IT & Kommunikation

Voll digital im Krankenhaus – wann ist es so weit?

13.10.2021 - Die Digitalisierung im Krankenhaus hat durch das Krankenhauszukunftsgesetz (KHZG) einen kräftigen Schub bekommen. In einigen Häusern laufen durch das KHZG geförderte Projekte schon an.

Doch was sollten digitale Kommunikationslösungen heute können – und was wünschen sich Klinikmitarbeiter, Ärzte und Pflegekräfte? Eine Standortbestimmung.
Wie schätzen Ärzte, Pfleger, Personen aus der Krankenhausverwaltung und IT-Administratoren den Einsatz von digitalen Kommunikationslösungen in deutschen Krankenhäusern ein? Das wollten die Marktforscher von YouGov im Auftrag von Avaya im Frühjahr 2021 wissen.

Zentrale Erkenntnis: ein großes Defizit besteht bei digitalen Kommunikationsmöglichkeiten, denn fast die Hälfte (44 %) des befragten Klinikpersonals ist damit unzufrieden. Entsprechend schätzen auch gerade mal 18 % den Bedarf an der Beschaffung von moderner Telekommunikation als gering ein – 43 % sind der Meinung, dass es durchaus an der Zeit ist, zu investieren und die Häuser besser auszustatten.

Ähnliche Ergebnisse gibt es bei der Online- Zusammenarbeit und Videotelefonie: einen dringenden Bedarf sehen hier 38 %. Obwohl die medizintechnische Ausstattung gut bewertet wurde, sähen hier ein Drittel (33 %) einen hohen Beschaffungsbedarf, schreiben die Autoren der Studie. Angesichts der rapiden Weiterentwicklung von Medizintechnik und Behandlungsmöglichkeiten sei das allerdings nachvollziehbar.

Diese Befragungsergebnisse sind nicht nur angesichts der Diskrepanz zwischen der allgegenwärtigen privaten Nutzung digitaler Kommunikation mit Smartphone und Apps alles andere als verwunderlich. Auch die jahrelange Unterfinanzierung der Häuser und die rückläufigen Investitionen der Länder sind bekannt und im Alltag der Klinikmitarbeiter spürbar.
Der Investitionsbedarf ist riesig und die Gelder, die über das KHZG frei werden, dürften nicht ausreichen, um die Digitalisierung bundesweit in allen Krankenhäusern und Kliniken vollständig umzusetzen. Dennoch hilft dieser Anschub, damit sich endlich mehr tut bei der digitalen Transformation im Gesundheitswesen.

Was brauchen digitale Kommunikationslösungen?

Krankenhäuser und Kliniken besitzen selbstverständlich eine IT-Infrastruktur, KIS und PACS, genauso wie medizintechnische Geräte sind nicht Thema. Die Herausforderung beginnt außerhalb der jeweils mit einem Stations-PC ausgestatteten Räumlichkeiten, wenn nur noch ganz selten digital kommuniziert wird. Und innerhalb der Stationsräume, wenn ganz selbstverständlich der Medienbruch noch zelebriert wird, sprich das Fax ein ganz normales Kommunikationsmittel ist. Die Ergebnisse der Studie sind eindeutig: „Das Faxgerät nutzen 68 % der Befragten noch immer mindestens einmal in der Woche zur Dokumentenübertragung.“ Das klinische Personal würde wertvolle Zeit für administrative Tätigkeiten aufwenden, die deutlich schneller erledigt werden könnten. Als Haupthindernisse für die Digitalisierung würden in diesem Zusammenhang finanzielle (39 %) und personelle (42 %) Knappheit genannt.

Digitale Kommunikationslösungen sollen interne Kommunikationsprozesse, die Kommunikation und Interaktion der Patienten mit Ärzten, Pflegekräften und anderem Klinikpersonal, aber auch die Dokumentation auf ein neu digitalisiertes Fundament stellen. Dafür ist es an erster Stelle unabdingbar, dass die Basis stimmt. Ähnlich wie der DigitalPakt Schule primär Schulen digital ertüchtigen soll, muss im Gesundheitswesen zunächst die digitale Infrastruktur stehen. Deswegen lautet die erste Grundanforderung, dass stabiles, schnelles und sicheres Internet vorhanden sein muss. Der Ausbau drahtloser Netze ist für viele der so sinnvollen Kommunikations-Apps schlicht eine Notwendigkeit.

Die zweite Grundanforderung ist die Umstellung der Dokumentation – Krankenakte, Rezepte, medizinische Reports und Briefe – von analog auf digital. Denn der Zugriff auf digitale Dokumente, wenn sie denn korrekt im System abgelegt sind, ist ungleich schneller als auf Papier. Und um elektronische Patientenakten als Dreh- und Angelpunkt der digitalen Patientendokumentation zu erstellen, ist der einfachste Weg, Papierakten in digitale Dokumente zu verwandeln. Im Zuge dessen werden über einen längeren Übergangszeitraum Dokumentenscanner sich als sehr hilfreich erweisen. Mittelfristig, wenn die Dokumentation tatsächlich digital erfolgt, kann dann auch das Faxgerät abgeschafft werden, weil digitale Kanäle es erfolgreich ersetzt haben werden.

Digitale Lösungen: mobil, modular, interaktiv

Vorher wird es für viele Krankenhäuser aber in erster Linie darum gehen, zu priorisieren und zu entscheiden, für welche Bereiche/Abteilungen digitale Kommunikationslösungen zunächst implementiert werden sollen – oder welche Bereiche als nächste digitalisiert werden. Denn selbstverständlich gibt es auch schon Kliniken hierzulande, bei denen solche Lösungen bereits Arbeitsprozesse erleichtern und das klinische Personal entlasten. Einsatzfelder von digitalen Kommunikationslösungen sind das Notfallmanagement, das Aufnahme- und Entlassmanagement, die Patientenkommunikation und -interaktion, die interne Kommunikation sowie die Dokumentation und Formulare.

Wenn in einer Notfall-Leitstelle eine Meldung eingeht, können sich die Mitarbeiter dort dank digitaler Kommunikation unmittelbar ein Bild von der Lage vor Ort machen und das Einsatzpersonal entsprechend planen. Ein Anbieter kooperiert mit einem Drohnen-Betreiber. Eine Drohne wird im Notfall zum Unfallort geschickt, nutzt die Videokomponente der Unified Communications-Lösung und überträgt diese Bilder automatisch in die Leitstelle. Genauso können auch telemedizinische Informationen zwischen Rettungsdienst, Leitstelle und Klinik ausgetauscht werden.

Im Aufnahme- und Entlassmanagement unterstützt eine digitale Kommunikationslösung, sei es in Form einer Web-Plattform, die sich in ihrem Erscheinungsbild an die Vorgaben der Klinik anpassen lässt, sei es als Mobile App die An- und Abmeldung der Patienten. Es beschleunigt die Anmeldung erheblich, wenn diese ihre persönlichen Daten entweder direkt in die App/die webbasierte Plattform eingeben oder aus ihrer elektronischen Patientenakte per Bluetooth oder WLAN in das System des Krankenhauses übertragen. Im Rahmen der Nachsorge kann der Patient Termine für Nachsorgeuntersuchungen online vereinbaren oder auch mit den Mitarbeitern im Aufnahmemanagement kommunizieren.

Weiter gefasst und mit erweitertem Funktionsumfang kann diese Web-Plattform oder die App als Patientenportal während des Aufenthaltes im Krankenhaus dienen. Die Einsatzzwecke sind vielfältig. Über das Portal kann sich der Patient über den Fortschritt seiner Behandlung informieren oder auch eigene Anliegen formulieren. Im Krankenzimmer nutzt er z. B. die App anstelle der klassischen Patientenklingel und ruft nach der Pflegekraft. Dabei teilt er ihr gleichzeitig mit, worum es geht. Ist es ein medizinischer Bedarf oder will der Patient vielleicht nur eine Flasche Wasser? Im ersten Fall benachrichtigt sie gleich den zuständige Arzt, im zweiten Fall delegiert sie die Aufgabe an nicht-medizinisches Personal – oder bringt die Flasche selbst vorbei, wenn sie genügend Zeit hat. In beiden Fällen kann sie unmittelbar reagieren und erspart sich einen Weg.

In der internen Kommunikation leisten digitale Kommunikationslösungen einen wesentlichen Beitrag zum effektiveren Austausch zwischen Ärzten, Stationsleitern und Pflegekräften. Ein kurzer Text- oder Video-Chat zwischen Arzt und Pflegekraft kann z. B. schnell eine Frage zu einem Patienten klären, was hilft Zeit einzusparen. Gerade hier sind enorme Potentiale, wie die zitierte Studie nahelegt. Denn 75 % der Befragten kommunizieren demnach primär persönlich mit den Kollegen, 65 % über das stationäre Telefon. Videotelefonie per App nutzen lediglich drei Prozent. Dabei kann ein Video-Chat auch zur Vorbereitung der Visiten und Absprachen zu Fachkonferenzen dienen oder es ermöglichen, über geteilte Bildschirme Röntgenbilder, Fotos und Videos schnell gemeinsam zu analysieren und sich abzustimmen.

Die Einsatzmöglichkeiten der digitalen Kommunikationslösungen reichen indes noch deutlich weiter. Dazu müssen sie via Schnittstelle an bestehende KIS-Systeme angeschlossen werden. Dies erlaubt einen direkten Zugang zur Patientenakte, die unmittelbar um aktuelle Daten des Patienten ergänzt werden kann. Die Visite erfolgt mobil und digital, Daten müssen nicht mehr doppelt erfasst werden.

Schritt für Schritt zum digitalen Krankenhaus

Aktuelle Digitalisierungsprojekte in Krankenhäusern hierzulande beginnen bei der Ertüchtigung der Infrastruktur und enden bei der Integration von künstlicher Intelligenz. Die beschriebenen Lösungen werden ein zentraler Bestandteil des digitalen, ohne Medienbrüche vernetzten Krankenhauses sein. Übrigens betrachten Experten die Digitalisierung nicht als Projekt, das endet. Sie empfehlen, wichtige Etappen zu definieren, wie z. B. kein Papier mehr zu verwenden. Der technologische und organisatorische Umbruch in den Krankenhäusern ist in vollem Gang und dürfte schon mittelfristig dazu führen, dass der Patient besser informiert und versorgt ist, Krankenhauspersonal von manuellen Dokumentationsaufgaben entlastet und die Kommunikation zwischen allen Beteiligten insgesamt verbessert wird.

Autor: Arno Laxy, München

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