Medizin & Technik

Neuartige Methoden erweitern MRT-Portfolio

22.05.2025 - Das MPI für biologische Kybernetik in Tübingen arbeitet an Kontrastmitteln, die die MRT auf neue Weise nutzbar machen – unabhängig von der Magnetfeldstärke.

Autor: Prof. Dr. Klaus Scheffler, Fellow Max-Planck-Institut für biologische Kybernetik, Tübingen

Die Magnetresonanztomografie (MRT) gehört heute zu den vielseitigsten und leistungsfähigsten bildgebenden Verfahren in der Medizin. Im Gegensatz zu konventionellen Methoden wie Röntgen oder dem klassischen B-Mode-Ultraschall, die primär auf einen einzelnen Kontrastmechanismus (Absorption bzw. Reflexion) basieren, bietet die MRT gleich mehrere Wege, Gewebeunterschiede sichtbar zu machen – u.a. über die T1- und T2-Zeiten, die sich je nach inter- und intramolekularer magnetischer Umgebung der Spins unterscheiden und Relaxationszeiten der Spins zurück in den Gleichgewichtzustand beschreiben sowie über die Dichte der Wasserstoffkerne. So entstehen hochauflösende Bilder, mit denen man z. B. Fettgewebe, Sehnen, Arterien und Venen voneinander unterscheiden kann. Zudem ermöglichen spektroskopische MRT-Techniken auch eine Analyse der chemischen Zusammensetzung von Geweben.

Ein zusätzlicher Kontrast kann durch Kontrastmittel erzeugt werden – in der Klinik sind das häufig gadoliniumbasierte Substanzen. Diese helfen etwa bei der Tumordiagnostik, bringen jedoch auch Nebenwirkungen mit sich. Trotz all dieser Stärken ist die MRT physikalisch betrachtet eine vergleichsweise unempfindliche Methode: Selbst bei einem Tesla (T) Magnetfeldstärke tragen nur rund sechs von einer Million Wasserstoffkerne (also 6 ppm) zur messbaren Magnetisierung bei. Dass die Methode trotzdem funktioniert, liegt an der enormen Menge an Wasserstoffkernen im menschlichen Körper.

Doch sobald andere, weniger häufige Elemente – wie 13C, 15N oder Phosphor – abgebildet werden sollen, sinkt die Sensitivität drastisch. Die Folge: lange Messzeiten, die für die klinische Routine meist nicht praktikabel sind.

Hyperpolarisation – das Signal gezielt verstärken

Hier setzen neue Entwicklungen der Grundlagenforschung an: Die Hyperpolarisation bietet die Möglichkeit, das schwache MRT-Signal gezielt zu verstärken – und das um mehrere Größenordnungen. Dabei werden spezielle Substanzen außerhalb des Körpers in einen Zustand versetzt, in dem ein Großteil der Kernspins ausgerichtet ist – im Vergleich zu dem verschwindend geringen Bruchteil bei normaler MRT. Techniken wie Dynamic Nuclear Polarization (DNP) oder Parawasserstoff-basierte Hyperpolarisation erreichen Polarisationsgrade von über 10 %, verglichen mit dem winzigen Bruchteil im thermischen Gleichgewicht.

Ein Beispiel aus der Tumorforschung: Mit 13C-markiertem, hyperpolarisiertem Pyruvat kann der Metabolismus von Tumoren in Echtzeit sichtbar gemacht werden. Durch den Warburg-Effekt wird Pyruvat in Krebszellen bevorzugt in Laktat umgewandelt – ein Prozess, der über die MRT gemessen werden kann. So lassen sich nicht nur Tumore lokalisieren, sondern möglicherweise auch klassifizieren. Die Kehrseite: Die Hyperpolarisation zerfällt nach wenigen Dutzend Sekunden – es handelt sich um eine „single-shot“-Technik, bei der nur ein kurzes Zeitfenster für die Bildgebung zur Verfügung steht.

Neue Chancen bei niedrigen Feldstärken

Ein anderer, vielversprechender Weg ist die Overhauser-DNP-Methode. Hier wird die vergleichsweise starke Magnetisierung von freien Elektronen auf benachbarte Wasserstoffkerne übertragen – mithilfe eines Hochfrequenzfelds. Das funktioniert allerdings nur, wenn sich ausreichend viele freie Elektronen, etwa in Form von Radikalen, in der Probe befinden. Zudem kann das erforderliche Hochfrequenzfeld bei herkömmlichen MRT-Feldern (z. B. ≈ 40 GHz bei 1,5 T) nur wenige Millimeter tief in Gewebe eindringen.

Die Lösung: Ultraniederfeld- oder Niederfeld-MRT. In Magnetfeldern von wenigen Millitesla kann Overhauser-DNP effizienter eingesetzt werden, da das Problem des Signalverlusts mit zunehmender Eindringtiefe hier kaum auftritt. Dank der Hyperpolarisation bleibt das MRT-Signal trotz niedriger Feldstärke stark genug – auch wenn die räumliche Auflösung wesentlich geringer ist als bei Hochfeld-MRTs. Diese kann jedoch möglicherweise durch moderne Machine-Learning-Methoden (z. B. Deep Learning-Superauflösung oder Rauschunterdrückung) verbessert werden.

Vorteile von Niederfeld-MRT-Systemen

Niederfeldsysteme bringen darüber hinaus eine Vielzahl praktischer Vorteile mit sich:

  • Geringere Kosten: Da keine supraleitenden Magnete benötigt werden, ist die Herstellung wesentlich günstiger. Insbesondere entfällt der Einsatz von flüssigem Helium zur Kühlung auf 4 K – ein erheblicher Kosten- und Infrastrukturfaktor bei Hochfeldgeräten.
  • Einfachere Bauweise: Auch die übrigen Bauteile wie Gradienten- oder RF-Spulen können leichter und kostengünstiger konstruiert werden, da die auftretenden Kräfte bei niedrigen Feldern deutlich geringer sind.
  • Komfort für Patienten: Die Geräte sind kleiner, leiser (kein Gehörschutz nötig) und können in offener Bauweise realisiert werden – was insbesondere für klaustrophobische oder pädiatrische Patienten angenehm ist.
  • Weniger Artefakte: Metallimplantate verursachen bei Hochfeld-MRT häufig störende Bildartefakte – ein Problem, das bei niedrigen Feldern deutlich reduziert ist.

 

Bild und Schematik des Ultraniederfeld Prototyps am Max-Planck-Institut für biologische Kybernetik in Tübingen. Foto: MPI
Bild und Schematik des Ultraniederfeld Prototyps am Max-Planck-Institut für biologische Kybernetik in Tübingen.
Foto: MPI

 

Ultraniederfeld-MRT und empfindliche Sensoren

Ein besonders innovativer Aspekt der Hyperpolarisation ist, dass sie MRT sogar bei extrem niedrigen Feldstärken ermöglicht – bis hinunter auf das Niveau des Erdmagnetfelds (ca. 50 µT). Um bei diesen geringen Feldern dennoch verwertbare Signale zu erhalten, müssen hochsensitive Detektoren eingesetzt werden. Hier kommen beispielsweise SQUID-Sensoren (superconducting quantum interference devices) zum Einsatz, die extrem kleine Magnetfeldänderungen messen können. Sie benötigen zwar ebenfalls Heliumkühlung, eröffnen jedoch neue diagnostische Perspektiven – etwa in der funktionellen Bildgebung wie der Magnetoenzephalographie (MEG).

Zukunftsperspektiven: Funktionale, hyperpolarisierte Kontrastmittel

Besonders spannend ist die Möglichkeit, funktionalisierte Radikale als Kontrastmittel einzusetzen. Diese können gezielt modifiziert werden, um z. B. den pH-Wert oder den Sauerstoffdruck im Gewebe sichtbar zu machen. Solche Anwendungen wären mit herkömmlichen Kontrastmitteln nicht möglich.

Noch befinden sich viele dieser Technologien in einem frühen Forschungsstadium. Aber die Kombination aus Hyperpolarisation – insbesondere der Overhauser-DNP-Methode – und Niederfeld-MRT könnte in Zukunft neue Diagnosemöglichkeiten eröffnen und das bereits breite Portfolio der MRT erweitern.

Kontakt

Max-Planck-Institut für biologische Kybernetik

Spemannstr. 38
72076 Tübingen
Deutschland

+49 176 24020958

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