ERC Consolidator Grant für Andreas Bock
10.12.2025 - Der Direktor des Instituts für Pharmakologie der Universitätsmedizin Mainz, Univ.-Prof. Dr. Andreas Bock, erhält vom Europäischen Forschungsrat (ERC) für sein Forschungsprojekt „Elucidating the Role of Subcellular GPCR Nanoswitches in Signaling Specificity – Clarity“ den ERC Consolidator Grant.
Das langfristige Ziel des in den nächsten fünf Jahren mit zwei Millionen Euro geförderten Projekts besteht darin, dazu beizutragen, dass eine Generation von Medikamenten entwickelt werden kann, die sich dadurch auszeichnet, dass ihre Wirkstoffe punktgenau auf bestimmte Nanoschalter abzielen statt auf ganze Zellen. Die zentrale Forschungsfrage lautet: Wie schaffen es Zellen, die gleichzeitig viele verschiedene Signale aus ihrer Umgebung erhalten, diese in präzise und hochspezifische Funktionen umzusetzen, im Besonderen dann, wenn viele Empfängermoleküle, sogenannte Rezeptoren, gleichzeitig aktiviert werden? Dabei verfolgen Andreas Bock und seine Arbeitsgruppe eine neue Theorie: Zellen arbeiten mit räumlich begrenzten „Nanoschaltern“. Ziel des Projektes ist es, belegen zu können, dass sich in der Zelle nur wenige Nanometer große Signalschalter befinden, die individuell für ihren Lokalisationsort spezifische Zellfunktionen auslösen. Das langfristige Ziel besteht darin, dazu beizutragen, punktgenaue, hochwirksame und nebenwirkungsarme Medikamente entwickeln zu können.
„Dass es Professor Bock gelungen ist, einen ERC Consolidator Grant einzuwerben, ist ein großartiger Erfolg – zu welchem ich ganz herzlich gratuliere!“, betont der Wissenschaftliche Vorstand und Dekan der Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz, Univ.-Prof. Dr. Philipp Drees. „Forschungen zur Signalübertragungen im Körper haben eine hohe Relevanz, denn ihre Erkenntnisse sind für viele wissenschaftliche Disziplinen von großem Nutzen. Das innovative Forschungsprojekt von Professor Bock und seiner Arbeitsgruppe hat viel Potential, die Wissenschaft einen großen Schritt voranzubringen. Der Grant ist ein Beleg dafür und zeichnet den Mainzer Pharmakologen als exzellenten und vielversprechenden Wissenschaftler aus.“
Wie Zellen Signale entschlüsseln – ein jahrzehntealtes Rätsel
Viele lebenswichtige Vorgänge im Körper, von der Herzfunktion bis hin zum Immunsystem, beruhen auf Signalkaskaden. Zellen empfangen und erkennen die Signale aus der Außenwelt über sogenannte G-Protein-gekoppelte Rezeptoren (GPCRs). GPCRs steuern nahezu alle physiologischen Prozesse im menschlichen Körper und stellen bereits heute eine der wichtigsten Zielstrukturen für Arzneistoffe dar. Sie erkennen hochspezifisch Signale aus der zellulären Umgebung und geben diese ins Innere der Zellen weiter, indem sie die Produktion eines Botenstoffes, eines sogenannten „second messenger“, auslösen. Für diesen Schritt der Signalkaskade, also der fortgesetzten Weiterleitung der ursprünglichen Nachricht aus der Zellumgebung, nutzen die meisten GPCRs denselben chemischen Botenstoff: Cyclisches Adenosinmonophosphat (cAMP). Eine seiner Eigenschaften ist – so die bis dato in der Wissenschaft gängige Annahme, dass er sich innerhalb der Zelle frei bewegt und sich überall ausbreitet.
Der ERC Consolidator Grant 2025-Preisträger und Direktor des Instituts für Pharmakologie der Universitätsmedizin Mainz, Univ.-Prof. Dr. Andreas Bock, und seine Arbeitsgruppe stellten sich zunächst die Frage: Wenn viele unterschiedliche G-Protein-gekoppelte Rezeptoren denselben Botenstoff cAMP als „second messenger“ einsetzen – wie schafft es die Zelle dann trotzdem, präzise und sehr spezifisch unterscheidbare Reaktionen zu erzeugen? Eine überraschende und potenziell revolutionäre Hypothese stellen sie in ihrem ERC Consolidator Grant-Forschungsprojekt auf: Zellen arbeiten mit extrem lokalisierten Nanoschaltern, auch als Nanoswitches bezeichnet.
Neue Theorie: Zellen arbeiten mit „Nanoschaltern”
„Wir glauben, dass Zellen Signale viel präziser und lokaler verarbeiten als bisher angenommen. Unsere Daten deuten darauf hin, dass winzige molekulare Schalter den Botenstoffverkehr in der Zelle organisieren. Wenn wir diese Strukturen verstehen, könnten künftig Medikamente entwickelt werden, die punktgenau an diesen Nanoswitches wirken – mit weniger Nebenwirkungen und mehr therapeutischem Potenzial“, erklärt Univ.-Prof. Dr. Andreas Bock.
In seinem bewilligten ERC Consolidator Grant formuliert Professor Bock eine neue Hypothese: GPCRs senden keine breiten, diffusen Signale, sondern sie erzeugen innerhalb der Zelle an verschiedenen Stellen nur wenige Nanometer große Signalschalter, sogenannte „Nanoswitches”. Jeder von diesen winzigen, extrem lokalisierten „Nanoschaltern“ produziert cAMP nur in seiner unmittelbaren Umgebung. Dies ermöglicht es den Zellen, genau zu verfolgen, woher jedes cAMP-Molekül stammt und somit zu erkennen, welcher Rezeptor das Signal ausgelöst hat, um schließlich präzise und hochspezifisch zu reagieren – und zwar auch dann, wenn gleichzeitig zahlreiche andere Rezeptoren aktiv sind.
High-Tech-Methoden für Einblicke im Nanobereich
Um diese Nanoschalter und ihre Wirkmechanismen im Rahmen ihres ERC Consolidator Grants zu untersuchen, nutzen Professor Bock und seine Arbeitsgruppe High-Tech-Verfahren der modernen Bildgebung. Fortschrittliche fluoreszierende Biosensoren, spezielle Fluoreszenzlebenszeit-Mikroskopietechniken und modernste Proteomik-Verfahren sollen dazu dienen, Signale im ultrakleinen Maßstab sichtbar zu machen, winzige Veränderungen zu erkennen und die räumliche Nähe von Molekülen zu messen. Ziel ist es, detaillierte Karten darüber zu erstellen, wie diese Nanoschalter aufgebaut sind und wie sie sich in lebenden Zellen verhalten.
Um zu verdeutlichen, wie wichtig diese Nanoschalter für die normalen Körperfunktionen sind, wollen die Forschenden unter der Leitung von Univ.-Prof. Dr. Andreas Bock auch ganz konkret im ERC-Projekt herausfinden, wie diese Nanoschalter dazu beitragen, die Insulinfreisetzung aus der Bauchspeicheldrüse zu steuern. Dafür untersuchen sie sowohl die Reaktion auf natürliche, körpereigene Hormone als auch auf zugelassene Medikamente zur Behandlung von Adipositas.
„Wenn es uns gelingt, unsere Hypothese zu verifizieren, wäre unser ERC Consolidator Grant auch ein Beitrag dazu, den Stand der Forschung zur Zellkommunikation wesentlich voranzubringen. Unser Projekt zielt letztlich darauf ab, dass eine Generation von Medikamenten entwickelt werden kann, die sich dadurch auszeichnet, dass sie statt auf ganze Zellen auf bestimmte Nanoschalter abzielt, wodurch die Behandlungen präziser und nebenwirkungsärmer würden“, erläutert Univ.-Prof. Dr. Andreas Bock abschließend.
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