend die sogenannte Wächterlymphknoten-Biopsie durchgeführt, bei der der Arzt während des Eingriffs nur die Wächter-Lymphknoten entfernt und diese im Labor untersuchen lässt.

Ist dieser frei von Tumorzellen, so hat eine Metastasierung auf diesem Wege noch nicht stattgefunden. Heute werden die Wächter-Lymphknoten durch das Applizieren einer radioaktiven Substanz in der Nähe des Tumors aufgefunden, indem man sie mit einem Geiger-Müller-Zählrohr während der OP hörbar macht. Dieses Verfahren hat sicher Potential zur Verbesserung.

In einem unserer Projekte, die wir mit Philips und der Gynäkologie am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein in Lübeck durchführen, soll der radioaktive Stoff durch die Eisenoxid-Nanopartikel ersetzt werden. Die Wächterlymphknoten-Biopsie wird dadurch präziser, strahlungsfrei und somit deutlich weniger belastend für die Patientinnen, denn der Chirurg kann dann während des Eingriffs die Herausnahme der Lymphknoten mit dem MPI-Scanner überwachen. Dafür haben wir 2008 den Innovationspreis Medizintechnik des Bundesforschungsministeriums erhalten.

Welche Rolle spielt das Verfahren innerhalb der Kardiologie?

Prof. Thorsten Buzug: Unsere Vision ist, dass Ärzte mit MPI Herzerkrankungen schneller, präziser und für den Patienten schonender feststellen können. Eine belastende Röntgen-Herzkatheter-Untersuchung wäre nicht mehr nötig. Stattdessen zeigt der MPI-Scanner die Konzentration der Nanopartikel im Blut und macht z.B. sichtbar, wie gut das Herz durchblutet ist und ob sich Verengungen in den Herzkranzgefäßen gebildet haben.

Wann könnte das MPI seinen Platz in der klinischen Praxis erobern?

Prof. Thorsten Buzug: Das hängt insbesondere von den Ergebnissen eines gerade bewilligten Projekts des Bundesministeriums für Bildung und Forschung ab. In einem großen Konsortium, in dem neben Philips und Bruker auch Kontrastmittelhersteller wie Bayer-Schering mit der Charité und der Universität Lübeck zusammenarbeiten, sollen auch zwei MPI-Scanner entwickelt werden, die für den Einsatz am Menschen ausgelegt sind. Hier werden wir in den nächsten drei Jahren sehen, ob die dann entwickelten Prototypen und Tracer das Potential haben, das unsere Simulationen voraussagen.

Zur Person

Prof. Thorsten Buzug promovierte 1993 im Fach Angewandte Physik an der Universität zu Kiel. Nach einer postdoktoralen Position an der Forschungsanstalt der Bundeswehr für Wasserschall- und Geophysik in Kiel, wo er im Bereich der Unterwasserbildgebung arbeitete, wechselte er 1994 zu den Philips-Forschungslaboratorien Hamburg. Als Leiter des Forschungsclusters Bildverarbeitung war Buzug dort für sämtliche Projekte der medizinischen Bildverarbeitung verantwortlich.

Buzug wurde 1998 auf eine C3-Professur für Physik und Medizintechnik an den Rhein-Ahr-Campus Remagen berufen. Seit 2006 ist er in seiner derzeitigen Position als Direktor des Instituts für Medizintechnik an der Universität zu Lübeck tätig. Buzug ist Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Medizintechnik.

 

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