Interoperabilität sichert Zukunftsfähigkeit
14.05.2025 - Vielen Kliniken fehlt es an Interoperabilität, weil die meist unstrukturierten Daten nicht automatisiert und standardisiert zusammengeführt werden können.
Die Interoperabilität im Gesundheitswesen ist ein essenzieller Faktor für eine effiziente und qualitätsgesicherte Patientenversorgung. Sie markiert die Fähigkeit unterschiedlicher IT-Systeme, Softwareanwendungen und medizinischer Geräte, reibungslos zusammenzuarbeiten und Daten verlustfrei auszutauschen. Dies ist extrem wichtig vor dem Hintergrund der wachsenden Digitalisierung im Gesundheitssektor. Und gerade wenn es um die elektronische Patientenakte oder digitale Dienstpläne und spezifische Apps für Klinikpersonal geht, spielen diese Aspekte eine grundlegende Rolle. Der Schritt hin zur „4P-Medizin“ (predictive, preventative, personalized, participatory) wird noch in diesem Jahr durch eine Vielzahl von Reformen möglich werden. Erhobene Daten sollen dann im Optimalfall von Beginn einer Leistungsanforderung über die Leistungserbringung bis hin zu Daten von Kostenträgern oder öffentlichen Stellen (z. B. RKI) sowie allen beteiligten Akteuren, verständlich erzeugt, verarbeitet und ausgetauscht werden können. Hierzu müssen Schnittstellen und Standards zu einem vollständigen, in sich konsistenten System bewerkstelligt werden.
Modi und Herausforderungen
Die Interoperabilität wird in verschiedene Kategorien unterteilt: a) technische Interoperabilität - sie bezieht sich auf die Fähigkeit von IT-Systemen, Datenformate und Kommunikationsprotokolle zu verstehen und auszutauschen; b) semantische Interoperabilität - hier geht es um die inhaltliche Bedeutung der ausgetauschten Daten, um eine einheitliche Interpretation durch verschiedene Systeme zu gewährleisten; c) organisatorische Interoperabilität - sie betrifft die Prozesse und rechtlichen Rahmenbedingungen, die den Datenaustausch zwischen verschiedenen Institutionen erleichtern. Trotz der erkennbaren Vorteile gibt es zahlreiche Herausforderungen, die die Implementierung einer umfassenden Interoperabilität im Gesundheitswesen erschweren. Fehlende Standardisierung: Unterschiedliche Systeme nutzen verschiedene Datenformate und Protokolle, was den Austausch erschwert. Datenschutz und Sicherheitsaspekte: Der Schutz sensibler Gesundheitsdaten muss gewährleistet werden, insbesondere im Hinblick auf die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO). Unzureichende Sicherheitsmaßnahmen können zu Datenlecks und Missbrauch führen. Hohe Implementierungskosten: Die Anpassung bestehender Systeme an interoperable Standards erfordert erhebliche Investitionen. Akzeptanzprobleme: Medizinisches Personal ist oft skeptisch gegenüber neuen Technologien, insbesondere wenn sie als zusätzliche Arbeitsbelastung empfunden werden.
Lösungsansätze im Zeitenwandel
Zur Überwindung all dieser Herausforderungen sind verschiedene Maßnahmen erforderlich. Etablierung von Standards: Die Verwendung international anerkannter Standards wie HL7, FHIR und DICOM erleichtert den Datenaustausch. Auf dieser Ebene finden sich Bus-Systeme (CAN, USB), serielle und parallele Anschlüsse ebenso wie Protokolle beispielsweise des OSI-Stacks wie TCP/IP, FTP, NFS, http etc. Implementierung von Schnittstellen: Interoperabilitätsplattformen und Middleware-Lösungen können als Brücke zwischen verschiedenen Systemen dienen. Sicherheits- und Datenschutzmaßnahmen: Neue Verschlüsselungstechniken, Multi-Faktor-Authentifizierung und strenge Zugriffskontrollen sollten implementiert werden, um die Datenintegrität und den Schutz der Patienteninformationen zu gewährleisten. Auch die Quantenkryptographie wird künftig eine wichtige Rolle spielen. Über 50 % der Gesundheitsdienstleister haben aktuell keine Healthcare-IT-Roadmap, obwohl sie grundsätzlich zustimmen, dass ein digitales Gesundheitswesen für die Bereitstellung effizienterer Gesundheitsdienste wichtig ist. Politische und regulatorische Unterstützung: Gesetzliche Vorgaben und finanzielle Anreize können die Implementierung interoperabler Systeme fördern. Eine enge Zusammenarbeit zwischen politischen Entscheidungsträgern, IT-Spezialisten und Gesundheitsdienstleistern ist so wichtig wie die Schulung und Sensibilisierung für den korrekten Umgang mit Gesundheitsdaten. Bis zur vollkommen digitalisierten medizinischen Organisation ist es noch ein längerer Weg.
Optimierungspotenzial im Vergleich
In den letzten Jahren wurden in Deutschland durch vielfältige Maßnahmen zur digitalen Transformation Fortschritte bei der Implementierung der Interoperabilität im Gesundheitssektor gemacht. Im internationalen Vergleich wird jedoch deutlich: Deutschland braucht Aufschwung zur Herstellung von Interoperabilität und letztlich zur Digitalisierung selbst. So gibt es im europäischen und weltweiten Vergleich durchaus realisierte Lösungen und Geschäftsmodelle, die dem Entwicklungsprozess in Deutschland als Vorlage dienen können. Die in der Vergangenheit manifestierte Konzentration beim Einsatz von Informations- und Kommunikationstechnologien auf einzelne Einheiten oder Sektoren hat zu einer unübersichtlichen Systemvielfalt geführt. Dies hat zur Folge, dass in Arztpraxen, Krankenhäusern, Apotheken und Rehabilitationskliniken vorliegende Informationen oft nur mit erheblichem Aufwand digital übermittelt und weiterverarbeitet werden können.
Eine optimal vernetzte Gesundheitsinfrastruktur verbindet im Idealfall diverse Geräte und Abläufe, wodurch die Diagnostik, Überwachung und Prävention in der Gesundheitsbranche unterstützt wird. Digitalisierung und Interoperabilität ermöglichen in der medizinischen Versorgung radikale und disruptive Innovationen. Doch neue Technologien haben Fehler, die wie sonst in keiner anderen Branche direkte Auswirkungen auf den Menschen haben: Kommt es zu Systemausfällen der IT, können sogar Leben auf dem Spiel stehen. Ein umfassender elektronischer Datenaustausch scheitert - abgesehen von rechtlichen Regelungen - oftmals schon an der vernetzten Infrastruktur: Gegenwärtig sind nur wenige Kliniken mit Notaufnahmen permanent mit anderen Teilnehmern des Gesundheitswesens, wie Krankenkassen und ambulanten Einrichtungen, vernetzt. Der Gesundheitsmarkt wird sich in den nächsten Jahren fundamental wandeln. Für Leistungserbringer ergeben sich entscheidende Differenzierungsmöglichkeiten und für Kostenträger Einsparungen. Grundvoraussetzung für dieses Zukunftsbild wird die Interoperabilität sein. Diese Vision funktioniert vollumfänglich nur auf der Basis von interoperablen Daten, die aggregiert, zwischen den Knotenpunkten des Systems standardisiert und strukturiert ausgetauscht und bestenfalls in Echtzeit abgeglichen oder analysiert werden. Die Versorgung kann durch interoperable, datengetriebene Lösungen ein höheres Level erreichen. Für Kliniker können tägliche Routinen einfacher und die Behandlungen sicherer werden. Organisierte Schnittstellen können bessere Übersichten über komplexe Krankheitsverläufe schaffen. Der IT-Bereich kann Zeit für Konvertierungen und Datenmanagement einsparen. Für Patienten zeigt sich Interoperabilität schließlich in einer reibungslosen, unbürokratischen und personalisierten Behandlung. Das übergeordnete Ziel muss letztlich eine schnellere und bessere Patientenversorgung sein, um tatsächlich den größten digitalen Komfort zu wählen.
Autor: Hans-Otto von Wietersheim, Bretten