IT & Kommunikation

Dynamische Robotik in der Gesundheitsversorgung

18.05.2021 - Roboter übernehmen nicht nur automatisierte Arbeitsschritte. Bedeutend ist ihr Einsatz auch in Betreuung und Gesundheitsversorgung.

Die demografischen Veränderungen und der daraus resultierende Fachkräftemangel gehören zu den ereignisreichsten gesellschaftlichen Herausforderungen. Es sind Lösungen gefragt, die das Personal sowohl in stationären als auch ambulanten Versorgungsstrukturen entlasten, um so eine weiterhin hohe Qualität in der Gesundheitsversorgung und Pflege zu ermöglichen. Innovation im Bereich der Technik ist ein wesentlicher Treiber für neue Anwendungen im Gesundheitswesen. Bei der Einführung von Robotik spielen aber nicht nur die technische Machbarkeit und die ökonomische Effizienz eine Rolle. Wichtig ist insbesondere auch die Akzeptanz vonseiten der verschiedenen Akteure, die nicht zuletzt durch deren kulturellen Hintergrund, rechtliche und ethische Aspekte sowie soziale, psychologische und individuelle Faktoren beeinflusst wird. Die latente Angst der deutschen Bevölkerung vor Robotik ist meist irrational und an humanoide Vorstellungen geknüpft.

Assistenten im OP-Saal

Das Gebiet der Robotik zeichnet sich durch die Vielfalt und verschiedene Komplexität der Geräte aus. Robotik hat längst Einzug in den OP-Saal gefunden. Roboter garantieren eine höhere Präzision und die Eingriffsdauer kann verringert werden. Darüber hinaus ermüden Roboter, anders als Menschen, nicht und liefern somit eine höhere Sicherheit. All diese Faktoren führen zu einer Reduktion der Gefahr von Komplikationen. Häufigste Anwendungsgebiete sind derzeit die Fachbereiche der Orthopädie und der (Neuro-)Chirurgie. Seit Ende der 90er Jahre kommt das OP-Robotiksystem von einem kalifornischen Anbieter in Kliniken zum Einsatz, heute überwiegend zur minimalinvasiven robotergestützten Chirurgie bei Prostata-, Blasen- und Nierenoperationen. Der Chirurg kann die vier Arme des Roboters sehr präzise steuern. Unbeabsichtigte Bewegungen wie das Zittern der Hände werden ausgeglichen. Das hochauflösende Kamerasystem kann zudem ein bis zu 10-fach vergrößertes Bild liefern und damit feinste Gewebestrukturen zeigen. Der Arzt führt die Operation an einer Konsole aus, sieht währenddessen über einen Bildschirm die Endoskop-Aufnahmen in 3D und steuert gefühlt die Spitzen seines Werkzeuges - und nicht die umständlichen, aber notwendigen Verlängerungen der Instrumente. Zahlreiche Sensoren im Inneren sorgen dafür, dass alle Kontakte des Roboterarms mit der Umgebung in Echtzeit an das Eingabegerät des Operateurs zurückgemeldet werden. Für den Chirurgen bedeutet dies ein intuitiveres und gefühlt direkteres Operieren. Dadurch kann auch gezielter schädliches Gewebe entfernt werden und gesundes Gewebe unbeschädigt bleiben. Der Chirurg sitzt an der Konsole, und Roboterarme setzen seine Kommandos mit höchster Präzision am Patienten um - führen exakte Schnitte aus, setzen Schrauben oder vernähen auf kleinstem Raum durchtrennte Adern. Dabei spürt der Arzt über seine Steuerung genau, was die Instrumentenspitzen am Roboter ausführen, so als ob er sie selbst in den Händen halten würde. Roboter und Mensch arbeiten gemeinsam Hand in Hand zusammen.

Forschung und Weiterentwicklung

Wissenschaftlern am Nationalen Centrum für Tumorerkrankungen Dresden (NCT/UCC) und am Zentrum für taktiles Internet mit Mensch-Maschine-Interaktion (CeTI) ist es erstmals gelungen, eine Methode zu entwickeln, mit der Computer lernen können, den Einsatz chirurgischer Instrumente situationsbezogen wenige Minuten vor deren tatsächlichem Gebrauch vorherzusagen. Sie nutzten hierfür ein künstliches neuronales Netz, das als Teilgebiet der Künstlichen Intelligenz die Fähigkeit des Menschen nachahmt, anhand von Beispielen zu lernen. Den intelligenten Algorithmus versahen sie mit folgender mathematisch formulierten Aufgabenstellung: Ausgehend von der kontinuierlichen Analyse der Video-Bilder einer Operation soll die Nutzung bestimmter Instrumente wenige Minuten vor deren Einsatz angezeigt werden. In den dazwischenliegenden Zeitintervallen, in denen das jeweilige Instrument nicht genutzt wird, soll das neuronale Netz lernen, nicht zu reagieren. Auch der Praxistest kommt nicht zu kurz: Immer wieder setzten die Ingenieure erfahrene Chirurgen an ihre Konsole, um an Silikon-Kunstherzen und Kunststoffgewebe mit dem Medizinroboter typische Operationsaufgaben zu testen. Wirbelsäulen-Spezialisten stellten Robotik bei Reparaturen von Wirbeln auf die Probe oder setzen kleine Schrauben in Knochenmaterial. Mit diesen Praxistests näherten sich die Ingenieure so immer mehr den Anforderungen der Nutzer an. Die so entwickelte Technologie wird nun als Grundlage für ein marktreifes Produkt angepasst und auf spezielle Anwendungen ausgerichtet. So profitiert der Standort Deutschland weiterhin von Forschung und Entwicklung. Im Forschungsbereich Kognitive Assistenzsysteme (COS) werden die Grundlagen multimodaler Mensch-Technik-Interaktion erarbeitet und personalisierte Dialogsysteme entwickelt, die Sprache, Gestik und Mimik mit physischer Interaktion verbinden. Dabei werden Benutzer-, Aufgaben- und Domänenmodelle verwendet, um das Dialogverhalten jeweils möglichst natürlich und das Dialogverstehen selbst in Gruppendiskussionen oder lauten Umgebungen möglichst robust zu gestalten. Durch die Integration virtueller Charaktere kann auch auf der Ausgabeseite emotionales und soziales Interaktionsverhalten realisiert werden.

Pflege und andere Einsatzgebiete

Die meisten identifizierten Gerätetypen lassen sich nach ihrer Funktion in drei Gruppen einteilen: 1. Trainingsgeräte und Hilfsmittel zur Bewegungsausführung, Mobilität und Selbstständigkeit, 2. Geräte, die den Menschen ergänzen, entlasten oder seine physische Anwesenheit ersetzen können sowie 3. Geräte, die den Menschen begleiten und mit ihm interagieren. Robotik kann zur Entlastung der stationären Pflege eingesetzt werden. Roboter verrichten Arbeiten, die bei Menschen zu körperlicher Ermüdung oder Schäden führen (wie beim Tragen von schweren Lasten, Wenden oder Umlagern von Patienten) oder einfache Dispositionsaufgaben (wie die Ausgabe von Essen) übernehmen. Somit verbleibt mehr Zeit für den persönlichen Patientenkontakt und die Pflegequalität kann insgesamt gesteigert werden. Darüber hinaus eignen sich Roboter zur Unterstützung bei der Rehabilitation sowie als Ersatz verlorengegangener Körperfunktionen. Auf institutioneller Ebene bietet Robotik ein Rationalisierungspotenzial im Bereich organisatorischer und logistischer Prozesse. In der Gesamtbetrachtung dürfte sich, bei einer gleichzeitigen Entlastung der Pflegefachkräfte und Linderung des Fachkräftemangels, die Qualität der Versorgung von Patienten und pflegebedürftigen Personen verbessern lassen. Zu den Risiken zählt, dass durch den Einsatz von Robotern die direkten Kontakte zwischen den Patienten und dem Gesundheitspersonal abnehmen. Das könnte sich negativ auf das Wohlbefinden und den Genesungsprozess der Patienten auswirken oder sogar zu deren Vereinsamung führen. Gleichzeitig würden auch die Pflege- und andere Gesundheitsberufe zunehmend unattraktiver, was den Fachkräftemangel zusätzlich verstärken könnte. Ein weiteres Risiko besteht bei besonders vulnerablen Personen, die selbst kein Einverständnis zum Einsatz von Robotern geben können. Heikel erscheint auch das Missbrauchspotenzial der von den Geräten gesammelten Daten. Ungeklärt ist weiter, wer bei Schäden haftet, die (semi-)autonom agierende Roboter verursachen. Auf institutioneller Ebene ist zu befürchten, dass der wirtschaftliche Druck zum bevorzugten Einsatz von Geräten führen könnte, die ökonomisch zwar vorteilhaft sind, aber für die Betroffenen Nachteile wie beispielsweise Kontaktverlust bringen und möglicherweise zum Abbau von Arbeitsplätzen führen könnten. Da es kaum Kosten-Nutzen-Analysen für Roboter im Gesundheitswesen gibt, besteht schließlich das Risiko, dass ihr Einsatz zu einer Kostensteigerung führen könnte. Hier ist eine dynamische Entwicklung vorhersehbar.

Autor: Hans-Otto von Wietersheim, Bretten

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