Medizin & Technik

Versorgung von adipösen Patienten: Ein Zimmer für Übergewichtige

16.08.2012 -

Die Versorgung von adipösen Patienten stellt in vielen Kliniken ein Problem dar, obwohl es mittlerweile eine große Bandbreite an Hilfsmitteln gibt. Doch nur wenn diese genutzt werden, können Übergewichtige bestmöglich versorgt und Pflegekräfte entlastet werden.

Angesichts der Tatsache, dass übergewichtige Patienten noch vor zehn Jahren unter abenteuerlichen Bedingungen versorgt werden mussten, sind die heutigen Möglichkeiten die einem die Industrie, und hier speziell die Medizintechnik bietet, doch deutlich verbessert worden. Das heißt jedoch nicht, dass dieses zur Verfügung stehende Equipment auch in jeder Klinik eingesetzt werden kann. Denn noch immer wird aus unterschiedlichen Gründen auf eine angemessene Ausstattung verzichtet. So wird mit Kostengründen, mit der „seltenen Ausnahmesituation" oder auch nur mit der „nur vorübergehenden Versorgung bis zur Weiterverlegung in ein geeignetes Zentrum" argumentiert. Dass diese Denkweise zu kurz greift, möchte ich anhand einiger Beispiele erläutern.

Bei Aufnahme von Patienten übernimmt eine Klinik die Verantwortung für die angemessene Versorgung der zu betreuenden Kranken. Bei übergewichtigen Patienten bedeutet dies unter anderem auch rechtliche Konsequenzen durch für die Gewichtsklasse nicht zugelassene Hilfsmittel. Aber auch für Aspekte der Gesunderhaltung des Pflegepersonals greift diese Verantwortung, die die Krankenhäuser häufig, aber noch nicht umfassend wahrnehmen. Sie setzen diese auch als Fürsorgemaßnahme nicht ein, um Personal etwa von physischer Arbeit zu entlasten, die ein Hilfsmittel genauso gut und meist noch sicherer durchführen kann. Allein der Krankheitsausfall von Pflegepersonal durch fehlende oder falsche Hilfsmittel - auch bei der Versorgung schwergewichtiger Patienten - summiert sich im Laufe eines Jahres zu mehreren Millionen Euro.

Dieses Geld ließe sich wesentlich besser in eine bessere Ausstattung investieren, die ja nicht nur bei schwergewichtigen Patienten genutzt werden kann, sondern auch in der Routineversorgung dabei hilft, Arbeitsprozesse zu unterstützen. Fehlbelastungen bei der Arbeit zu vermeiden und geeignete Hilfsmittel da einzusetzen, wo für Pflegeverrichtungen zusätzlich benötigtes Personal schlichtweg zu vermeidbaren Mehrkosten führt, ist ein weiteres nicht zu unterschätzendes Argument für sorgfältig ausgewählte Hilfsmittel.

Die Hilfsmittel, die hier angeführt werden sollen, sind vielfältig:

  • Betten für Schwergewichtige, bei denen nicht nur das Gewicht, sondern auch die Körperform eine entscheidende Rolle spielt,
  • Anti-Dekubitus-Matratzen mit der nötigen Stabilität und Tragkraft,
  • Patientenlifter, die bei nötigen Transfers die Arbeit erheblich erleichtern können,
  • Sitzgelegenheiten oder Untersuchungsliegen für Patienten, die noch mobil sind und auch nicht zur Immobilität im Spezialbett genötigt werden sollen,
  • Mobilisations- oder Toilettenstühle, die in Tragkraft und „nötiger Sitzbreite" geeignet sein müssen,
  • Transferhilfen, die laterale Transfers im Bett oder zur Diagnostik erleichtern,
  • Kompressionsgeräte zur Thromboseprophylaxe bei immobilen Patienten und
  • geeignete Kleidung oder diverse Kleinteile wie Blutdruckmanschetten, Instrumente, zentrale Venenkatheter und vieles mehr.

Die Spezialbetten für die schwergewichtigen Patienten müssen einerseits besonders stabil sein, andererseits sollten sie aber auch über diverse Funktionen verfügen, die diesen Patienten in besonderer Weise gerecht werden. Idealerweise sollten Spezialbetten tief absenkbar sein, um auch kleinen Patienten das Aufstehen oder Einsteigen ins Bett zu erlauben. Auch eine breitere Liegefläche, um die Positionierung zu den Seiten zu erleichtern und den Patienten auf der Stelle nicht drehen zu müssen, ist wichtig. Genauso wie Handgriffe, um dem Patienten die nötige Unterstützung zum Aufstehen bieten zu können, und eventuell eine integrierte Waage, da gerade bei diesen Patienten Gewichtsveränderungen visuell nicht so schnell wahrgenommen werden können.

Hilfreich kann auch der Einsatz sogenannter BedMover sein, der die körperliche Arbeit beim Schieben solcher Spezialbetten übernimmt. Die zuständige Pflegekraft übernimmt dann neben der Überwachung des Patienten nur noch die Rolle des Steuermanns und nicht das Bewegen des Bettes mit dem Patienten. Ein zusätzlicher Aspekt ist das Durchqueren von Zimmertüren mit Standardmaßen, die nicht bei jedem Bettensystem gewährleistet ist. Dazu ist auch eine geeignete Matratze mit der nötigen Stauchhärte zu wählen, die den Patienten je nach Prophylaxebedarf unterstützt oder im Bedarfsfall auch mittels einer integrierten Drehhilfe dem Pflegepersonal die kontinuierliche laterale Drehung des Patienten erleichtert.

Aber auch für den noch mobilen Patienten sind entsprechende Sitz- oder Untersuchungsmöbel vorzuhalten, damit ein möglichst häufiges Verlassen des Bettes zur effektiven Mobilisierung des Patienten gewährleistet ist. Dies trifft vor allem den Bereich der Notaufnahme oder der Ambulanzen, da hier oft noch restmobile Patienten aufgenommen werden, die aufgrund diverser Begleiterkrankungen nicht oder nur so spät wie möglich im Bett in nicht angemessener Weise flach positioniert werden sollen.

Ein vielfach unterschätztes Hilfsmittel in der täglichen Pflegeroutine sind Patientenlifter, die meist in verschiedenen Ausführungen vorrätig sind, aber gerade im Krankenhaus oft ein stiefmütterliches Dasein fristen. Wenn dann schwergewichtige Patienten mittels dieser Hilfsmittel bewegt werden sollen, ist die nötige Routine oft nicht vorhanden, um die ohnehin erschwerte Arbeit an diesen extrem schwer zu versorgenden Patienten suffizient durchzuführen. Wenn eine Klinik die Möglichkeit hat, im Rahmen eines Um- oder Neubaus einen Deckenlifter mit der nötigen Tragkraft zu installieren, so sind diese den mobilen Liftern vorzuziehen, da das Gewicht des Patienten zum Eigengewicht des fahrbaren Lifters addiert werden muss. Und dieses zu bewegende Gesamtgewicht kann auch schon mal bis zu 400 Kilogramm betragen.

So wäre es eine angemessene Lösung, ein Patientenzimmer vom Grundriss und von der Ausstattung her als Adipositaszimmer zu konzipieren und einzurichten. Hilfestellung bietet die Industrie gerade in diesem Bereich, da es an viele Dinge zu denken gilt, die im normalen Krankenzimmer meist nicht vorgesehen wurden. Eines der Hilfsmittel (Bett, Patientenlifter, Stuhl etc.) sollte über eine Waage verfügen, um therapierelevante Aussagen zum Gewichtsverlauf des Patienten gewinnen zu können.

Auch bei der Beschaffung von Dusch- und Toilettenstühlen muss neben der erforderlichen Tragkraft auf die benötigte Sitzbreite geachtet werden. So schaffen es einzelne Anbieter, einen Toilettenstuhl mit einer Tragkraft von 250 Kilogramm anzubieten, der aber die gleiche Sitzbreite wie ein normaler Toilettenstuhl mit einer Tragkraft von 120 Kilogramm hat. Da kann etwas nicht stimmen.

Ein Bereich, der immer mehr Bedeutung gewinnt, ist die Anwendung von Transferhilfen wie Gleitmatten, Hovercraft-Systemen (Luftkissen zum Transfer) oder Liftergurtmatten. Hier wird es in Kürze eine Möglichkeit geben, diese Gurtmatten wie ein unter dem Patienten verbleibendes Bettlaken zu benutzen, um das aufwendige Ein- oder Ausziehen von Gleitmatten wegfallen zu lassen. Auch der Einsatz von apparativer Kompressionstherapie mit angelegten Arm- oder Beinmanschetten, die intermittierend aufgeblasen werden, um die menschliche Muskelpumpe zu imitieren, wird künftig sicherlich eine immer mehr beachtete Anwendung im Bereich der Thrombose-Prophylaxe gerade bei immobilen adipösen Patienten darstellen.

Darüber hinaus gibt es aber noch viele andere Bereiche, in denen sich der klinische Anwender und die in diesem Segment tätige Industrie gegenseitig zu weiteren Lösungen inspirieren können, um die pflegerische Versorgung von Patienten mit dem extrem komplexen Krankheitsbild Adipositas weiter zu verbessern.

 

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