Rollout des Infection Control System im KRH Klinikum Siloah
25.09.2025 - Der nächste Meilenstein des Projekts ist erreicht.
Über das Projekt „Infection Control System“ (ICS) ist viel berichtet worden. Jetzt steht es vor dem nächsten großen Meilenstein: Dem Rollout – von der Station C5 auf das gesamte Haus. Ein Überblick.
Es ist die zentrale Aufgabe der Arbeit eines jeden Krankenhaushygieneteams: die Vermeidung von Infektionen. Sie sorgen dafür, dass Hygienestandards eingehalten werden, um nosokomiale Infektionen zu verhindern und die Patientensicherheit zu gewährleisten.
Das Institut für Medizinische Mikrobiologie und Krankenhaushygiene des KRH Klinikum Region Hannover ist darauf spezialisiert, sämtliche bakteriologischen, mykologischen, parasitologischen und infektionsserologischen Untersuchungen für die acht somatischen und die zwei psychiatrischen Kliniken des KRH durchzuführen. Ein zentraler Arbeitsschwerpunkt ist die Infektions- und Komplikationsvermeidung.
Wie Oberärztin Dr. Karin Kobusch vom KRH betont, ist Hygiene im Krankenhaus „aus infektionspräventiver Sicht ein zentrales Thema“. Es ist essenziell, die Übertragung potentiell gefährlicher Keime zu verhindern, weil Patient*innen – besonders bei geschwächtem Immunsystem – durch solche Erreger gefährdet sind. Besonders das zunehmende Auftreten multiresistenter Keime ist Grund zur Sorge, da sie gegen viele Antibiotika unempfindlich sind und Therapien erschweren. Das Ziel ist und bleibt: Die Weitergabe und Verbreitung von Keimen im Krankenhaus muss verhindert werden.
„Um das einzuordnen: Das Thema ist ein unliebsames und jeder ist froh, wenn es beherrschbar ist. Bei vermehrtem Auftreten dieser Erreger ist es eine mühsame, zeitaufwendige Detektivarbeit, die Gemeinsamkeiten von Patienten in ihrer Zeit im Krankenhaus nachzuverfolgen, um herauszubekommen, wo die Übertragung eines Erregers stattgefunden haben könnte. In ungünstigen Fällen müssten in dieser Zeit Betten oder ganze Stationen gesperrt werden“, erklärt Dr. Kobusch.
Die beruflichen Wege von Dr. Kobusch – und auch der von Mitinitiator Dr. Bernhard Tautz, Oberarzt am Institut für Mikrobiologie und Krankenhaushygiene – begannen nicht in der Krankenhaushygiene, sondern als Anästhesisten auf der Intensivstation. „Es kümmern sich glücklicherweise viele kompetente Menschen um die Intensivmedizin, aber noch zu wenige um die zunehmende Bedrohung durch Multiresistenzen. Der sinnvolle Einsatz von Antibiotika und Einhaltung der Hygieneregeln als wirksamste Schutzmaßnahmen gegen diese stumme Pandemie finden noch zu wenig Beachtung. Da wollten wir tätig werden“, sagt Dr. Kobusch. Als die Beiden in das Thema bestmögliche Vermeidung nosokomialer Infektionen eintauchen, kam ein anfangs logisch anmutender Gedanke: „Wir haben gedacht, das muss heutzutage doch elektronisch zu lösen sein.“ Es folgte die Ernüchterung: Das ist es aktuell nicht – noch nicht.
Ein lösbares Problem?!
Der Gedanke ließ die Beiden nicht los – und so wurden sie zu den Ideengebern des Infection-Control-System-Projekts (ICS), der erste Rollout startet diese Tage im September. Dazu später mehr. Die Idee ist, dass durch die wesentlich schnellere Identifikation der Quelle Ausbruchsgeschehen zukünftig rascher kontrolliert werden können. Als Dritter mit im Projektteam ist Daniel Ewert-Schönstein, Senior IT-Projektmanager der Krankenhausdigitalisierung des KRH. „Es geht darum, einen Mehrwert für die Behandlung unserer Patienten zu generieren. Die Hygieniker liefern die Prozesse und wir als IT unterstützen mit technischer und methodischer Expertise bei der Umsetzung“, erläutert Ewert-Schönstein seine Rolle. Als Partner gewonnen wurde zudem Siemens Healthineers – das Lösungskonzept wurde von den KRH Expert*innen in enger Zusammenarbeit mit Siemens entwickelt.
So funktioniert das ICS
Nach dem üblichen risikoadaptierten Eingangsscreening erhalten alle Patienten Transponder, die an Identifikations- Armbändern angebracht werden. Auch alle Mitarbeitenden werden perspektivisch mit Transpondern ausgestattet. Die medizintechnischen Geräte und Krankenhausbetten sind ebenfalls mit Sendern ausgestattet.
Mittels Bluetoothtechnologie laufen Kontaktdaten (Personen, Geräte, Räume) in einem speziell für diese Fragestellungen entwickelten System zusammen. Die dahinterliegenden Algorithmen wurden von Siemens Healthineers in enger Zusammenarbeit mit den Hygienikern, vor allem mit Dr. Tautz entwickelt. Die Daten können im infektiologischen Bedarfsfall von einer bestimmten Gruppe von Mitarbeitenden des Instituts für Medizinische Mikrobiologie und Krankenhaushygiene ausgewertet werden und Informationen zum möglichen Ausgangspunkt einer Infektion liefern. „Diese Infektionsquelle kann dann gezielt und schnell beseitigt und die Infektionskette damit effektiv unterbrochen werden“, so Dr. Kobusch. Sammeln und Auswerten in einem kurzen Prozess – so können gezielt etwa Patientenzimmer oder Untersuchungsräume desinfiziert werden, bei denen es elektronisch ein „Match“ gegeben hat. Zudem können Kontrollabstriche bei Patienten gemacht werden, die eventuell ebenfalls Kontakt mit der identifizierten Quelle in einem bestimmten Zeitraum hatten.
Die gesammelten Bewegungsdaten sind pseudonymisiert, werden also nur dann einer Person zugeordnet, wenn der konkrete Verdacht besteht, dass eine Infektionsrückverfolgung auch im Sinne des Infektionsschutzgesetzes erforderlich ist. „Und auch diese dürfen nur von handverlesenen Personen entschlüsselt werden.“
Die ICS-Software – Siemens Healthineers unterstützt beim Monitoring
„Die ICS-Software hilft dabei, Zusammenhänge zwischen durch mit Erreger infizierten Patient*innen schneller zu erkennen – etwa durch gemeinsame Aufenthalte, Bewegungsmuster oder Behandlungen. So lässt sich der Ursprung einer Infektionskette deutlich schneller identifizieren als bisher“, fasst Daniel Ewert-Schönstein, Senior IT-Projektmanager Krankenhausdigitalisierung, zusammen.
Für Ewert-Schönstein verspricht das Projekt eine zukunftsfähige Lösung, um mit der Herausforderung von Krankenhauskeimen umzugehen. „Das ICS ist eine innovative, datenschutzkonforme Lösung. Wir können sicherstellen, wo die Daten hingehen und wer Einsicht zu ihnen hat. Mit dem Projekt bestätigt sich, dass der bedarfsgerechte Einsatz von Technik und Digitalisierung auch Mitarbeitende entlasten und schützen kann. Gleichzeitig bietet uns das System die Möglichkeit, unsere Prozesse noch gezielter zu betrachten und so einen wirtschaftlichen Mehrwert für das Krankenhaus zu generieren.“
Finanziert wird das Infection Control System als Leuchtturmprojekt im Rahmen des Krankenhauszukunftsgesetzes (KHZG). Dieses verfolgt das Ziel, die stationäre Versorgung durch umfassende Digitalisierung und damit auch die Prozesse zur Infektionsverfolgung zu verbessern. Ein Kernpunkt ist, dass durch digitale Lösungen die bisher oft mühsame und zeitaufwendige manuelle Nachverfolgung von Infektionen beschleunigt und effizienter gestaltet wird. Digitale Systeme und klinische Entscheidungsunterstützungen ermöglichen es, relevante medizinische Daten schneller bereitzustellen, Infektionsketten frühzeitig zu erkennen und Ausbruchsgeschehen im Krankenhaus gezielt zu unterbrechen. Auch die Einrichtung strukturierter elektronischer Dokumentation von Pflege- und Behandlungsleistungen, wie z. B. die elektronische Patientenakte, gehört zum KHZG.
Rollout des ICS – erfreuliche Nebeneffekte
Die Pilotphase des Projekts startete kurz nach Ostern im KRH Klinikum Siloah auf einer Station der Klinik für Nephrologie, Angiologie, Hypertensiologie und Rheumatologie und ist auch dank des engagierten Einsatzes der dortigen Mitarbeitenden erfolgreich abgeschlossen worden. Mittlerweile ist die Hardware der Kontaktverfolgung im kompletten KRH Klinikum Siloah implementiert, in diesen Tagen startet der Einsatz.
Auch erste Daten des Life-Trackings sind ausgewertet, sie zeigen: „Schon jetzt werden Prozesse für Mitarbeitende unterstützt und erleichtert“, so Ewert-Schönsein. Es sei ein schöner Nebeneffekt der Technologie für die Sicherheit, dass die Arbeitsabläufe optimiert werden können. Sind Infektionsherde identifiziert, können die Bereiche mittlerweile schneller wieder für Patientinnen und Patienten zugänglich gemacht werden – und auch die Mitarbeitenden gewarnt werden, wenn es zu einem Kontakt mit einem Erreger kam, der eventuell weitere Maßnahmen für die Mitarbeitenden erforderlich macht (zum Beispiel Meningitis, Tbc).
Ausweitung auf die Zentrale Notaufnahme
Ein Live-Tracking in der zentralen Notaufnahme zeichnet zudem derzeit die Laufwege von Patient*innen und Personal auf. „Wir sammeln und analysieren fortlaufend die Work-Flow-Daten und konnten bereits Abläufe optimieren, zum Beispiel Laufwege für das Personal reduzieren“, sagt Aljoscha Sponsel, zuständig für das Consulting bei Siemens Healthineers. „Welche Betten sind betroffen? Welche Materialien müssen ausgetauscht werden? Worauf müssen Pflege und Reinigung achten? Wo muss z. B. das Gerät etwa für die Blutgasuntersuchung in der ZNA stehen, um schnell und optimal zugänglich zu sein?“ Bei Fragestellungen dieser Art ist ein Fortschritt zu erkennen – oder, wie Sponsel es ausdrückt: „Wir kommen da deutlich voran.“