Hygiene

Prof. Dr. Joerg Hasford im Interview über Kooperation zwischen European LeukemiaNet und Novartis

26.05.2011 -

Die von der Politik zunehmend eingeforderte Zusammenarbeit zwischen Industrie und akademischer Forschung – Public Private Partnership, kurz PPP – besteht im Falle des European Leukemia-Net (ELN) und dem Pharmaunternehmen Novartis nun seit reichlich einem Jahr. Teil dieser Kooperation ist der Aufbau eines CML-Patientenregisters, um einen Einblick in Therapie und Krankheitsverlauf der CML (Chronisch Myeloische Leukämie) außerhalb von Studien zu gewinnen – und, um die Umsetzung der ELN-Therapieempfehlungen zur CML zu beurteilen. Eva Britsch sprach mit Prof. Dr. Joerg Hasford, Ludwig-Maximilians-Universität München, über den aktuellen Stand des Registers und die Therapiepraxis bei CML. Hasford ist seit 1984 der verantwortliche Biostatistiker der Deutschen CML Studiengruppe und ist Projektleiter im European LeukemiaNet.

Management & Krankenhaus: Zusammen mit europäischen Kollegen haben Sie das europäische CML-Patientenregister initiiert. Was sind Ihre Ziele?

Joerg Hasford: Durch das europäische CML-Patientenregister können wir einen Einblick in die CML-Therapie außerhalb von Studien gewinnen. Europaweit werden hier Daten zu Prognose und Krankheitsverlauf der CML gesammelt und analysiert. Durch die Auswertung dieser epidemiologischen Daten können wir die Neuerkrankungshäufigkeit gegliedert nach Alter, Geschlecht und Krankheitsstadium bei Diagnose bestimmen. Da es sich um ein europäisch übergreifendes Projekt handelt, kann man auch demografische Tendenzen feststellen, wie beispielsweise das Vorhandensein eines Nord-Süd Gradienten oder eines Ost-West Gradienten, oder ob CML in allen Ländern gleich häufig auftritt.

Darüber hinaus wollen wir mit diesem Register auch Fragen der Versorgungsforschung beantworten. Zum Beispiel, ob es geschlechtsspezifische Unterschiede in der Versorgung gibt, oder ob die Behandlung vom Alter des Patienten abhängig ist. Von diesen Forschungsergebnissen ausgehend haben wir die Möglichkeit, Schwachstellen aufzudecken und diese z. B. durch gezielte Fortbildungsmaßnahmen zu beseitigen. Im Rahmen des CML-Registers können wir auch gleich den Erfolg dieser Bemühungen messen.

Wie ist der aktuelle Stand des CML-Registers? Gab es bei der Auswertung der Daten auch „überraschende“ Ergebnisse?

Joerg Hasford: Das Register beinhaltet gegenwärtig ca. 2.800 Datensätze aus unterschiedlichen europäischen Ländern. Diese Patienten wurden ab Beginn der Therapie beobachtet. Trotz des relativ begrenzten Beobachtungszeitraumes (Anmerkung der Redaktion: das Register besteht seit 2007) können wir schon jetzt Rückschlüsse aus den Registerdaten der Behandlung mit Imatinib ziehen und feststellen: Imatinib ist in den Registerdaten ähnlich erfolgreich wie in den klinischen Studien. Die Anzahl der Patienten mit kompletter und partieller zytogenetischer Remission entspricht den Zahlen der IRIS-Studie (International Randomized Study of Interferon and STI571).

Innerhalb eines Pilotprojekts wurden Daten von etwa 10.4 Mio. gesetzlich krankenversicherten Patienten in Deutschland analysiert. Dabei stellten wir fest, dass die Rate an Neuerkrankungen bei etwa 1,8 pro 100.000 Einwohner liegt. CML betrifft Männer etwas häufiger als Frauen, die Männer sind bei der Diagnosestellung auch etwas jünger als die Frauen. Durch die Analyse wurde erfreulicherweise auch deutlich, dass es keinen Unterschied zwischen der Behandlungsweise von Männern und Frauen gibt. Auf der anderen Seite haben wir leider feststellen müssen, dass ältere Patienten deutlich schlechter behandelt werden als jüngere Patienten.

Was sind Ihrer Meinung nach die Hintergründe dafür, dass ältere Patienten nicht denselben Therapiestandard erhalten, wie jüngere CML-Patienten. Sehen Sie hier allein das Kostensparmoment im Vordergrund?

Joerg Hasford: Wir haben keine Hinweise gefunden, dass diese Unterversorgung durch die Krankenkassen oder durch eine offizielle Kostensenkungspolitik bedingt ist. Es handelt sich möglicherweise um ein Missverständnis bezüglich der Lebenserwartung. Patienten, die bereits das 70. Lebensjahr erreicht haben, weisen eine höhere statistische Lebenserwartung auf als die mittlere Lebenserwartung, die typischerweise für Neugeborene ausgewiesen wird. Die behandelnden Ärzte müssen realisieren, dass ein 70-jähriger männlicher Patient in der Regel noch eine Überlebenszeit von 13 Jahren hat (bei Frauen sind es sogar 16 Jahre) und deshalb das Recht auf die wirksamste Therapie hat. Insgesamt erhalten 57 % der Patienten, die älter als 70 Jahre sind, nicht den therapeutischen Standard, sondern werden schlicht mit Hydroxyurea behandelt. Die mediane Überlebenszeit unter Hydroxyurea liegt zwischen 3,5 und 5 Jahren und damit deutlich niedriger als unter Imatinib. Dieser Therapieansatz ist angesichts der Lebenserwartung dieser Patienten nicht zu vertreten.

Sehen Sie bei älteren CML-Patienten Complianceprobleme?

Joerg Hasford: Die Patienten-Compliance kann ich hier natürlich nur eingeschränkt analysieren, schließlich sind diese Daten aus der Routineversorgung, also Rezeptdaten, die in der Apotheke zur Abrechnung eingereicht worden sind. Wir haben festgestellt, dass nur 46,8 % der Patienten Imatinib in der empfohlenen Dosierung an mehr als 301 Tagen pro Jahr erhalten haben. Aus Studien wissen wir jedoch, dass selbst bei einer lebensbedrohlichen Erkrankung, Patienten ihre Medikamente nicht jeden Tag in der vorgeschriebenen Dosis einnehmen. Dies ist ein Faktor, den wir mit Routinedaten nicht analysieren können. Um diesen Faktor zu evaluieren, müssten präzise Patientenbefragungen durchgeführt werden. In Belgien beispielsweise gibt es ein Projekt – ADAGIO – welches die Compliance bei älteren Patienten mit Imatinib bei CML untersucht, mit dem Ergebnis, dass selbst bei einer potentiell tödlichen verlaufenden Erkrankung wie der CML die Compliance zu wünschen übrig lässt. Schon jetzt versuchen wir im deutschen Raum durch Fortbildungsveranstaltungen darauf hinzuweisen, dass man die Therapie nicht nur bei älteren Menschen intensivieren muss. Die Compliance hängt auch davon ab, wie erfolgreich ein Arzt den Patienten zur regelmäßigen Tabletteneinnahme motivieren kann.

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