Auszeichnungen

ERC Advanced Grants für Spitzenforschende der Charité

27.04.2022 - Forschende der Charité – Universitätsmedizin Berlin haben das Auswahlgremium der Europäischen Kommission überzeugt: Wie reagiert das angeborene Immunsystem bei stark erhöhtem Nährstoffbedarf in Schwangerschaft und Stillzeit? Wie funktioniert das Gedächtnis von natürlichen Killerzellen? Und: Welche Mechanismen der Genregulation führten im Laufe der Evolution zum Entstehen von Flügeln bei einem Säugetier?

Diesen Fragen werden sie in den kommenden fünf Jahren nachgehen. ERC Advanced Grants gehören zu den höchstdotierten europäischen Auszeichnungen. Jeweils rund 2,5 Millionen Euro stehen den Projekten zur Umsetzung zur Verfügung.

Es gilt wegweisende, aber mit Unsicherheiten verbundene Ideen zu verfolgen. Der Europäische Forschungsrat, European Research Council (ERC), unterstützt daher mit seinen Advanced Grants herausragende, etablierte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler bei Vorstößen in noch unbekannte und gleichzeitig vielversprechende Bereiche ihres Fachgebiets. Alleiniges Auswahlkriterium ist die wissenschaftliche Exzellenz der Antragstellenden und der Projekte.

Prof. Dr. Andreas Diefenbach, Einstein-Professor und Direktor des Instituts für Mikrobiologie und Infektionsimmunologie der Charité, ist mit der Entwicklung des Immunsystems befasst. Im Mittelpunkt seiner Arbeiten steht die Frage, anhand welcher Mechanismen das angeborene Immunsystem Infektionserreger oder auch Krebszellen erkennt. Intensiv studierte er sogenannte natürliche Killerzellen (NK-Zellen) und konnte zeigen, dass diese und andere Lymphozyten des angeborenen Immunsystems, genannt Innate Lymphoid Cells (ILC), nicht nur zentrale Aufgaben bei der Infektionsabwehr übernehmen, sondern auch wichtige Funktionen bei nicht-immunologischen Vorgängen wie dem Stoffwechsel. Ein Fokus seiner Arbeiten liegt auf der Rolle des angeborenen Immunsystems bei Anpassungsprozessen an die Umwelt und Einflüssen von etwa Mikrobiom, Strahlung oder Ernährung auf diese Prozesse.

ERC Advanced Grant ILCADAPT: Wie Zellen des angeborenen Immunsystems auf Stoffwechselveränderungen in Geweben reagieren

Eine gelungene, bedarfsgerechte Anpassung an eine sich kontinuierlich verändernde Umwelt ist Voraussetzung allen gesunden Lebens. Die molekularen Grundlagen dieser Prozesse sind allerdings nur in Bruchstücken verstanden. So ist beispielsweise die Aufnahme von Nahrungsbestandteilen im Darm ein zentraler physiologischer Vorgang, der alle Aspekte des Organismus beeinflusst und komplexer Regulation unterliegt. Fehlregulationen hingegen führen zu Mangelsyndromen oder Stoffwechselerkrankungen wie Adipositas und Diabetes. Prof. Diefenbach und sein Team an der Charité und dem Leibniz-Institut Deutsches Rheuma-Forschungszentrum Berlin (DRFZ) konnten bereits zeigen, dass ILC, Lymphozyten des angeborenen Immunsystems, eine bedeutende regulierende Rolle bei der Aufnahme von Nährstoffen durch die Epithelzellen des Darms – Zellen, die den Darm innerlich auskleiden – spielen. Die ILC agieren als Sensoren bei verändertem Nährstoffbedarf und reagieren auf Veränderungen des Nahrungsinputs. Gezielt setzen sie Botenstoffe frei, die die Funktion des Darmepithels verändern, um so die Aufnahme von Nährstoffen anzupassen. Das ERC-Projekt ILCADAPT wird die Rolle von ILC in einer Ausnahmesituation, der stark erhöhten Nachfrage nach Nährstoffen während Schwangerschaft und Stillzeit, analysieren. Beide physiologischen Zustände gehen mit einem stark erhöhten Stoffwechselbedarf einher. Ziel ist es, die molekularen Netzwerke zu verstehen, durch die Lymphozyten des angeborenen Immunsystems die Verwertung von Nährstoffen regulieren, in dem sie Programme von Epithelzellen und hormonproduzierenden Zellen des Epithels steuern. Langfristige Perspektive der Untersuchungen ist es, grundlegende Regulationsmechanismen zu erkennen und für Therapien bei Stoffwechselerkrankungen zugänglich zu machen.

Prof. Dr. Stefan Mundlos, Direktor des Instituts für Medizinische Genetik und Humangenetik der Charité und Forschungsgruppenleiter am Max-Planck-Institut für molekulare Genetik (MPIMG), untersucht Ursachen genetischer Erkrankungen und erforscht, auf welche Weise Information im Genom gespeichert und weitergegeben wird. Auch ist er mit genetisch bedingten Fehlbildungen des Skeletts sowie mit seltenen Knochenerkrankungen befasst. Insbesondere widmet sich Prof. Mundlos der Frage, wie die Regulation der Genaktivität die menschliche Entwicklung steuert und wie im Einzelnen es dabei zu Erkrankungen und Fehlbildungen kommen kann. Hierzu nutzt der Humangenetiker neue Methoden des Genome Engineering und hinterfragt den Einfluss nicht-kodierender Teile des Genoms auf die Genregulation während der Embryonalentwicklung. Ein weiterer Schwerpunkt ist die vergleichende Genomik evolutionärer Anpassungsvorgänge.

ERC Advanced Grant GenRevo (Genetic Engineering of Regulatory Evolution): Wie die Fledermaus das Fliegen lernte – ein Musterbeispiel evolutionärer Anpassung

Wie kommt die äußere Form eines Organismus zustande? Und wie wird dieser Vorgang durch nicht-kodierende Elemente des Erbguts gesteuert? Diesen Fragen stellt sich Prof. Mundlos bereits seit vielen Jahren. Zwar ist bekannt, dass die Regulierung von Genen eine Schlüsselrolle bei der Gestaltung von Phänotypen, dem äußeren Erscheinungsbild eines Organismus, spielt. Die genauen Einflüsse regulatorischer Sequenzen hingegen, jener Bereiche des Erbguts, die selbst nicht abgelesen werden, sind noch immer unbekannt. Regulatorische Sequenzen machen einen großen Teil des nicht-kodierenden Erbguts aus. Sie enthalten keine Bauanleitungen für Proteine. Stattdessen steuern sie die Genexpression, also ob und wann ein Gen abgelesen und wie viel Protein infolgedessen hergestellt wird. Wie dabei sogenannte Enhancer (englisch für „Verstärker“), Promotoren (von französisch für „Initiator“) und andere regulatorische Komponenten zusammenarbeiten, um die Genexpression zu kontrollieren und fein abzustimmen, das gilt es zu verstehen. Enhancer-Sequenzen können weit von ihrem Ziel-Gen entfernt sein. Die Promotorregion dagegen befindet sich stets in unmittelbarer Nähe zum eigentlichen Gen. Zusätzlich gibt es epigenetische Regulatoren – also Faktoren, die die „Verpackung“ des Erbgutes chemisch modifizieren, sie mit einer Lesesperre versehen, die DNA-Sequenz selbst aber nicht verändern. Prof. Mundlos und seinem Team ist es bereits gelungen aufzuzeigen, wie DNA-Veränderungen in nicht-kodierenden Bereichen zu Krankheiten führen können. So können Abweichungen in der DNA-Sequenz Veränderungen in der dreidimensionalen Struktur des Genoms verursachen. Legt sich beispielsweise ein DNA-Faden im Zellkern nicht mehr in die richtigen Schlaufen, kann dies eine fehlerhafte Genregulation zur Folge haben.

Eine der derzeit größten Herausforderungen ist es, den Sequenzcode aufzudecken, der die Genexpression und letztlich den Phänotyp steuert. Im ERC-Projekt GenRevo hat sich Prof. Mundlos vorgenommen, die Genomik eines extremen Beispiels evolutionärer Anpassung, den Flügel von Fledermäusen, als Modellsystem zu untersuchen. Ziel ist es, herauszufinden und funktionell zu analysieren, wie im Einzelnen die regulatorische Sequenz das Erscheinungsbild der Flügel, also der vorderen Gliedmaßen des fliegenden Säugetiers, bestimmt. Gemeinsam mit einem Team an der Charité und am Max-Planck-Institut für molekulare Genetik plant der Humangenetiker, die nicht-kodierenden genetischen Steuerungselemente zu identifizieren, die diese außergewöhnliche evolutionäre Anpassung steuern. Als Vergleich dient hierzu die Maus, bei der vordere und hintere Extremitäten relativ gleich aufgebaut sind. Da diese Steuerungselemente verhältnismäßig groß sind, wollen die Forschenden die Genom-Abschnitte mit Technologien der synthetischen Biologie selbst künstlich herstellen und testen. Nachfolgende Analysen sollen aufzeigen, welche genetischen Schalter für die Ausbildung von Flügeln anstelle von Pfoten erforderlich sind, und nach welchen Gesetzmäßigkeiten diese zusammenarbeiten. Neben der Klärung grundlegender Fragen soll die neu entwickelte Technologie die Funktionsanalyse von Säugetiergenomen in der Zukunft entscheidend erleichtern. Auch könnte sie Untersuchungen von nicht-kodierenden DNA-Abschnitten ermöglichen, die die Entwicklung des Körpers oder das Entstehen genetischer Erkrankungen beeinflussen.

Mit Prof. Dr. Chiara Romagnani erhält eine weitere Forschende der Berliner Universitätsmedizin die Auszeichnung eines ERC Advanced Grants. Das Vorhaben wird am Leibniz-Institut Deutsches Rheuma-Forschungszentrum Berlin (DRFZ) angesiedelt sein – hier und an der Charité leitet die Immunologin eine gemeinsame Arbeitsgruppe. Prof. Romagnani beschäftigt sich seit Beginn ihrer Forschungslaufbahn mit dem angeborenen Immunsystem. In ihren Arbeiten konnte sie zeigen, dass auch natürliche Killerzellen (NK-Zellen) die Fähigkeit haben, sich als Reaktion auf Virusinfektionen klonal zu vermehren und auf lange Zeit im Menschen zu überleben. Diese Eigenschaften galten bis dahin als exklusiv für adaptive Gedächtniszellen. In dem nun geförderten ERC-Projekt MEM-CLONK (Imprinting und Klonalität des Gedächtnisses menschlicher NK-Zellen) wird sie die molekularen Mechanismen untersuchen, die die epigenetische Umstrukturierung, die klonale Selektion und die Aufrechterhaltung von NK-Gedächtniszellen steuern. Basierend auf diesem Wissen soll es möglich werden, antivirale und antitumorale Zelltherapien zu entwickeln.

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